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Abiogenese

69 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Abiogenese, Lebensentstehung, Rna-welt-hypothese ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Abiogenese

08.08.2018 um 15:06
Der Prozess, der zur Entstehung der ersten Lebewesen geführt hat, wird als Abiogenese bezeichnet. In diesem Thread soll es darum gehen, verschiedene wissenschaftliche Erklärungsansätze zu diskutieren. Ein Schwerpunkt ist dabei die RNA-Welt-Hypothese. Während heutige Lebewesen ihren lebendigen Zustand über die Wechselwirkungen zwischen DNA, RNA und Proteinen sowie vielfältigen Substraten aufrecht erhalten, wird für einen Abschnitt der Abiogenese die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Funktionen von DNA und Proteinen allein durch die RNA wahrgenommen wurde.

RNA ist ähnlich wie DNA aus einer Abfolge von Nucleotiden aufgebaut, die sich zu einem langen Strang verkettet haben. Im Unterschied zu DNA ist ein RNA-Strang jedoch nicht in einer Doppelhelix vorhanden, sondern in komplizierteren, ineinander verdrillten Strukturen, da der Zuckeranteil in den Nucleotiden bei RNA sperriger ist als bei DNA. Diese sperrigeren Strukturen bewirken andererseits jedoch auch, dass RNA in gewissem Umfang wie Proteine als Enzym wirken können. Solche RNA-Enzyme werden als Ribozyme bezeichnet.

Vermutet wird, dass frühe Lebensformen - oder Vorstufen von Lebensformen - ihren Stoffwechsel und ihre Selbstregulation allein mit RNA bewältigt hatten. Dies ist Gegenstand der RNA-Welt-Hypothese. In diesem Zusammenhang wird oft vom Spiegelmann-Versuch gesprochen. Hierbei wurden RNA-Moleküle mit dem Enzym RNA-Replicase zusammengebracht, wobei die Replicase schrittweise immer kürzere Moleküle produzierte, bis sich eine Population von Molekülen als Endzustand einpegelte, die sich am effizientesten replizierte.

Das hat allerdings nichts mit der RNA-Welt zu tun, sondern mit einer Art "molekularer Evolution", die jedoch mit biologischer Evolution nichts zu tun hat. Aufschlussreich waren die Fortsetzungen dieser Versuche durch Manfred Eigen aus Göttingen. Hier hat man nur noch einzelne Nucleotide in eine Replicase-Lösung zugesetzt und die Replicase ließ spontan RNA-Moleküle entstehen, die ihrerseits wieder eine "molekulare Evolution" bis zu einem Endzustand durchliefen. Bemerkenswert ist hier allerdings, dass die Replicase ein Protein ist und nicht ein Ribozym.

Die Frage, die hier im Raum steht, ist nun, ob man so ein System der "molekularen Evolution" schon als Leben bezeichnen kann. Schlichtes Molekülwachstum ohne Stoffwechsel erfüllt nicht die Kriterien, die an ein lebendes System gestellt werden. Der Stoffwechsel fehlt völlig. Ebenso die Abgrenzung von der Umgebung durch eine Membran, die notwendig ist, damit sich das Molekülsystem nicht in die Umgebung zerstreut. Weiterhin ist unklar, wie aus einem reinen Molekülreplikationsmechanismus ein Organismus entstehen soll, der einen Stoffwechsel aufweist, der wiederum auf die Replikation zurückwirkt.

Um diese und andere Fragen und Probleme zu diskutieren, die mit der Abiogenese im Zusammenhang stehen, steht hier eine Möglichkeit zur Verfügung. Was ich allerdings generell hier nicht haben möchte, sind kreationistische Interpretationen. Solche Beiträge werden von mir konsequent der Verwaltung als Störung gemeldet.

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Rao ehemaliges Mitglied

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Abiogenese

08.08.2018 um 15:46
Wissenschaftlich geht mir leider auch zu viel ab, aber einen Punkt sollte man klarstellen, nämlich daß die Ur-RNS mit der heutigen ziemlich wenig Ähnlichkeit gehabt haben dürfte, einfach schon weil die Funktionen ganz unterschiedlich sind.
Die heutige RNS erfüllt bestimmte Aufgaben innerhalb der Zelle, während die Ur-RNS für sich alleine stand und nicht mehr "Funktion" hatte als sich selbst zu reproduzieren, unbelastet von irgendwelchen anderen Aufgaben. Zwischen den beiden Formen steht deshalb mindestens so viel Unterschied wie zwischen dem heutigen menschlichen Auge und den allerersten lichtempfindlichen Zellen, den Vorläufern des Auges, auf den Körpern irgendwelcher urzeitlicher Lebewesen, um eine organische Analogie zu bemühen.
Und so wie das heutige Auge gern von Kreationisten als "Beweis" für eine Schöpfung hingestellt wird da angeblich "nichtreduzierbar komplex" (wenn man die vielen Zwischenstufen der Entstehung verschweigt, mag es so aussehen), so dürfte man vermutlich ebenso Probleme haben, aus der Struktur der heutigen RNA so einfach auf die Form und Funktionsweise der Ur-RNA zu schließen. Sprich, Irrtümer sind vorprogrammiert.


