Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik, hat einen ungewöhnlichen und kontroversen Lebensweg hinter sich. Geboren 1861 in Kraljevec (heute in Kroatien), verbrachte er seine frühen Jahre in einer ländlichen Umgebung in kleinbürgerlichen Verhältnissen -- sein Vater war Bahnhofsvorteher -- und entwickelte bereits in jungen Jahren ein starkes Interesse an der Natur und den Wissenschaften, was von seinem Vater gefördert wurde.
Seine Familie war römisch-katholisch, und so wuchs Steiner in einer Umgebung auf, die stark von katholischen Traditionen und Riten geprägt war.

Steiner selbst berichtete später, dass er schon als Kind von der katholischen Liturgie fasziniert war und sich intensiv mit religiösen Themen auseinandersetzte. Die Erfahrungen in seiner Kindheit und Jugend hatten einen starken Einfluss auf seine spätere geistige Entwicklung und auf seine Schaffung der Anthroposophie, obwohl er mit den Dogmen der Katholischen Kirche nichts anzufangen wusste.

Laut Biografien und Berichten soll Rudolf Steiner bereits als Kind über außergewöhnliche sinnliche und übersinnliche Erfahrungen berichtet haben.
Eines der bemerkenswertesten Erlebnisse, das er später in seinem autobiographischen Werk »Die Philosophie der Freiheit« schildert, ist die geisterhafte Erscheinung seiner Tante, die ihm ihren Tod ankündigte. Er behauptete, diese Vision gehabt zu haben, bevor er von ihrem tatsächlichen Tod erfuhr.

Obwohl diese Art von Erlebnissen schwer zu verifizieren sind und innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf Skepsis stoßen, spielen sie eine zentrale Rolle in Steiners persönlicher Biografie und seiner Entwicklung als spiritueller Lehrer und Gründer der Anthroposophie.
Sie legen den Grundstein für seine Überzeugungen über die Existenz übersinnlicher Welten und die Fähigkeit des Menschen, Zugang zu diesen Ebenen der Realität zu erlangen.

Er studierte an der Technischen Hochschule in Wien und promovierte schließlich in Philosophie an der Universität Rostock.
Trotz der Tatsache, dass seine Dissertation mit der Note »genügend« bestanden wurde, was auf Deutsch etwa »ausreichend« entspricht, erlangte Steiner den akademischen Grad eines Doktors der Philosophie.

Steiners Versuch, sich zu habilitieren, also die Lehrberechtigung für das Fach Philosophie zu erlangen, scheiterte jedoch.
Daraufhin verfolgte er keine klassische akademische Laufbahn mehr, sondern wandte sich zunehmend esoterischen und spirituellen Themen zu.
Dabei kam es auch zu einer intensiven Beschäftigung mit Theosophie und später zur Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft.

Steiners Lebensweg kann als beispielhaft für den Typus des »gescheiterten Wissenschaftlers« angesehen werden, der sich von der etablierten Wissenschaft abwendet und eigene, oftmals als pseudowissenschaftlich kritisierte Theorien entwickelt.
Dennoch hat er mit seinen Ideen und seiner Lehre zahlreiche Anhänger gefunden und bleibt eine kontroverse Figur in der Geschichte der Pädagogik und Esoterik.

Leben und Wirken

Steiner zeigte zunächst bei seiner Suche nach Wahrheit Interesse an wissenschaftlich-monistischen Ansätzen, interessierte sich aber auch für Ansichten des Philosophen Nietzsche und den Individualanarchismus und bezeichnete sich als Anarchisten.
Einen Glauben an das Jenseits, an die Wiedergeburt und die Idee eines allmächtigen Gottes lehnte er zunächst in seiner frühen Phase ab.

Zu den zahlreichen Kontakten, die Steiner in seiner Wiener Zeit (1879–1890) pflegte, gehören der Esoteriker Friedrich Eckstein, der ihn mit der Theosophie Helena Petrovna Blavatskys bekannt machte, und die Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, seine wichtigste Gesprächspartnerin bei der Ausgestaltung seiner Freiheitsphilosophie.
In der Weimarer Zeit knüpfte er Kontakte zu Herman Grimm, Otto Erich Hartleben, Ernst Haeckel, Conrad Ansorge und Elisabeth Förster-Nietzsche.

