Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Zensur (oder) richtig?

Am gestrigen Sonntag trat in Deutschland das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft.
Der Bewunderer dieses wunderschönen, amtsdeutschen Begriffs weiß:

das betreffende Gesetz regelt, wie unter anderem Betreiber sozialer Netzwerke im Internet mit strafbaren Inhalten umzugehen haben.

Ein fester Ansprechpartner des jeweiligen Netzwerks für Nutzerbeschwerden und Ermittlungsbehörden in Deutschland muss ernannt und bekannt werden. Innerhalb von 48 Stunden nach Meldung strafbarer Inhalte (bzw. Registrierung der Meldung) muss der Inhalt aus dem Netzwerk entfernt sein.
Geschieht dies nicht, werden Bußgelder fällig.

Während die einen dramatisch schreien:,,Zensur, Angriff auf die freie Meinungsäußerung, Wahrheitsministerium", befürworten andere das neue Gesetz - nun kann der gemeine Wutbürger, Neonazi, linksradikale Stalinist oder wer auch immer nicht mehr so leicht ungestraft zu Mord und Totschlag aufrufen oder Rufmord betreiben, drohen und verleumden.

Was sagt ihr dazu? Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz - eine gute Sache oder falsche Zensur?

Was ein strafbarer Inhalt ist dürfte sich nicht geändert haben, nur dass der Betreiber einer Seite dafür ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Zensur war also schon vor dem Gesetz vorhanden.
Weil manche nicht zu verstehen scheinen, dass man zwar alles sagen kann, aber nicht unbedingt sollte, und es deswegen nicht darf, ist die neue Regelung wohl nicht ganz verkehrt.

Das Gesetz ist Bullshitt! Weil es technisch nicht umgesetzt werden kann und freie Meinungsäußerungen gewährleistet. Hab ich aber schon mal genauer erklärt. Selbst die OSZE ist dieser Meinung.
https://netzpolitik.org/2017/allzu-restriktiv-osze-warnt-vor-netzwerkdurchsetzungsgesetz/
Also ein typisches Zensurgesetz.

Kc schrieb:Während die einen dramatisch schreien:,,Zensur, Angriff auf die freie Meinungsäußerung, Wahrheitsministerium", befürworten andere das neue Gesetz

Befürworten? Nur wenn man keine Ahnung hat, oder eben keine freie Meinungsäußerung will.

[x] is mir egal.

@Foss

Wo hast du denn deine Ansicht beschrieben?

Wenn ich jetzt mal versuche, Parallelen zu ziehen zwischen der Realität und dem digitalen Raum:

Ich kann in der Realität sagen:,,Ich bin gegen die Bundeskanzlerin. Sie muss unbedingt abgesetzt werden!"
Ich kann auch in der Realität sagen:,,Ich mag Linke nicht. Und Ausländer auch nicht. Weg mit denen."

Das sind erlaubte Meinungsäußerungen, völlig im gesetzlichen Rahmen. Ich verleihe meiner Meinung in einer akzeptierten Form Ausdruck.

Die gleichen Sätze kann ich auch im digitalen Raum völlig ungestraft sagen.

Wenn ich mich jetzt aber im realen Raum hinstelle und ernsthaft sage:,,Merkel die dumme Sau muss man totmachen! Auf's Schafott mit ihr" oder wenn ich sage:,,Alle Kanacken abschießen, die linken Zecken gleich dazu!", dann muss ich damit rechnen, dass man mich wegen Volksverhetzung, Beleidigung oder anderen Beständen anzeigt.
Ich habe den akzeptablen und gesetzlich festgelegten Rahmen der freien Meinungsäußerung durch die Form meiner Meinungsäußerung überschritten.

Warum sollten wir es nicht genauso im digitalen Raum handhaben?
Also dort nach den gleichen Maßstäben verfahren werden, wie im realen Raum?

Es gibt zwar ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber nicht ein Recht auf Hassreden, Morddrohungen, Gewaltfantasien...

Wir könnten im digitalen Raum genauso ,,willkürlich" abstecken, was noch legitim ist und was nicht.

