Haslinger-Vaterspiel

2000 veröffentlicht, spielt dieser überlange Roman im Jahr 1999. Rupert Kramer, Sohn eines ehemaligen sozialdemokratischen österreichischen Verkehrsministers, der nach einer steilen Karriere mit Bau einer hypermodernen Villa am Rande des Wienerwalds seine Frau für eine Jüngere verlässt, aber in Skandale verstrickt wird und finanziell ins bodenlose Loch stürzt.

Rupert ist 35, hat kein Studium abgeschlossen, lebt von Zuwendungen seines Vaters, ist handwerklich geschickt und ein Computernarr. Um sich von der Überfigur seines Vaters zu befreien, entwickelt er ein Computerspiel, in dem Väter gefoltert und ermordet werden können. In New York gelingt ihm die Vermarktung als Online-Spiel, was ihm ein Jahr lang ein nettes Einkommen bescheren wird. Zurück aus New York erfährt er vom Selbstmord seines hochverschuldeten Vaters.

Die Geschichte ist ausgedehnt erzählt. Es geht um Ruperts Hässlichkeit, dass er nie mit einer Frau geschlafen hat, um die Klüfte zwischen der Familie der Mutter (konservative Niederösterreicher) und seines Vaters (gestandene Sozialdemokraten, der Großvater einige Monate im KZ), um seine Schwester, die einen Künstler heiratet und in Singapur zu einem "Chinesen" zieht, mit dem sie eine Tochter hat, um eine Sozialdemokratie, in welcher der Führungskader auch in der Privatindustrie Geld scheffelt.

Eigentlich seit Langem ein Roman, der zum Weglegen ist, da die Story nicht ansprechend ist, wenn da nicht eingeflochtene Zeugenaussagen eines Jonas Shtrom in Ludwigsburg und vor dem US-Justizministerium (1967) wären. Shtrom hat als Jugendlicher das Ghetto/KZ im litauischen Kaunas überlebt, seine Eltern sind ermordet worden. In den USA ist er sicher, den Mörder seines Vaters, den ehemaligen Schulkollegen Algis Munkaitis, entdeckt zu haben, der Teil einer litauischen Hilfstruppe der deutschen Besatzer war. Dieser hat den Namen Lucas Kralikauskas angenommen und führt in Chicago einen Großhandel für Fischereibedarf.

Diese beklemmend geschriebenen fiktiven Protokolle bilden die Klammer zu Rupert. 1999 ruft ihn die nun als Kulturkorrespondentin in den USA lebende ehemalige Studienkollegin Mimi Kralikauskas, der er einmal die Wohnung ausgemalt hat und welche die einzige Frau ist, mit der er sexuell (auch vor 25 Jahren waren pornographische Beschreibungen offenbar schon in - es war ein Handjob) jemals was hatte, an, damit er auf Long Island eine schalldichte Wohnung in einem Keller errichte.

In diesem Keller haust seit 1967 (der Aussage Shtroms vor dem Justizministerium) der an Arthrose leidende Lucas Kralikauskas, seine Frau (eigentlich seine Schwester, mit der er unter seinem falschen Namen eine Scheinehe eingegangen ist, um in die USA migrieren zu können) ist in einem Pflegeheim. Mimi pflegt ihn und erzählt Rupert, dass ihr (unechter) Großvater Opfer einer Verwechslung sei. Doch Rupert findet die Protokolle der Aussagen Shtroms (es bleibt unklar, wie diese in die Hand der Kralikauskas gekommen sind).

Was nun folgt, passt zu dem eigentümlichen Text. Rupert und Algis Munkaitis setzen sich im Keller bei Bier und litauischem Bauernkäse zusammen, Algis erzählt, wie er litauischer Nationalist wurde und es nach dem Krieg geschafft hat, über Deutschland in die USA zu kommen. Seine Geschichte, warum er sich den Hilfstruppen angeschlossen hat, ist in diesem Zusammenhang unschlüssig. Und warum er Shtroms Vater erschlagen sowie stundenlang in Fort IX mit einem Maschinengewehr jüdische Menschen erschossen hat, ist mit diesem Erklärungsansatz nicht nachvollziehbar. Es bleibt die Frage offen, warum er als nationalistischer Widerstandskämpfer nicht gegen beide Seiten (Sowjets und Deutsche) gekämpft hat. Nach der Erzählung geht Rupert, der die schalldichte Wohnung fertig gebaut hat, besäuft sich in einem Hotel und fliegt nach Hause, wo er vom Freitod seines Vaters erfährt. Eine dekonstruierende Reflexion der Aussagen von Munkaitis findet nicht statt.

Fazit: Viel zu viel Einzelgeschichten und das Treffen mit Algis Munkaitis ist sehr fragwürdig. Die Kritik war sich nicht einig. Zwischen einem österreichischen Houellebecq und einem Exploit des Holocaust, um eine langweilige Geschichte aufzupeppen, war alles drinnen, wie im Perlentaucher noch nachzulesen ist.