Evans

Richard J. Evans, Historiker in Cambridge, setzt sich mit virtueller oder kontrafaktischer Geschichtsschreibung auseinander, also Was-wäre-wenn-Erzählungen, die sowohl von Historikern als auch Schriftstellern veröffentlicht werden. Dieser kurze Band gibt einen Überblick über die bekannten Veröffentlichungen, setzt seinen Schwerpunkt jedoch in der Kritik an Historikern, die solche Fragestellungen aufgreifen. Sein Urteil ist, dass zumeist ein bestimmtes Ereignis den Geschichtsablauf radikal ändern soll (Napoleon gewinnt Waterloo, die Spanische Armada erobert England, Hitler fällt im Ersten Weltkrieg oder Ähnliches). Evans kritisiert, dass durch diese alternativen Geschichtsnarrative die Bedeutung von Einzelereignissen oder Zufälligkeiten hervorgehoben werden sollen, jedoch gleichzeitig starre alternative Kausalitäten präsentiert würden, wo doch eigentlich ein deterministisches Geschichtsbild entkräftet werden sollte. Für ihn sind solche Konstrukte letztlich nicht schlüssig, da sie viele andere Einflüsse und Kausalitätsketten ignorieren würden, was er an vielen Beispielen zeigen kann.

Historiker, die kontrafaktische Konstrukte entwickeln, verortet er hauptsächlich im konservativen Spektrum, und diese Alternativgeschichten würden sehr oft auch ein Wunschdenken der Autoren spiegeln. Besonders setzt er sich mit dem in Oxford und Stanford tätigen rechtskonservativen Historiker Niall Ferguson auseinander, der 1999 einen Band mit dem Titel Virtual History veröffentlicht hat, den ich damals gelesen und eigentlich sehr witzig gefunden habe, aber die Kritik von Evans ist sehr überzeugend.