Scheuring-echt

Christoph Scheuring war Journalist unter anderem beim SPIEGEL und der ZEIT, bevor er sich der Schriftstellerei zuwendete. In diesem 2009 veröffentlichten Roman versucht er, die Jugend- und Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof in den Mittelpunkt zu rücken. Wie authentisch ihm das gelingt (der Vergleich zu Christiane F. drängt sich auf), kann ich schwer beurteilen.

Im Mittelpunkt steht Albert, der Ich-Erzähler, ein gut behüteter 16-jähriger Gymnasiast, der bei seinem Vater (Mathematiker, zuhause für ein statistisches Amt arbeitend) lebt und als Hobby Fotos von Abschieden am Bahnhof macht, was ihm neben Problemen mit der Polizei auch den Kontakt zu einer Kati bringt, einem sportlichen punkigen Mädchen mit Hooliganhänden, das in einem Boot auf einem Gebrauchtwagengelände lebt und großes Interesse für seine Fotos und besonders für eines zeigt. Langsam löst sich das Rätsel auf: Das Foto zeigt ihre 14-jährige Schwester, die sich von einem erwachsenen Mann verabschiedet. Zwei Tage später stürzt sie von einer Brücke auf Bahngeleise und ist tot. Kati glaubt nicht an Selbstmord und will diesen Mann finden.

Unterstützung bei der Suche erhalten beide von ihrer Clique, hauptsächlich drogensüchtigen Jugendlichen, und vor allem von einem Sam, der athletisch ist, aber Heroin raucht (er hofft, damit das Spritzen vermeiden zu können). Schließlich finden sie heraus, wer dieser Mann ist. Er ist ein ziemlich windiger Rechtsanwalt, der sein Geld mit Urheberrechtsabmahnungen, aber vor allem mit zwielichtigen Bettlergeschäften macht. Er lässt ausländische Bettler in einer Halle wohnen, kassiert dafür Miete vom Staat, nimmt den Leuten die Pässe ab und gibt vor, ihre Rechte zu schützen, und von den Betteleinnahmen kassiert er 50 Prozent. Kati versucht mit Albert herauszufinden, ob er auch in Kinderprostitution verwickelt ist und seine Schwester eines seiner Opfer war.

Doch dazu kommt es nicht, da Sam den Rechtsanwalt vor einen ICE stößt. Begründung: Sam sieht sein Leben zerstört, da er nicht von der Droge wegkkommt, aber er will nicht, dass Kati wegen eines Mordes ihr eigenes wegwirft (sie droht an, den Rechtsanwalt zu ermorden, wenn er am Tod ihrer Schwester schuld ist).

Das Ende bleibt offen, auch ob Albert und Kati weiter ein Paar bleiben.

Streckenweise spannend geschrieben, manchmal auch zäh, vor allem dann, wenn so manches übertrieben und nicht authentisch erscheint. Auch die Hamburger Kunstszene, die Albert eine Ausstellung ermöglicht, wirkt sehr aufgesetzt.

Positiv: Die erotischen Szenen sind nicht durch Detailbeschreibungen von Körperteilen und Körpervorgängen veranschaulicht. Scheuring kann drei Punkte ...