Sein Versuch einer Dissertation an der Universität Jena 1884 scheiterte.
Sieben Jahre später versuchte er es erneut: Er reichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock eine 48-seitige neue Schrift ein: Die Grundfrage der Erkenntnistheorie mit besonderer Rücksicht auf Fichte's Wissenschaftslehre: Prolegomena zur Verständigung des philosophierenden Bewußtseins mit sich selbst. Mit der mündlichen Prüfung (Rigorosum) am 23. Oktober 1891 wurde er bei Heinrich von Stein mit der Bewertung »rite« (ausreichend) zum Dr. phil. promoviert.
Die Arbeit wurde 1892 in leicht erweiterter Fassung (Vorrede, Praktische Schlussbetrachtung und Vorwort) als Wahrheit und Wissenschaft – Vorspiel einer Philosophie der Freiheit im Verlag von Hermann Weißbach in Wien veröffentlicht.
Der Buchhändler und Verleger Weißbach gab auch die Zeitschrift Litterarischer Merkur – Kritisches und bibliographisches Wochenblatt heraus, für den Steiner zwischen 1891 und 1893 fünfundvierzig Artikel verfasste.

Steiners 1894 erschienenes Hauptwerk Die Philosophie der Freiheit, von dem nur wenige Exemplare verkauft wurden, fand in der akademisch-philosophischen Fachwelt nur geringe Beachtung.
Eduard von Hartmann jedoch schickte Steiner sein Leseexemplar zwar ausführlich kommentiert zurück, verzichtete aber auf eine Rezension.
Später kritisierte er das Werk beiläufig in einer Fußnote.
Eine ausführliche kritische Rezension überließ er seinem Schüler Arthur Drews.
Eine weitere ausführliche, jedoch weitgehend zustimmende Rezension verfasste Bruno Wille.

Ab 1892 wohnte er bei der gerade verwitweten Anna Eunike (1853–1911) und ihren fünf Kindern, die 1899 seine erste Ehefrau wurde.
Es gelang Steiner nicht, in der akademischen Philosophie Fuß zu fassen.
Ein Habilitationsversuch im Jahre 1894 scheiterte.
Ernst Haeckel, der aus dem Umfeld Steiners um Vermittlung einer Stelle an der Universität Jena gebeten worden war, versagte jegliche Unterstützung.

1902 wurde Steiner nach einer radikalen Wende seiner weltanschaulichen Ansichten Vorsitzender der deutschen Sektion der esoterischen Theosophischen Gesellschaft der 1891 verstorbenen Mitbegründerin und Medium Helena Petrovna Blavatsky, deren Ansichten ihn offenbar tief beeindruckten.

Nachdem Graf Brockdorff aus Altersgründen von seiner Funktion als Leiter der Berliner D.T.G.-Loge zurückgetreten war, wurde Steiner am 17. Januar 1902 sowohl Mitglied der D.T.G. als auch neuer Leiter der Berliner Loge, mit Marie von Sivers als seiner Sekretärin und „rechten Hand“. Bei der am 19. Oktober 1902 folgenden Gründung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft (DSdTG) übernahm Steiner den Posten des Generalsekretärs, weiterhin mit Marie von Sivers als seiner Sekretärin.

1904 erschien das Buch Theosophie (mit dem Untertitel Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung), in dem er die jetzt von ihm vertretene Lehre erstmals ausführlich darlegte. Anknüpfend an Johann Gottlieb Fichte sprach er darin von einem »geistigen Auge«, das es ermögliche, neben der gewohnten physischen Welt noch eine seelische und eine geistige Welt wahrzunehmen und zu erforschen.
Während traditionelle Esoteriker die okkulten Erkenntnisse als über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis vermittelte »Einweihung« ansahen, wollte Steiner zu einer selbstbestimmten Erkenntnisleistung anleiten.
Diese Anleitungen vertiefte er in der Aufsatzserie »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« (1904/05).

In der parallel begonnenen Aufsatzserie »Aus der Akasha-Chronik« (1904–1908) griff Steiner nun vermehrt Themen aus der Lehre Blavatskys und anderer ihr nahestehender Okkultisten auf, darunter die Lehre von den »Wurzelrassen«.
Trotz einzelner Abweichungen und eigenständigen Schwerpunktsetzungen hatte sich Steiner anscheinend den Grundrahmen der theosophischen Weltsicht zu eigen gemacht.

