Holocaust, oder die Frage wird doch erlaubt sein....

@Doors

Doors schrieb:Ich kenne aus meiner Familie beide Seiten:
Die ängstlich angepassten, die eine gut dotierte Beamtenstellung zu verlieren hatten - und die, die im Rahmen ihrer Möglichkeit Widerstand leisteten, weil sie als Proleten und überzeugte Kommunisten eben nichts zu verlieren hatten - ausser Leben und Freiheit.

Zwischen Deinen erlebten Ausführungen gibt es auch diese Seite noch, die mir bekannt ist:

Diejenigen, die auf dem Lande z.b. ihr Leben mit harter Arbeit fristen mussten, und quasi rund um die Uhr mit Haus und Hof beschäftigt waren.
Die gar keine Zeit hatten, Radio zu hören, selbst wenn sie eines besessen hätten und die nächste grössere Stadt meilenweit entfernt lag

Ich habe mit einigen Menschen gesprochen, als ich noch in Deutschland lebte, die den Krieg miterlebt hatten. Einige waren aus ihrer Heimat Schlesien vertrieben worden oder mussten vielmehr fliehen vor den Russen.
Einige stammen aus meiner Familie. Und ich glaube ihren Schilderungen, dass sie nicht gewusst hatten, was in den Lagern definitiv ablief , sie hatten nur davon gehört, dass diese Menschen dort für eine Aussiedlung in diese Lager kamen.

Als sie dann gegen Kriegsende davon hörten, waren sie total geschockt gewesen.
Viele haben geweint, als sie mir davon erzählten.


Deshalb schrieb ich ja, die Einzelschicksale sind zu beachten, und man sollte sich hüten vor einer pauschalen Schuldzuweisung der ganzen Kriegsgeneration


Der Spiegel Artikel einer Kriegsreportage, der hier mal angesprochen wurde, spricht doch Bände diesbezüglich:

" Das Volk greift an" hiess es da -- solche Pauschalisierungen find ich einfach ätzend
aber wundert ja nicht bei der allgemeinen Art und Weise, wie Journalismus betrieben wird, nämlich manipulativ.

Doors schrieb:Profitiert haben viele vom Faschismus:

Das ist mal ganz sicher -- und wurde hier ja auch schon oft erwähnt

"schöne" Szene aus Schindlers Liste... Oscar Schindler kommt aus einem Haus und steht im Ascheregen, streift eine Handvoll Asche vom Kotflügel und guckt betroffen.
Beispiel aus Osnabrück, wo heute das Schwimmbad Moskau steht. Es trägt den Namen, weil dort ein Arbeitslager russischer Kriegsgefangener war, von denen so gut wie keiner überlebte.
Beispiel aus dem Norden, weiß nicht mehr genau, wo das war. Ein U-Boot-Bunker inkl. Produktionsstätte für U-Boote. Am Tor eine Hundehütte, in der wärend des Krieges Gefangene angekettet wurden, die die Aufgabe des Wachhundes hatten.
Hitlers - Mein Kampf, in dem vorab alles bereits angekündigt war.
Die Reichskristallnacht, die jedem zeigen mußte, was vor geht.
Es gab Kinderlieder über die doofen Juden, die nun endlich tot sind.
Es gibt hunderte solcher Beispiele und in jeder Stadt sind diese Dinge passiert...
Irgendwie unglaublich, dass da keiner was wußte oder zumindest vermutete!

hier im Thread hat, soviel ich weiss und gelesen hab, bis jetzt noch keiner behauptet, dass es NIEMAND gewusst hätte --------

@nameless39
hast du gut festgestellt

liegt es aber doch nicht in der natur des menschen unangenehmes nicht wahrzunehmen - sich vorbeischleichen, weghören, wegsehen - verdängen . .
das haben die leute damals gemacht und das machen sie heute auch

wenn ich nicht hinsehe gibt es das nicht . ..

Eine satte Bevölkerungsmehrheit hatte ihren Frieden mit dem System gemacht und davon profitiert, wie ich bereits schrieb.

Da verdrängte man gern die "unschönen Randerscheinungen".

