Mohl-Indianerland

Das ist kein Kinderbuch, das der Hamburger Schriftsteller Nils Mohl 2011 vorlegt, sondern ein angebliches Jugendbuch mit Passagen, die definitiv 18+ sind. Hauptfigur ist ein 17-jähriger Boxer aus einem eher heruntergekommenen Hochhausviertel mit Drogentoten (im Vorspann wird der Hamburger Stadtteil Jenfeld als Bezugspunkt erwähnt), dessen Vater seine zweite Frau erwürgt hat. Der Ich-Erzähler wohnt im selben Hochhaus, jedoch in einer eigenen Wohnung.

Die Story und auch den Charakter des Ich-Erzählers entwickelt Mohl nicht chronologisch, sondern er springt in den 13 Tagen hin und her, womit sich langsam der Plot erschließt. Grundsätzlich keine uninteressante Erzählweise, denn so entwickelt sich beispielsweise der Eindruck, dass der Freund Mauser sein alter ego ist, also nur in seinem Kopf existiert, bevor dies bestätigt wird. Denn zunächst scheint es, dass Mausers Vater der Mörder ist, und langsam dämmert es, dass der Ich-Erzähler mit dieser Tat und dem auf der Flucht befindlichen Vater umgehen muss.

Der Kern ist eine Dreiecksbeziehung. Bei einem illegalen Nacht-Rave in einem Freibad lernt Mauser (ich nenne ihn jetzt unter diesem Namen) eine Gleichaltrige namens Jackie aus dem Villenviertel kennen. Sie sieht perfekt aus, ist ebenso durchtrainiert wie Mauser und sie will ihn haben. Mauser verliebt sich unsterblich in sie. Da sie auf ein Festival fährt, will Mauser auch dorthin, auch wenn er Menschenansammlungen nicht ausstehen kann.

Den Weg zum Festival schafft Mauser schließlich mit einer neuen Bekanntschaft, der 21-jährigen Edda, eine neue Verkäuferin in seinem Videoladen. Sie ist völlig scharf auf Mauser, doch Mauser springt nur langsam an: Er ist in die perfekte Jackie verliebt und nicht in die bebrillte Edda. Dennoch fahren sie mit ihrem Wagen zu diesem skurrilen Ereignis mit 250.000 offiziellen Zusehern und einem illegalen Fest, dem Powwow, mit 100.000 Teilnehmern, die in einem angrenzenden Wald campen.

Das Festival wird von zwei massiven Gewitterstürmen heimgesucht, Mauser wird von einer Bande gefoltert, mit Jackie landet er im Zelt, jedoch dämmert ihm, dass er für sie nur ein Spielzeug ist, vielleicht eines jener Insekten, die im Buch immer wieder dem Tod entgegen gehen/fliegen bzw. tot sind. Einer Beziehung zwischen Ghettokind und Villenkind, Arm und Reich wird keine Chance gegeben. Zu überzeichnet sind beide Charaktere.

So wird der Schluss des Romans doch immer vorhersehbarer. Auch wenn Mauser und Edda sich immer voneinander entfernen, nähern sie sich immer mehr an. Und als sie gemeinsam ein Wildschwein, das Edda totgefahren hat, an einem See in einen Kahn legen und im See "bestatten", ist klar: das vereint. Und das tun sie auch, die 21-Jährige und der 17-Jährige haben Sex. Und wie Mohl die ersten beiden sexuellen Vereinigungen schildert, das ist Porno. Dafür kenne ich kein anderes Wort.

Als Buchhändler wüsste ich nun nicht mehr, in welches Eck ich dieses Buch stellen soll: Abteilung für Jugendliteratur oder Abteilung "Nur für Erwachsene". Über lange Strecken wäre es ein ziemlich gelungenes Coming of Age-Buch, auch durch die Komposition hebt sich das Buch durchaus als anspruchsvolle Literatur von anderen Büchern dieses Genres ab. Warum zum Teufel dann die körperliche Deutlichkeit des Geschlechtsverkehrs? Kann Mohl die Kunstfertigkeit der drei Punkte nicht? Oder ist dies vom Marketing eingefordert?

2017 ist der Roman von Ilker Catak als typischer Rave-Flick verfilmt worden (viel Pastellfarben, viel synthetische Drogen). Bis zur Seebestattung des Wildschweins hat er eine Altersfreigabe ab 12, in der Amazon Prime-Version ist das erweiterte Ende mit einer Altersfreigabe von 16 harmlos (es wird rausgezoomt, Dreipunktetechnik, und dann Mauser beim Boxen gezeigt - also kein Porno wie im Buch).

Hier der Trailer:

Youtube: ES WAR EINMAL INDIANERLAND Exklusiv Trailer German Deutsch (2017)
ES WAR EINMAL INDIANERLAND Exklusiv Trailer German Deutsch (2017)
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