@Foss

Zusatz:

und mal ehrlich, die wenigsten Leute haben ein abgeschlossenes Jurastudium und Befähigung zum Richteramt in Deutschland.
Trotzdem funktioniert unser Zusammenleben im Großen und Ganzen ohne dass wir uns dauernd über Gebühr Bedrohen, Beschimpfen, gegeneinander hetzen...
An dieser Tatsache ändern auch keine einzelnen Beispiele oder vage Sprüche, wie:,,Guck dir mal den Straßenverkehr an, was da für Knaller rausgehauen werden...".

Wir wissen aufgrund unserer Erziehung und Erfahrung normalerweise, wie wir uns ,,anständig" zu verhalten haben. Ohne einen Richter fragen zu müssen oder das Strafgesetzbuch zu Rate zu ziehen.

Es braucht demnach im Durchschnitt auch keinen Richter, um in einer ersten Instanz hasserfüllten Dreck von einer Plattform zu tilgen.
Wenn da eindeutig steht:,,Vernichtet die XY, Sieg H..." oder wenn sich Leute in Drohungen und Fantasien zu Mord und Totschlag gegenüber Politikern und Aktivisten für Integration ergehen, dann ist die Sache klar. Dann muss man nicht lange drüber diskutieren und groß Gerichtsverfahren anstrengen, um festzustellen, dass die Grenze des Erlaubten überschritten ist.

Facebook und Co. tun sich lediglich schwer mit einem Eingreifen, weil amerikanische Konzerne zum einen eine grundlegend andere Einstellung zum Thema Meinungsfreiheit haben, als in Deutschland üblich und weil für sie monetäre Interessen im Vordergrund stehen.
Heißt: je mehr Leute auf der Plattformm sind, desto besser, mehr potenzielle Kunden für Werbepartner und andere Käufer von Daten.
Also will man möglichst wenig Leute rausschmeißen oder vergraulen.
Und man will möglichst wenig Leute beschäftigen und bezahlen, die sich um die Bewertung von Beiträgen in erster Instanz kümmern.

@Kc

O.O

*applaus*

War aber auch vorher schon der Meinung, dass Betreiber von sozialen Netzwerken und Plattformen für Löschungen zu sorgen haben sobald (48h klingt machbar) diese angezeigt werden.

@Kc
Ich sag ja:

Foss schrieb:Befürworten? Nur wenn man keine Ahnung hat, oder eben keine freie Meinungsäußerung will.

..

Kc schrieb:Wo hast du denn deine Ansicht beschrieben?

Überwachung und Einschränkung der Bürgerrechte (Seite 195) (Beitrag von Foss)

Und deine Beispiele sind vollkommen irrelevant. Es geht um die technische Umsetzung. 4,75Mrd. Einträge pro Tag! Da ist es unmöglich, dass Mitarbeiter alles kontrollieren können. Ergo, wird man Einträge ohne Prüfung erst mal automatisch ausblenden. Sprich Zensur, sprich keine freie Meinungsäußerung!

btw: Hast du den Artikel nicht gelesen?

Mit Jimmy Schulz hat ein Bundestagsabgeordneter der FDP angekündigt, dass die Tage des Gesetzes gezählt seien. Das suggeriert, dass sich die Partei in Koalitionsverhandlungen für eine Rücknahme des NetzDG einsetze.

Hier mal meine freie Meinung: Maas ist einer der inkompetentesten Typen in diesem Theater und es gibt da ne Menge inkompetenter Typen.

@Foss

Ich hab jetzt deinen Beitrag gelesen, aber du machst meiner Ansicht nach einen Denkfehler:

Woher du diese 4,75 Milliarden Beiträge täglich hast, weiß ich jetzt nicht. Aber es gibt keinen Grund, sämtliche Beiträge zu prüfen.
Das meiste sind sicherlich völlig belanglose Beiträge oder solche, die klar im Rahmen des Erlaubten sind.
So wie ich das verstehe, müssen FB und Co. erst dann aktiv werden, wenn sie Kenntnis über strafbare Inhalte haben.

Heißt: solange Facebook nicht weiß, dass Hugo Egon zum Völkermord aufruft oder zum Anzünden von Asylantenheimen, macht sich Facebook nicht strafbar.
Erst dann, wenn klar ist, dass FB Kenntnis von diesem Beitrag hat, muss es den Beitrag prüfen und innerhalb von 48 Stunden handeln.
Erst jetzt macht sich FB strafbar, wenn es nichts tut.

