Handke-Don Juan

2004 erschien dieses Büchlein Peter Handkes. Nach seinen Ausschweifungen zum Jugoslawienkrieg wieder ein scheinbar unpolitisches mit typischer Komplexität.

Ich-Erzähler ist ein erfolgloser Gastwirt, leidenschaftlicher Koch und Leser, beim ehemaligen Kloster Port Royal des Champs in der Nähe von Versailles, deren Nonnen im 17. Jahrhundert Anhängerinnen der jansenistischen Glaubenslehre waren, die von der römischen Kirche als ketzerisch eingestuft wurde. 1706 wurde das Kloster zerstört, heute ist es eine einsame Gegend.

Don Juan kommt über eine Mauer in den Garten des Anwesens gestürzt, als er vor einem Motorradpärchen flieht, das er bei einem Stelldichein in freier Natur voyeuristisch beobachtet hat. Sein Verhalten ist eigentümlich, so geht er oft rückwärts, und er hat viele Spezialitäten (Kräuter, Pilze) bei sich, die er während der Flucht gesammelt hat. Er hinterlässt einen gemischten Eindruck zwischen Gelassenheit und Gehetztsein.

Eine Woche lang erzählt er dem Gastwirt von seiner letzten Woche. Jeden Tag war er in einem anderen Land und hatte jeden Tag eine andere Geliebte. Die Orte waren unter anderem Georgien, Damaskus, Ceuta, Norwegen, die Niederlande - immer wird mit dem Flugzeug gereist. Aber immer - auch bei einer Hochzeit, bei der er mit einer Frau einig wird - sind auch die Geliebten und Ehemänner gut Freund mit Don Juan.

Die Erzählperspektive ist mehrfach gebrochen, denn es wird nicht in Ich-Form, sondern in Er-Form erzählt, wobei nicht klar ist, ob es die Stimme des Gastwirts oder des Erzählers ist. Don Juan wird nicht als Verführer präsentiert, sondern als einer, dem die Beziehungen mehr oder weniger zufliegen. Es wird von der Einsamkeit der Frauen geschrieben, die eine Grundvoraussetzung ist, um Don Juan zu suchen.
Don Juan war kein Verführer. Er hatte noch nie eine Frau verführt. Zwar waren ihm welche begegnet, die ihm das dann nachgesagt hatten. Aber diese Frauen hatten entweder gelogen, oder sie wußten nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand, und hatten damit eigentlich etwas ganz anderes sagen wollen. Und umgekehrt war Don Juan auch noch keinmal von einer Frau verführt worden. Es war vielleicht vorgekommen, daß er solch einer Möchtegern-Verführerin ihren Willen, oder was es eben war, ließ, doch im Handumdrehen wurde ihr dann klargemacht, daß es jetzt um keine Verführung mehr ging und daß er, der Mann, weder den Verführten verkörperte noch auch das Gegenteil. Er hatte eine Macht. Nur war seine Macht eine andere.
Und es wäre kein Buch von Handke, wenn er nicht jegliche Begebenheit in ihrem kleinsten Detail darlegen würde. Es ist dieser Stil, der Handkes spätere Texte sowohl etwas sperrig als auch faszinierend macht.