Noch bis in die Siebziger hörte man von Älteren:

Das war schon alles in Ordnung mit dem Hitler. Nur Russland hätte er nicht angreifen dürfen.

kiki1962 schrieb:liegt es aber doch nicht in der natur des menschen unangenehmes nicht wahrzunehmen - sich vorbeischleichen, weghören, wegsehen - verdängen . .
das haben die leute damals gemacht und das machen sie heute auch

das stimmt zwar, dass diese Eigenschaft viele Menschen innehaben, aber auch dies kann man nicht verallgemeinern
man täte vielen Unrecht mit dieser Aussage


Bei denjenigen, wo es stark ausgeprägt ist, wäre das Ziel in einer Gesellschaft,
Mut und Zivilcourage zu fördern, von Kindheit an

Nur so wird sich dauerhaft etwas ändern

Nur das genau ist nicht das politische gegenwärtige Ziel, fürchte ich
und war es nie gewesen

Wir sehen ja heute mehrheitlich auch nicht hin:

Wenn anderswo in der Welt Kinder für unseren Wohlstand krepieren

Menschen hierzulande wie Abfall behandelt werden

Wir an Kriegen mitverdienen

Uns Umweltprobleme nicht interessieren

usw. usw.

Ich weiss, dass meine Kinder Schulen besuchen, die mit blutigem Geld gebaut wurden, mit Steuereinnahmen von Rüstungskonzernen mit Sitz in Schleswig-Holstein.

Ich weiss, dass für das Coltan in meinem Handy Kindersoldaten im Kongo verrecken.

Ich weiss, das mein Auto die Umwelt ruiniert

Ich weiss, dass meine günstigen "Made in China"-Produkte von Zwangsarbeitern hergestellt werden.

Ich weiss, dass mit meinen Steuergeldern Afghanen umgebracht werden.

Ich weiss, dass meine ASltersvorsorge in dubiosen Finanzfonds hilft, Waffen- und Drogengelder zu waschen.

Nein, ich bin nicht frei von Schuld. Kein Stück.

Hoffentlich fragt mich später keiner.

Altersvorsorge soll's heissen.

@kiki1962
klar liegt das in unserer Natur. Aber ob mans immer vor sich selbst verstecken kann? Nachts, wenns schön ruhig ist und man ist allein - kommen viele Gedanken hoch, die man manchmal gar nicht denken möchte. Ein Problem ist natürlich auch etwas sehr typisch menschliches. Behandeln wir jemanden wie dreck, drehen wir das vor uns selbst so lange hin und her, bis wir eine Entschuldigung dafür haben, warum wir so handelten. Und on dem Moment an, ist dieser "jemand" natürlich Schuld, und vor allem selbst schuld. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass auch solche Gedanken sich unicht ewig halten können.
Was war denn mit denen, die Juden versteckten und dann Angst haben mußte, von Nachbarn oder Freunden angezeigt zu werden?!
Gröhlende SA-Horden, die marodierend durch die Städte zogen... bis die Macht sich gefestigt hatte und auch diese sehr schnell "unwert" wurden, da niemand diese Schlägertrupps noch brauchte.
Heute ziehen sie wieder durch die Gegend und man kann echt nur mit dem Kopf schütteln, über so wenig Verstand.

Natürlich ist es völlig verwerflich den nachkommenden Generationen eine gewisse "Schuld" weiter auflasten zu wollen, nach dem Motto: Jetzt müsst ihr eben für eure Vorväter haften.

Hatte selbst schon deratiges immer mal wieder gehört, man macht ja hin und wieder unfreiwillige Bekanntschaften.

Was aber nach wie vor ganz wichtig ist ist alles daran zu setzten solch barabarische Verbrechen nicht irgendwann in Vergessenheit geraten zu lassen.

Einer hier beschwete sich doch über weitere Mahnmale und Gedenkstätten die noch immer aufgerichtet werden, genau das brauchen wir aber auf das so etwas nie wieder, nicht nur hierzulande, passiert.

Was mich aber schon wieder traurig stimmt ist folgende Geschichte die mir meine Mutter erst kürlich erzählte, sie ist ja zurzeit in einem Computerkurs und im warsten sinne des Wortes von absoluten Unterpreviligierten umgeben. (Worauf ich jedoch jetzt nicht weiter eingehen möchte)
Einmal fand in ihrem Kurs eine politische Diskussion statt worin mehrmals der Wunsch nach einem "kleinen Hitler" geäußert wurde. Die einzigen die wirklich erschrocken über diesen Wunsch reagierten waren meine Mutter selbst und die dortige Kursleiterin.

Solche Geschichten geben einem schon zu denken ohne das mir jetzt schon Angst macht. (Noch)

Dem ganzen vorausgegangen war übrigens die letzte SternTV Show worin sich ein "sozialbenachteiliger" Gast offen als NPD-Wähler äusserte.