Die Dreiteilung in imaginative, inspirative und intuitive Erkenntnis wurde die Grundlage für die Klassen von Steiners »Esoterischer Schule«, in der er privat Schüler in »geisteswissenschaftlicher« Erkenntnis ausbildete.
1904 richtete er die erste Klasse ein, in der theosophische Literatur gelesen wurde,
1907 die zweite, die eher rituell ausgerichtet war.
Für sie adaptierte Steiner den Memphis-Misraïm-Ritus, ein irreguläres freimaurerisches Hochgradsystem, in dem er auch selbst Mitglied wurde.
In diesem Zusammenhang kam Steiner auch in Kontakt mit dem deutschen Okkultisten Theodor Reuss.
Ob er auch Mitglied in dessen sexualmagischen Ordo Templi Orientis wurde, ist umstritten, wird aber von Michael Grandt und seinem Bruder Guido Grandt behauptet.
Beide Klassen arbeiteten bis 1914, die dritte, die die Schüler in ihrem täglichen Berufsleben schulen sollte, kam anscheinend nicht zustande.

Eine ausführliche Zusammenfassung seiner esoterischen Lehre gab er 1910 unter dem Titel Die Geheimwissenschaft im Umriss heraus -- ein Titel, der sich an Blavatskys Hauptwerk »Die Geheimlehre« (The Secret Doctrine, 1888) anlehnt.
In dieser Publikation tritt – wie schon in Theosophie– die von Blavatsky entlehnte Terminologie wieder weitgehend zurück und stattdessen werden abendländische Themen wie die christliche Hierarchienlehre aufgegriffen.
Dieses Buch wurde noch zu Lebzeiten Steiners vierzehn mal neu aufgelegt; wenige Wochen vor seinem Tod (1925) schrieb er noch das Vorwort zur 16. Auflage.
Auch von der Theosophie gab es in dieser Zeit neun Neuauflagen.

Der Streit um Jiddu Krishnamurti im Jahr 1911 löste den Konflikt mit der theosophischen Gesellschaft aus und führte zur Bildung der an die Theosophie angelehnten Steinerschen Anthroposophie und auch dank seiner rhetorischen Fähigkeiten zu einer Vergößerung seiner Popularität.

Die Anthroposophische Gesellschaft (AG) entstand 1912, nachdem sich Rudolf Steiner, der Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft seit 1902, geweigert hatte, dem von Annie Besant, der Präsidentin der Adyar-TG, verordneten Kurs, den Inder Jiddu Krishnamurti als neuen Christus zu proklamieren, zu folgen.

Um die Jahreswende 1912/13 kam es zur Trennung von der Theosophischen Gesellschaft, Steiner konstituierte am 3. Februar 1913 die Anthroposophische Gesellschaft, und Marie von Sivers übernahm neben Carl Unger und Michael Bauer deren Vorsitz.

Rudolf Steiner und seine zweite Frau Marie von Sivers (Heirat 1914, dann Marie Steiner-von Sivers, keine Kinder) wohnten von 1903 bis 1923 in Berlin-Schöneberg, Motzstraße 30, wo eine Gedenktafel an sie erinnert.
Allerdings war Steiner als Vortragsredner und als Vorsitzender der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft viel auf Reisen.
Nach dem Ende des Krieges 1918 hielt er sich nur noch selten in Berlin auf.

Der späte Steiner wandte sich verstärkt Kunst und Architektur zu. In den Jahren 1910 bis 1913 wurden in München seine vier »Mysteriendramen« uraufgeführt. Von 1913 bis 1922 entstand unter seiner künstlerischen Leitung in Dornach bei Basel das Goetheanum als Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft und Sitz der geplanten Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.

Nachdem der Holzbau in der Silvesternacht 1922/23 abgebrannt war (die zeitgenössische Presse vermutete Brandstiftung seitens militanter Steiner-Gegner), entwarf Steiner ein zweites, größeres Goetheanum aus Beton, das 1928, also erst nach seinem Tod, fertiggestellt wurde.

1919 gründete Steiner auf Initiative des Unternehmers und Anthroposophen Emil Molt die erste Waldorfschule für die Kinder der Arbeiter von Molts Zigarrettenfabrik »Waldorf Astoria« in Stuttgart.

1923 gründete Steiner die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft.

1924 hielt Steiner den landwirtschftlichen Kurs in Koberwitz bei Breslau vom 7. bis 16. Juni 1924, und ein Vortrag in Dornach am 20. Juni 1924. Das ist die Grundlage der Biologisch-Dynamischen Landwirtschaft.

