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Chinua Achebe zählt zu den ersten großen Schriftstellern aus Afrika, die auf Englisch geschrieben haben. Alles zerfällt ist der Titel der Neuübersetzung ins Deutsche (2012) seines ersten Romans Things Fall Apart aus dem Jahr 1958.

Er spielt in den 1890er Jahren im südostnigerianischen Volk der Igbo (Ibo) zu dem Zeitpunkt, als die britische Kolonialmacht Missionare in die Igbo-Dörfer entsendet. Hauptfigur ist Okonkwo. Er ist Sohn eines Musikers und Trinkers, der ohne reiches Erbe seine Stellung im Dorf Omuofia im wahrsten Sinne des Wortes erkämpfen muss. Als Jugendlicher zählt er zu den besten Ringern und erwirbt sich durch seine Stärke, aber auch durch seinen unbändigen Arbeitswillen in dieser Bauerngesellschaft einen Rang, der ihn zu einem Angesehenen macht. Die Kehrseite dieses Charakters ist seine Gewalttätigkeit und sein Jähzorn. Er schlägt seine Kinder und Frauen, einmal schießt er sogar auf eine seiner Frauen, die er jedoch nicht trifft.

Lange wird im ersten Teil die Igbo-Gesellschaft vorgestellt. Sie ist egalitär, die Entscheidungen werden durch einen Ältestenrat, der mit Titelträgern (es gibt vier Titel, die erworben werden können) erweitert wird. Die Gesellschaft ist streng meritokratisch, die Erfolgreichen (Bauern und Kämpfer) sind angesehen. Jede Familie bildet eigenständig einen Bauernhof, die Yams-Knollen sind das wichtigste Gut. Die Männer sind polygam, der Mann hat das Sagen und das Erbrecht ist patriarchalisch. Die Bewohner eines Dorfes bilden einen Clan, die Familien sind durch Heiraten mit Clans anderer Igbo-Dörfer verbunden. Die Frauen ziehen ins Dorf ihres jeweiligen Mannes.

Eine sehr große Rolle spielen auch die Priesterinnen und Priester der vielen Göttinnen und Götter, deren oft brutalen Orakelsprüche eingehalten werden müssen. Die Regeln im Dorf sind sehr streng durch den Glauben und die richterlichen Entscheidungen geprägt. Zwillinge werden nach der Geburt grundsätzlich ausgesetzt, da sie Unheil über das Dorf und den Clan bringen würden. Erfolglose Menschen gelten als Aussätzige. Geiseln aus anderen Dörfern können von einem Tag auf den anderen durch einen richterlichen Entscheid getötet werden. So geschieht es auch mit einem Jungen aus einem anderen Dorf, der als Geisel bei Okonkwo lebt und lieb gewonnen wird wie ein eigener Sohn. Das Todesurteil wird gesprochen und Okonkwo selbst ist der Henker.

Als eines Tages während eines Maskengeisterumzugs unabsichtlich das Gewehr von Okonkwo losgeht und eine Person getötet wird, muss er wegen einer "weiblichen Tat" (unabsichtliche Tötung) für sieben Jahre den Clan verlassen, seine Häuser werden niedergebrannt (Schutz vor Unheil). Im Dorf seines Mutterclans begegnet er zum ersten Mal einem weißen Missionar. Noch werden die Weißen nicht ernst genommen, aber es geht Kunde, dass nach Ermordung eines Missionars in einem Nachbardorf bei einer Racheaktion bei einem Massaker auf dem Markt beinahe alle Einwohner des Dorfes durch britische Soldaten ermordet wurden. Auch erfährt Okonkwo, dass in seinem Dorf eine Missionsstation errichtet worden ist, und vor allem die Unterprivilegierten schließen sich dem christlichen Glauben an, da sie durch ihn vor den sie aus der Gesellschaft drängenden Regeln geschützt sind.

Zurück in seinem Dorf lernt Okonkwo, dass die christliche Kirche an einem "bösen Busch" errichtet worden ist. Der Clan hat fest daran geglaubt, dass der Zorn der Göttinnen und Götter die Christen binnen eines Monates hinraffen wird. Dem war nicht so, und die Kirche erhält Zulauf, so auch von einem eher schwachen und "weibischen" Sohn Okonkwos, der es aufgrund seiner körperlichen und geistigen Weichheit im Clan nicht weit bringen würde.

Während eines Geisterlaufs wird einem Maskenträger durch einen Konvertiten die Maske vom Kopf gerissen (ein großer Frevel). Eine aufgebrachte Menge stürmt die Kirche und reißt sie nieder, ohne den Missionar oder die Gläubigen selbst zu attackieren. Etliche werden von britischen Militärs festgenommen und durch Gerichtsdiener (ebenso Igbo) misshandelt. Dem Dorf wird eine hohe Strafe auferlegt. Nach der Freilassung berät eine Dorfversammlung über die auferlegte Strafe, doch als die Gerichtsdiener diese Versammlung auflösen wollen, köpft Okonkwo einen von ihnen und erhängt sich selbst. Dies ist das letzte Aufbäumen dieser Dorfgemeinschaft der Igbo, die alte Ordnung zerfällt, die koloniale obsiegt.

Achebe schreibt sehr akribisch und detailliert, oft sind es beinahe emotionslose Schilderungen von extremen Gewalttaten, die nicht nur die Kolonialmacht verübt, die alte Igbo-Ordnung selbst ist überaus grausam. In einem ausführlichen Anmerkungsapparat wird sehr viel erklärt.

Die Igbo sind Ende der 1960er Jahre übrigens in das Weltbewusstsein gelangt, als sie im Südosten Nigerias einen unabhängigen Staat Biafra errichten wollten und in einem Krieg nicht nur bekämpft, sondern ausgehungert wurden. Die Bilder gingen um die Welt. Heutzutage sind die Igbo ein staatstragendes, mehrheitlich christliches Volk in Nigeria.