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Holly-Jane Rahlens - Prinz William, Maximilian Minsky und ich
09.10.2025 um 17:06
Manchmal frage ich mich, warum ein Buch einen Literaturpreis gewinnt, im Falle von Holly-Jane Rahlens mit diesem Buch 2003 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Die Geschichte ist hausbacken und Rahlens reflektiert vermutlich, warum sie selbst als Jüdin 1972 von New York nach Deutschland gezogen ist.
Die Ich-Erzählerin Nelly ist 13, lebt mit einer jüdischen US-amerikanischen Mutter und einem deutschen Vater in Berlin und soll die Initiationsfeier Bat Mizwa ablegen, was sie nicht so richtig will, da sie selbst nicht religiös ist. Sie interessiert sich für Kosmologie und Physik (liest Stephen Hawking), da hat Gott keinen Platz. Aufgrund ihrer Interessen ist sie für die Mitschüler:innen ein Nerd, wird aber eigentlich nicht gemobbt. Ok, klingt nach einem brauchbaren Einstieg, nur dann wird's nur mehr skurril.
Nelly verliebt sich in den etwa 15-jährigen Prinz William (den echten, damit hat das Buch einen sehr kurzen Halbzeitwert), dessen Mutter vor kurzem verstorben ist, was ihre Hormone total durcheinanderwirft. Sie möchte ihn treffen, und als sie erfährt, dass die Basketballmannschaft ihrer Schule nach Eton zu einem Spiel fahren wird, will Nelly, die unsportlich ist, unbedingt ins Team. Als Vorbereitung für das Sichtungsmatch braucht sie einen Coach.
Als Trainer findet sie zufälligerweise Maximilian Minsky (15 Jahre), den Sohn einer soeben nach Berlin gezogenen Jüdin aus New York, die ein Restaurant aufmachen will. Nellys Mutter verabscheut sie, ihr Vater (ein Weiberer) "nagelt" sie (dieses Verb steht wirklich im Text). Max ist Goth (schminkt sich weiß, färbt das Haar schwarz) ist zufälligerweise ein Baketballer und trainiert sie (zunächst verlangt er Sex - ja, steht so im Buch). Er coacht Nelly gut eine Woche, Nelly wird immer besser und beim Sichtungsmatch verpasst die Unsportliche nur knapp die Aufnahme ins Team (doch kein US-Klischee-Happy-End).
Prinz William wird langsam wieder unwichtiger, dafür der etwas raubeinige Max ihr Schwarm. Nelly wird - vor allem aufgrund ihrer Großmutter, die noch dazu stirbt - doch an Bat Mizwa teilnehmen, und bei der Familienfeier zu diesem Anlass trägt Max einen Kaschmiranzug wie ihn William auf einem Foto trägt. Ihre Großmutter hat ihn geschneidert. Auch schaut Max langsam nicht mehr wie ein Goth aus, nachdem er sich zur Verteidigung von Nelly von Obdachlosen hat verprügeln lassen (auch skurril, dass Erwachsene auf offener Straße und am hellichten Tag ein 13-jähriges Mädchen attackieren). Und wie es so ist: Es funkt zwischen den beiden. Und damit ist das Büchlein aus.
Für nicht gelungen halte ich, dass die als hochintelligent konzipierte Nelly sich des öfteren wie ein Trotzkopf verhält, vor allem ihre Mutter ist ihr Reibebaum. So ist sie stocksauer, dass sie für ein teures Teleskop selbst auch als Babysitter arbeiten soll, um ein einen Teil mitzufinanzieren. Sie will es sofort und kapiert nicht, dass die in Trennung lebende Mutter, die soeben ihren Journalistenjob verloren hat, das Geld nicht aus dem Ärmel schütteln kann. Aber es löst sich in Wohlgefallen auf: Eine Freundin gründet an der Schule eine Astronomie-AG und das Teleskop wird aus den Mitteln dieser AG angeschafft (Elternverein wohl).
Auch die Sprache passt nicht nur einmal nicht zu einer hochintelligenten 13-Jährigen. So wird ihre Mutter folgendermaßen beschrieben, als Nelly sie nackt sieht und festestellt, dass sie altert:
Es hatte mich so traurig gemacht, sie ohne BH zu sehen, wie ihre Brüste so herabbaumelten. Früher sind sie nicht so gehangen. Aber wenn sie sich jetzt bückte, um ihre Sandalen anzuziehen, ähnelte ihr Busen einem Paar schlaffer Socken, die ihr gegen den Bauch pendelten – klatsch, klatsch. Ihr Bauch war immer ganz flach gewesen, ja? Jetzt aber glich er einem Basketball, dem ein bisschen die Luft ausgegangen war. Einmal hob sie in der Umkleide den Blick und sah, wie ich ihre Beine anstarrte. An den Oberschenkeln wabbelt es ein bisschen, und um die Kniekehlen zieht sich ein Gewirr feiner blauer Äderchen, wie ein Spinnennetz. Es erinnerte mich an den Streckenplan vom New Yorker Eisenbahnnetz, auf dem all die unterschiedlichen Bahnstrecken in der Grand Central Station zusammenlaufen.Vielleicht soll das lustig sein, aber dass so ein Stilbruch durchs Lektorat geht, wundert mich dann doch sehr.