Rudolf Steiner zog sich Ende 1924 während der Weihnachtstagung der Anthroposophischen Gesellschaft zurück und gab wenige Monate später seine letzten Vorträge. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide und er starb im März 1925. Es ist bekannt, dass er unter einer Art von Magen-Darm-Erkrankung litt, die genaue Ursache oder Diagnose ist jedoch unbekannt.

Es gibt viele Spekulationen und Theorien über Steiners Krankheit und Tod. Eine dieser Theorien, die innerhalb einiger Kreise der Anthroposophie verbreitet ist, ist die Vorstellung, dass Steiner das Opfer eines okkulten Angriffs geworden sein könnte. Diese Theorie besagt, dass Steiner durch eine Art okkulter »schwarzer Magie« oder durch einen gezielten »astralen Angriff« krank gemacht wurde.

Steiner hatte keinen Nachfolger benannt, einige aus seinem Umkreis fühlten sich dazu berufen, darunter auch Günther Wachsmuth, Marie Steiner und Ita Wegmann.

Der Tod von Rudolf Steiner und die anschließende Nachfolgeproblematik war ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft. Ohne klare Anweisungen für seine Nachfolge hinterlassen zu haben, gab es Unstimmigkeiten und Konflikte innerhalb des Vorstandes der Gesellschaft, welche letztlich zu tiefen Spaltungen innerhalb der Bewegung führten.

Albert Steffen wurde Ende 1925 als Vorsitzender gewählt, aber die Unstimmigkeiten innerhalb der Gesellschaft hielten an. Insbesondere die Frage, ob man Steiners Initiativen fortsetzen oder sich auf die Verwaltung des Vorhandenen beschränken sollte, blieb umstritten. Verschiedene Gruppierungen trennten sich von der Anthroposophischen Gesellschaft, teilweise unter Beteiligung einzelner Vorstandsmitglieder.

Eine weitere wichtige Frage war die Verfügungsgewalt über Rudolf Steiners Werk. Marie Steiner, die Witwe von Rudolf Steiner, konnte sich letztendlich als Alleinerbin durchsetzen und gründete die Rudolf Steiner Nachlassverwaltung, die unabhängig vom Goetheanum Rudolf Steiners Vorträge und Schriften sowie den künstlerischen Nachlass im Rudolf-Steiner-Verlag veröffentlichte. Dies führte jedoch zu weiteren Unstimmigkeiten und Kontroversen innerhalb der Gesellschaft.

Die Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft nach dem Tod von Rudolf Steiner ist daher geprägt von Unstimmigkeiten, Spaltungen und Kontroversen, die bis heute nachwirken.


Von Rudolf Steiner ist bekannt, dass er sich für die Reinkarnation von Jesus Christus für das 19. oder 20. Jahrhundert hielt; Johann Wolfgang von Goethe hielt er für die entsprechende Reinkarnation von Christus des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die von Rudolf Steiner gehaltenen Vortragszyklen und Einzelvorträge, die er vom Beginn des 20. Jahrhunderts an zuerst im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft und später für die Mitglieder der 1913 gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern gehalten hat, bilden den beiweiten umfangreichsten Teil seines Vortragswerkes.

Steiner hat selbst recht wenig aufgeschrieben, seine Vorträge wurden von seinen Jüngern mitstenographiert und werden in der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, in ihrem chronologischen Zusammenhang herausgegeben.
Das gesamte Vortragswerk umfasst nach derzeitigem Wissensstand 5611 Vorträge sowie circa 1000 Tafelbilder sind erhalten und in die 350 Bände umfassende Gesamtausgabe eingeflossen.

Steiners kurvenreiche Sprache und recht merkwürdige Terminologie machen es Ungeübten schwer diese Texte zu lesen und zu verstehen. Viele seiner Texte lassen sich auch gar nicht analytisch erschließen. Ansgar Martins hat die Vorträge Steiners in einer Fernsehdiskussion als »random Text« bezeichnet.

Ein anschauliches Beispiel für die Wahrnehmung von Steiners Vorträgen liefert Kurt Tucholsky, ein bekannter Journalist und Schriftsteller seiner Zeit. Tucholsky beschrieb Steiner als »unüberzeugt« von seinen eigenen Aussagen und kritisierte seine Vorliebe für abstrakte und groß angelegte Konzepte. Der Mangel an Klarheit und Substanz in Steiners Reden ließ die Zuhörer nach Tucholskys Beobachtungen reihenweise einschlafen. Der Schriftsteller verglich Steiners rhetorische Fähigkeiten sogar mit denen eines »armen Schauspielers« und stellte Steiners Autodidaktismus in Frage.