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Rao ehemaliges Mitglied

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Abiogenese

08.08.2018 um 15:50
Zitat von BiolehrerBiolehrer schrieb:Vermutet wird, dass frühe Lebensformen - oder Vorstufen von Lebensformen - ihren Stoffwechsel und ihre Selbstregulation allein mit RNA bewältigt hatten. Dies ist Gegenstand der RNA-Welt-Hypothese. In diesem Zusammenhang wird oft vom Spiegelmann-Versuch gesprochen. Hierbei wurden RNA-Moleküle mit dem Enzym RNA-Replicase zusammengebracht, wobei die Replicase schrittweise immer kürzere Moleküle produzierte, bis sich eine Population von Molekülen als Endzustand einpegelte, die sich am effizientesten replizierte.
Klingt wie der Versuch einer Rückzüchtung - als ob man besonders "urzeitmäßige" Pferde oder Rinder kreuzt, um irgendwann "Urpferde" oder "Auerochsen" zu bekommen. Aber alles was man wirklich bekommt, sind äußerliche Analogien - weil einfach zu viel Material der "Originale" im Lauf der Evolution/Züchtung verlorenging, das auch durch Rückzüchtung nicht mehr wiedergebracht wird, weil es einfach längst verloren ist.


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Abiogenese

08.08.2018 um 15:52
@Biolehrer
Interessantes Thema.
Da gibts ja mehrere Hypothesen.
Ich stelle mal ein Bildchen dazu ein, in der Hoffnung, dass du oder ein anderer Biologe/interessierter Laie, das mit Leben füllen kann.


72130.JPG.3246807.Original anzeigen (0,9 MB)

Die Symbole sind gleich, nur die Reihenfolge unterscheidet sich.
So wie ich das verstehe sagt eine Gruppe der Wissenschaftler "am Anfang stand die RNA" (obere Reihe) basierend wohl auf Entdeckungen von Cech und Altmann und die anderen (untere Reihe) dass umfangreiche Reaktionen bereits in der "Ursuppe" ablaufen konnten.
Nicht hauen, wenn ich es missverstanden habe, ich bin ja Laie.
Kann das Bild bitte mal jemand (für Laien verständlich) mit Leben füllen, bzw. verwerfen, wenn es Unsinn ist?


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Rao ehemaliges Mitglied

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Abiogenese

08.08.2018 um 16:10
Kann mir jemand das "primordial metabolic network" etwas genauer erläutern, wie das genau ausgesehen/funktioniert haben soll, im Unterschied zu dem späteren optimized network? In Dummy-Sprache bitte, bin da leider auch nicht so bewandert.


