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Véronique Petit ist von Hauptberuf Sozialarbeiterin in Frankreich und schreibt nebenbei in ihrer Freizeit mehrfach ausgezeichnete Kinder- und Jugendbücher, in denen die ganz normale Welt mit Fantastischem verwoben wird. In diesem Buch hat eine Minderheit der Menschen mehrere Leben, das heißt, sie können tödliche Unfälle oder Krankheiten wie Katzen mit ihren angeblichen sieben Leben überstehen. In Labors wird weltweit bei Jugendlichen ab dem fünfzehnten Lebensjahr mittels Bluttest festgestellt, wie viele Leben sie haben. Jedes verbrauchte Leben wird in einer zentralen Datenbank erfasst.

Gabriel ist ein Junge, bei dem festgestellt wird, dass er sechs Leben hat. Dies ist auch in seiner Schule bekannt. Er und andere mit mehreren Leben werden von denjenigen, die nur ein Leben haben, beneidet. Gabriels Mutter und Stiefvater versuchen ihn nach einem Risikohandbuch trotzdem zu einem vorsichtigen Leben zu motivieren, aber Gabriel pfeift mehr oder weniger drauf und verliert innerhalb eines Monats fünf seiner sechs Leben, drei davon durch Leichtsinn:

- Eines durch einen missglückten Base-Jump
- Eines bei der Rettung eines Zwölfjährigen bei einem Autounfall
- Eines durch einen Fallschirmsprung, den er nicht hätte durchführen dürfen (Stromschlag)
- Eines durch die Rettung einer Mitschülerin im Auto seiner Mutter bei einem Unfall
- Eines bei einer Herzoperation wegen Spätfolgen des Stromschlags beim Fallschirmsprung

Die zwei bei den Sprüngen verlorenen Leben verschweigt er sowohl bei seiner Familie als auch an der Schule. Bei einer Klassenfahrt nach Florenz feiert die Gruppe ohne Kenntnis der Lehrer in einem Kellerraum, den eine Mitschülerin wegen privater Kontakte organisieren kann. Dort bricht ein Feuer aus und Gabriel schafft es gerade noch, die Wasserleitung für die Sprinkleranlage zu öffnen und somit die Gruppe zu retten. Nun ist er ein Held und weiß, dass er sein letztes und einziges Leben nicht mehr leichtfertig aufs Spiel setzen darf.

Der nicht sehr lange Roman ist flott geschrieben und thematisiert Chancenungleichheiten. So ist Gabriel erschüttert, warum der 15-jährige Paul-Luis mit seinem einzigen Leben nach einer Herztransplantation sterben muss, ohne eine weitere Lebenschance zu erhalten. Einen anderen Aspekt bringt der von ihm sehr geschätzte Mitschüler Tely Ndongo ein, der sein letztes Bonusleben absichtlich auslöscht, um nicht von einer afrikanischen Befreiungsarmee entführt zu werden, die Kinder mit multiplem Leben als Soldaten kämpfen lässt, wie es ihm in seinem Heimatland ergangen ist, aus dem er mit viel Glück hat fliehen können.

Sehr unaufdringlich und ohne erhobenem Zeigefinger geschrieben, trotzdem auch für Erwachsene zum Nachdenken anregend.