Auch Berichte von Anthroposophen der ersten Stunde zeugen von ähnlichen Erfahrungen. So berichtet ein ehemaliger Lehrer von seinem Onkel, der trotz seiner tiefen Verbindung zur Anthroposophie dazu neigte, während Steiners Vorträgen einzuschlafen. Diese Berichte zeigen, dass selbst engagierte Anhänger Schwierigkeiten hatten, Steiners komplexen und abstrakten Ideen zu folgen oder sie als überzeugend zu empfinden.

Steiner hatte von vielen Themen, zu denen er Vorträge hielt, z.B. Pädagogik, Sozialwissenschaften, Medizin und Landwirtschaft absolut keine Ahnung. Er hat sich komplett auf seine Intuition verlassen und viele abstruse Behauptungen aufgestellt, Beispielsweise:
  • Mechanischer Okkultismus
    Man könne Maschinen durch Anmeditieren zum Laufen bringen [Steiner:GA186 S. 66 ff.]
  • Entwicklung der menschlichen Fortpflanzung
    Die Zirbeldrüse ist eine Metamorphose des Wärmewahrnehmungs- und Befruchtungsorgans des lemurischen Menschen. [GA 105 S. 115 ff.]
    Die Sexualorgane »verdorren« und Vermehrung des Menschen wird eines Tages über den Kehlkopf, durch das »Ansprechen« anderer Menschen möglich sein.
    Das wird eintreten, wenn die Erde vom Planeten zum Fixstern und vom Fixstern zum Tierkreis wird. [Steiner:GA266a S.209]
  • Landwirtschaftlicher Kurs »Mäusebekämpfung«
    Wir verschaffen uns zur Zeit des Stehens der Venus im Zeichen des Skorpions diesen Mäusebalg und verbrennen da diesen Mäusebalg, nehmen sorgfältig dasjenige, was sich da jetzt entwickelt an Asche, überhaupt an Bestandteilen, die herausfallen - es wird nicht viel sein, aber wenn man eben eine Anzahl von Mäusen hat, so ist es genügend, so ist es genug, was man da bekommt; und man bekommt jetzt den verbrannten Mäusebalg zur Zeit, als die Venus im Skorpion steht. Und in dem, was da durch das Feuer vernichtet wird, bleibt jetzt übrig die negative Kraft gegenüber der Reproduktionskraft der Feldmaus. Wenn Sie nun den auf diese Weise gewonnenen Pfeffer - die Dinge werden ja auf gewissen Gebieten schwierig, da können Sie sich die Sache noch mehr homöopathisch machen, wir brauchen nicht einen ganzen Suppenteller voll Pfeffer - ausstreuen auf Ihre Felder, wenn er richtig bei der Hochkonjunktion von Venus und Skorpion durch das Feuer hindurchgeleitet worden ist, so werden Sie darin ein Mittel haben, dass die Mäuse dieses Feld meiden. Nun sind sie freche Tiere, sie kommen wieder hervor, wenn der Pfeffer so ausgestreut ist, dass in der Nähe etwas pfefferlos geblieben ist. Da nisten sie sich wieder ein. Das heißt, die Wirkung strahlt weit aus, aber es könnte ja doch geschehen, dass die Dinge nicht ganz durchgeführt werden. Aber es ist ganz gewiss eine radikale Wirkung, wenn in der ganzen Nachbarschaft dasselbe gemacht wird. [GA 327 S.159 f. ]


Steiner war davon überzeugt, dass es möglich ist, durch eine Kombination aus kritischer Reflexion und intuitiver Wahrnehmung eine tiefere, spirituelle Dimension der Realität zu erschließen. Diese Überzeugung bildet den Kern der Anthroposophie, die er als »spirituelle Wissenschaft« bezeichnete.

Sein Ansatz ist bis heute umstritten und wird von vielen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft abgelehnt, die seine Methoden und Schlussfolgerungen als unwissenschaftlich betrachten. Aber seine Ideen haben auch viele Anhänger gefunden, die seine Ansichten als eine wertvolle Ergänzung oder Alternative zur konventionellen Wissenschaft betrachten.