Atem

Dies ist der dritte Band der Lebenserinnerungen Thomas Bernhards aus dem Jahr 1978. In diesem reflektiert er über seine schwere nasse Rippenfellentzündung, die ihn 1949 im Landeskrankenhaus Salzburg ins Sterbezimmer mit 26 Betten brachte, wo er beinahe verstarb und wo ihm täglich ein großes Gurkenglas Entzündungsflüssigkeit mittels Punktierung aus dem Raum zwischen Zwerchefell und Lunge abgesaugt wurde. Zur gleichen Zeit wurde auch sein Großvater eingeliefert, der sich eigentlich nicht krank fühlte, dessen Nieren jedoch bereits früher hätten operiert werden müssen und der schließlich an Bernhards Geburtstag am 9. Februar an akutem Nierenversagen verstarb.

In langen Sätzen beschreibt Bernhard die schreckliche Zeit im Krankenhaus und wie täglich mehrere Menschen im Sterbezimmer versterben. Den Tod hört er nur. Bis auf einen oberösterreichischen Geldbriefträger, der sich eigentlich nicht krank fühlt, aber tot am Waschbecken zusammenbricht, sieht er aufgrund seines Gesundheitszustands niemanden mit seinen Augen sterben. Bernhard beklagt, dass die Ärzte jegliche Kommunikation mit den und Aufkärung der Patienten verweigern und der Unterschied zwischen Patienten in der Allgemeinklasse (26 Personen in einem Krankensaal) und Klassepatienten mit Privatversicherung (Zweibettzimmer) unmenschlich sei. Dass zur Zeit der Niederschrift Bernhard der Sozialdemokratie nahegestanden ist, wird unmissverständlich formuliert.

Die Krankheit verhindert eine weitere Ausbildung als Sänger. Sein Großvater hat ihm zu seinem Geburtstag noch Partituren versprochen, doch dies scheitert wegen seines Todes. Familiär kommt er während der Krankenhauszeit seiner Mutter näher, die ihm Literatur bringt, aber auch vorliest und aus ihrer Jugendzeit erzählt. Der von ihm geliebte Großvater war ein sehr strenger Vater, der seine Mutter in ein Ballettmartyrium gequält hat, aus dem sie eine Krankheit gerettet habe. Doch lange hält diese enge Beziehung nicht an, noch in diesem Jahr stirbt seine Mutter an Gebärmutterkrebs.

Nach der Genesung von der Rippenfellentzündung, von der er sich nur langsam erholt (es dauert eine Ewigkeit, bis er nach der langen Bettlägrigkeit mit den täglichen Punktierungen wieder eigenständig gehen kann), wird er in eine Rehabilitationsanstalt nach Großgmain, einem Dorf zwischen der Stadt Salzburg und der bayrischen Grenze, eingewiesen. Dort freundet er sich mit seinem Zimmerkollegen, einem Architekturstudeten an, und er lernt seine Liebe für die Weltliteratur kennen (Shakespeare, Stifter, Lenau, Cervantes, Montaigne, Pascal, Peguy und Schopenhauer).

Was er langsam herausfindet: Dieses Haus ist mit sehr vielen Patienten mit offener Lungentuberkolose belegt, was ihn in große Angst versetzt, und Bernhard steckt sich während seines Aufenthalt, der eigentlich der Rehabilitation dienen sollte, an. Diese Krankheit wird ihn sein ganzes Leben lang belasten.

Die Reflexion über die Einweisung in diese Anstalt ist bitter:
So war ich fast ununterbrochen mit dem Gedanken beschäftigt, ob die Arzte, die mich nach Großgmain geschickt hatten, tatsächlich so kopflos und in der Sache, um die es ging, ebenso niederträchtig und verantwortungslos gewesen waren, wie ich sehr oft hatte glauben müssen, oder nicht. Sie waren so kopflos und ebenso niederträchtig und verantwortungslos gewesen, wie sich später gezeigt hat. Sie hatten den jungen, um seine Gesundheit kämpfenden Menschen tatsächlich in ihrer Kopflosigkeit und Niederträchtigkeit und Verantwortungslosigkeit, indem sie ihn nach Großgmain geschickt hatten, nicht in die Heilung, sondern beinahe in den Tod geschickt
Nach Großgmain wird er wegen der dort erhaltenen Tuberkolose in die Lungenheilanstalt Grafenhof überwiesen. Damit endet der Text.

Das Rehabilitationszentrum in Großgmain ist übrigens wie ursprünglich wieder ein Hotel. Link zum Hotel Vötterl