@edit

*outete nicht äusserte

@Doors

Doors schrieb:Noch bis in die Siebziger hörte man von Älteren:

Das war schon alles in Ordnung mit dem Hitler. Nur Russland hätte er nicht angreifen dürfen.

ich hab noch nie von älteren Leuten aus dieser Zeit solche Sprüche gehört :/
Womit ich jetzt nicht behaupten möchte, dass sie nicht getätigt wurden

Es wird immer wieder uneinsichtige und verbohrte Menschen geben

Fehler einzugestehen, fällt Mensch ja in kleinen Dingen schon schwer
sonst würden z.B. auch nicht so viele Ehen geschieden werden

Doors schrieb:Wir sehen ja heute mehrheitlich auch nicht hin:

das ist ja das grosse Problem -- deshalb sollte man nicht mit dem Zeigefinger auf diese Kriegsgeneration zeigen und aburteilen, ohne sich selbst auch mal an die eigene Nase zu ziehen
Das heisst : doch, viele sehen hin ( in der Glotze )

Doors schrieb:Nein, ich bin nicht frei von Schuld. Kein Stück.

Hoffentlich fragt mich später keiner.

Vielleicht ist es dieses Ohnmachtsgefühl, dass man nicht viel ändern kann
nicht weiss, wie dem begegnen
Und wenn man sieht, dass trotz Demos und Auflärung und Protesten nicht viel ändert


Wir müssen jeder im engsten Kreis damit beginnen, sich anders zu verhalten, dann wäre schon viel erreicht und es wird Kreise ziehen :)

"Einer hier beschwete sich doch über weitere Mahnmale und Gedenkstätten die noch immer aufgerichtet werden, genau das brauchen wir aber auf das so etwas nie wieder, nicht nur hierzulande, passiert."

wäre sogar zu verstehen wenn der denkmalwahn an jeder ecke um die man läuft jedesmal das leid der opfer anprangert.
es muss nicht immer alles voller denkmale sein um das volk an die dummheit der vorangegangen zu erinnern und es nach belieben auf ewig an mord und totschlag zu erinnern.

Noch übersteigt meines Wissens nach die Zahl der Denkmäler für die Opfer des Faschismus die der Kriegerdenkmäler für "gefallene Helden" nicht.

am "tollsten" dann das Mahnmal für Bergen-Belsen, welches nun mitten im Truppenübungsplatz steht. Die Bahnrampe, über die die Menschen dann ins Lager kamen. und jeden Tag sprinten Soldaten aufgerödelt dran vorbei...

es wird einen ja zum glück noch nicht an jeder ecke die greueltaten der ns-ideologie aufs brot geschmiert.
(ausgenommen die hakenkreuze und die rechtsextremen sprüche hier und da an der wand )

wäre sogar zu verstehen wenn der denkmalwahn an jeder ecke um die man läuft jedesmal das leid der opfer anprangert.
es muss nicht immer alles voller denkmale sein um das volk an die dummheit der vorangegangen zu erinnern und es nach belieben auf ewig an mord und totschlag zu erinnern.

Na komm so schlimm ist es nun wirklich nicht das man hier schon den "Belästigten" spielen könnte.

Mahnmale bzw. Errinerungsstätten sind eine hervoragende Säule für das verhindern des "vergessen machen".

@Schalom

deshalb schrieb ich ja "wäre" im ersten satz .

denkmale sind ja nichts verkehrtes , aber wenn sie dann in so einer riesen sch. (entschuldigung) wie das in berlin , ausarten und dem fremden nichtssagend gegenüber stehen hat es doch weniger mit den verbrechen als mehr mit der künstl. profilierung zu tun ( wo auch immer das in dem denkmal aus berlin stecken soll)

@Schalom

Schalom schrieb:Na komm so schlimm ist es nun wirklich nicht das man hier schon den "Belästigten" spielen könnte.

Nicht von der ANzahl, aber von der nicht vorhandenen Ästhetik. Geschweige denn, das z.B. dieser ganz im Geiste der NS Architektur häßlich dahingeklierte Steinhaufen in Berlin z.B. in irgendeiner Weise dazu anregte über den Holocaust nachzudenken.
Als ich so um mich lauschte drehten sich etwa 80% der Gespräche darum, ads der Fleck Berlin schlicht verschandele. Ob das dem Gedenken dienlich ist? Ich wage es zu beweifeln.

Schalom schrieb:Mahnmale bzw. Errinerungsstätten sind eine hervoragende Säule für das verhindern des "vergessen machen".

So? Dann schau mal hier:
Ein wahrer Muslim kann kein Terrorist sein (Seite 48)

Im Verlauf des Threads kannst du den neuen Antisemitismus fröhlich walten sehen.
Vor lauter Andenken an den Naziholocaust übersehen wir so einiges, was uns die schöne neue Welt zu bieten hat.
Um es klar zu sagen:
Wir sind gerade dabei mal wieder zu versagen!
Die Mahnmale müssen IN DEN KÖPFEN UND HERZEN der Menschen stehen. Nicht auf der Straße...