Bleyer-Metternich

Die österreichische Historikerin Alexandra Bleyer hat über Metternich ihre Doktorarbeit geschrieben und darauf basierend 2014 dieses Buch veröffentlicht. Danach ist sie umgestiegen und heute erfolgreiche Krimi-Autorin.

Dieses Buch erfüllt nicht ganz die Erwartungen, da der Schwerpunkt eher auf dem Wiener Kongress und der Neuordnung Europas im frühen 19. Jahrhundert liegt und weniger auf Metternichs Überwachungssystem. Dennoch gibt es einige interessante Informationen.

So begannen die Überwachungsbestrebungen Metternichs bereits am Wiener Kongress, als die Wiener Polizeihofstelle auch verbündete Gesandte überwachen ließ, auch unter Einsatz von geschulten Prostituierten, welche hochrangige Politiker und Diplomaten in Liebesaffairen verstrickten (Obama brauchte bei Merkel nur mehr das Handy zu überwachen, merkt Bleyer süffisant an). Auch wurden Papierkörbe durchstöbert und geschredderte Notizen wieder zusammengefügt (das ist auch heute noch Teil geheimdienstlicher Arbeit).

Für die diplomatische Welt hat der Wiener Kongress zukunftsweisend eine Regelung getroffen, um die Rangordnung von diplomatischen Vertretungen festzulegen. Nicht mehr Groß- und Kleinstaaten regelten die Rangordnung, sondern Status (Botschafter, Gesandte oder Geschäftsträger) sowie Dauer der Akkreditierung (Dienstalterprinzip). Die protokollarischen Gepflogenheiten wurden dadurch stark vereinfacht.

Interessant ist auch, dass bereits vor dem Wiener Kongress es große Differenzen zwischen den Mächten gab, um ihre Grenzen zu ziehen. Die nach außen gezeigte Einigkeit war nur Show und Propaganda. Frankreich sollte zwar ins Konzert der Großmächte zurückgeholt werden, aber da es auch eingeschränkt werden soll, war es nicht an Beschlüssen beteiligt. Metternich befeuerte dies noch, indem er starke Niederlande mit Belgien favorisierte. Österreich selbst holte sich ein großes Stück an Gebieten im Nordbalkan inklusive Dalmatien sowie Norditalien. Venedig verlor seinen Status als unabhängiger Staat. Einen heftigen Grenzstreit mit militärischem Säbelrasseln gab es auch zwischen Österreich und Bayern, Salzburg und das Innviertel gingen schließlich an Österreich, Bayern behielt Gebiete links der Flüsse Salzach und Saalach. Dänemark musste Norwegen an Schweden abtreten.

Auch die Bildung des Deutschen Bundes mit 35 Staaten und vier freien Städten war eine schwere Geburt mit viel Streiterei. Um die Vorherrschaft stritten Österreich und Preußen, die kleinen Staaten wollten nicht zerrieben werden. Ein einheitliches Deutschland war nicht gewünscht, und Metternich wird bis 1848 einen radikalen Kampf gegen nationalstaatliche und liberale Bestrebungen führen. Schließlich gab es keine Austrittsoption sowie Beistandspflicht im Kriegsfall. Wirtschaftsfreiheit war nicht gegeben, zwischen den Staaten des Bundes wurden Zollgrenzen errichtet.

Wenig Raum wird also Metternich gegeben, aber manche Informationen haben es in sich. So schrieb er 1821 von sich selbst als mörderischen Vertilger von Revolutionären:
Seitdem ich so glücklich war, die Carbonari vertilgen zu lassen, glaubt man, ich brauchte nur zu erscheinen, um Alles umzubringen, was dem Einen oder dem Anderen im Wege ist. Jegliche Regierung ist heutzutage krank und alle aus eigener Schuld; seit meinen deutschen Conferenzen sehen sie mich als den obersten Gesetzgeber Deutschlands an, und seit 1821 als den Vertilger der Revolutionäre. Jeder bittet mich, ihm die seinigen umzubringen ...
Der Revolution von 1848 und seiner Flucht wird in diesem dünnen Büchlein (ca. 150 Seiten) überraschender Weise überhaupt kein Raum gegeben.