Es ist ein Kinderspiel, automatisch zu registrieren, wann eine Meldung zu einem Verstoß eingegangen ist. Das geschieht hier auch im Forum.

Wenn jetzt um 18:25 Uhr die Meldung von Hugo Egons Beitrag kommt, haben die Mitarbeiter von FB 48 Stunden Zeit, um zu bewerten, ob das strafbar ist oder nicht und tätig zu werden.
Sie müssen nicht Milliarden Beiträge durchforsten und bewerten.

Wenn Facebook bezüglich der Anzahl gemeldeter Beiträge mal ein wenig transparenter wäre, dann könnte man so einiges daraus ableiten, und ungefähr errechnen wie viel Bearbeitungszeit in Relation zu den gemeldeten Beiträgen besteht. Wir wissen ja, das nun 500 neue Mitarbeiter sich darum kümmern sollen. Das würde die Diskussion um das Thema "Overblocking" um ein vielfaches weiterbringen. Sollen die mal erklären, warum die so verschlossen sind, aber im selben Atemzug vom User das Gegenteil verlangen.. das nervt doch total. Was man bisher nur weiß ist, dass FB monatlich ca. 100.000 von den gemeldeten Beiträgen löscht. Diese Zahl nützt aber auch nicht viel.

Ich denke, dass z.B. geschlossene WhatsApp - Gruppen eine grössere Gefahr für die Individualrechte einzelner Personen darstellen. Wenn sich die Kraft einer "von sich überzeugten" Gruppe erstmal entfesselt hat, steht Gangstalking etc. m. E. nichts mehr im Wege.

Da gibt es m.E. genug Schwachmaten, die sich in der "Anonymität" aus Gruppendynamik, Zugehörigkeitsgefühl oder der Bewältigung von Minderwertigkeitskomplexen (jetzt kann ich auch mal...) an so nem Dreck beteiligen.

DAS halte ich für gefährlich. Hier sehe ich mögliche anarchistische Ausfälle.

Das NetzDG in seiner jetzigen Form hilft m.E. nur der allgemeinen Meinungssteuerung.

Und dies halte ich für undemokratisch.


Able_Archer.

Ganz schmaler Grat, kann sehr schnell missbraucht werden :(

Kleingeistige Zensur

der arme Hugo

@clownsnase

Wie meinst du?

@clownsnase

Ist ok, muss selbst oben lesen!!

Als ich von dem Gesetz zum ersten Mal gehört habe, dachte ich, das soll ein Witz sein.
So offensichtlich in die Meinungsfreiheit einzugreifen, das find ich echt unglaublich. Mir ist schon klar, dass man vorher auch schon oft genug von der Politik und den Medien verarscht worden ist. Aber jetzt ist echt soweit, dass man das nicht mal mehr aussprechen darf, ohne dass es gelöscht wird.
Und dabei darf man Facebook und Co. ja nicht mal einen Vorwurf machen, bei den hohen Strafen ist es ja kein Wunder, dass dann sicherheitshalber lieber ein Post mehr, als ein Post weniger gelöscht wird.

Ich verstehe nicht, wie man für so ein Gesetz sein kann. Oder einem das einfach egal sein kann.

Danke Herr Maas und danke mein gutes demokratisches Deutschland.

Able_Archer schrieb am 12.12.2017:Das NetzDG in seiner jetzigen Form hilft m.E. nur der allgemeinen Meinungssteuerung.

Das sehe ich genauso. Das ist ja auch sowas von offensichtlich, dass es einem die Sprache verschlägt.

Selbst wenn es nicht so wäre... Wenn es eine Gesellschaft bzw. die Politik nicht schafft, mit einigen extrem rechtsradikalen oder linksradikalen Meinungen umzugehen, und die Konsequenz daraus ist, die Meinungsfreiheit einzuschränken, ist es echt weit gekommen.

Aber meiner Ansicht nach ist es wie gesagt auch eindeutig zur allgemeinen Meinungssteuerung.

Wenn ich VPN nutze und bspw. angebe, aus Schweden im Internet zu spielen, kann ich trotzdem alles lesen. Ist ja nur in DE zensiert

@KFB
Psst, nicht dass das der Maas noch mitbekommt ;)