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Abiogenese

08.08.2018 um 16:31
Zitat von RaoRao schrieb:einen Punkt sollte man klarstellen, nämlich daß die Ur-RNS mit der heutigen ziemlich wenig Ähnlichkeit gehabt haben dürfte, einfach schon weil die Funktionen ganz unterschiedlich sind.
Was die Sequenzen betrifft, sicherlich, aber die chemischen Grundbestandteile sind dieselben, nämlich Nucleotide mit A, U, G und C als Basen sowie Ribose als Zuckeranteil und Phosphat. Die Ähnlichkeiten beziehen sich also auf die Abfolge der Basen - und damit auf die dreidimensionalen Molekülstrukturen, über die dann bestimmte Funktionalitäten möglich wuden - allerdings eben im Kontext mit Stoffwechselprozessen eines Systems, in das die RNA eingebettet gewesen ist.
Zitat von RaoRao schrieb:während die Ur-RNS für sich alleine stand und nicht mehr "Funktion" hatte als sich selbst zu reproduzieren, unbelastet von irgendwelchen anderen Aufgaben.
Nur dass das eben so nicht klappt. Es gibt kein nacktes RNA-Molekül frei von jedem Kontext, welches sich einfach mal so selbst replizieren könnte. Man benötigt mindestens ein weiteres RNA-Molekül, welches die frei verfügbaren Nucleotide entlang des RNA-Strangs so miteinander verknüpft, dass am Ende die Vorlage neu herausgekommen ist. Das ist dann allerdings mit weiteren Schwierigkeiten verbunden, da zum einen die Vorlage verknäuelt ist (und demnach entknäuelt werden muss!) und zum anderen die Sequenz in ihrer komplementären Form vorliegt, so dass die Kopie noch einmal per Anlagerung von passenden Nucleotiden repliziert werden muss, um die Master-Sequenz zu erhalten.
Zitat von RaoRao schrieb:so dürfte man vermutlich ebenso Probleme haben, aus der Struktur der heutigen RNA so einfach auf die Form und Funktionsweise der Ur-RNA zu schließen.
Es geht hierbei nicht um die Rekonstruktion von Ur-Sequenzen, sondern um die Rekonstruktion von RNA-Molekülen mit brauchbarer Funktion unter realitätsnahen Bedingungen - sprich: im Beisein all jener "Verschmutzungen", die neben der RNA auch noch vorhanden gewesen sind. Laborversuche mit Reinstoffen unter genau modellierten Bedingungen sind sicher hilfreich, um zunächst erst mal prinzipielle chemische Wege aufzuzeigen, aber die eigentliche "Drecksarbeit" ist damit noch nicht getan: Jetzt geht es um plausible Mechanismen, die die Aufkonzentrierung der RNA mit Stoffwechselvorgängen in einen Zusammenhang bringen, der zugleich Funktionalität generiert. Denn die ist ohne Stoffwechselkontext nicht zu haben.
Zitat von RaoRao schrieb:Klingt wie der Versuch einer Rückzüchtung
Ist aber damit nicht gemeint. Hier geht es um das Aufzeigen, dass solche Abläufe sich spontan volziehen und damit auch während der Abiogenese abgelaufen sein können. Das zeigt dann, dass bei einem geeigneten Zusammenwirken eine Selektion bereits auf molekularer Ebene stattgefunden hat. Das was dann daraus hervorging, bildete die Basis für weitere Schritte bis hin zu einer echten Funktionalität in Bezug auf Stoffwechselprozesse in Gestalt von Ribozymen.
Zitat von emanonemanon schrieb:Kann das Bild bitte mal jemand (für Laien verständlich) mit Leben füllen, bzw. verwerfen, wenn es Unsinn ist?
Ich kann es ja mal versuchen ...

Hier werden zwei Hypothesen dargestellt. Beide nehmen eine Archaeische Umgebung an - also offenbar eine Umgebung, wo sich heutige Archaeen wohl fühlen. Vermutlich eine hydrothermale Quelle, wo Extremophile leben (hitzetolerant, säuretolerant usw.).

Der obere Hypothesenweg lässt aus diesem Archaeen-Pool (Ich bezeichne das jetzt mal so, obwohl da ja noch gar keine Archaeen vorhanden waren!) zunächst die RNA-Welt entstehen - also eine Ansammlung von verschiedenen RNA-Molekülen, die miteinander in Wechselwirkung stehen und sich wechselseitig in Synthese und Abbau regulieren, so dass ein stimiges Ganzes entsteht. (Eigen würde diese Ansammlung wahrscheinlich Quasi-Spezies nennen).

Aus der RNA-Welt gehen später genetisch codierte Enzyme hervor - also Proteine (aus Aminosäuren!), deren Sequenz über RNA-Sequenzen repräsentiert sind. Das setzt dann allerdings einen Übersetzungsmechanismus voraus, der in der Lage ist, aus Basen-Sequenzen Aminosäure-Sequenzen hervorgehen zu lassen.

Diese codierten Proteine/Enzyme spielken dann in einem Stoffwechsel-Netzwerk eine regulierende Rolle und stabilisieren es nachhaltiger gegen Störeinflüsse, weil die benötigten Enzyme ja jederzeit nachproduziert werden können, sobald sie sich verbraucht haben. Der Stoffwechsel wirkt also über seine Produkte regulierend auf die Produktion der Enzyme, die wiederum das Stoffwechselsystem stabilisieren, welches in der Folge dann die Rückkopplung auf das Genom immer stabiler und regelmäßiger werden lässt.

Der untere Hypothesenweg geht von einem bereits vorhandenen Stoffwechselsystem aus, welches noch ohne RNA funktioniert. Hier übernehmen Zufalls-Enzyme aus Aminosäuren die Regulation, damit es nicht kollabiert. Problematisch ist hier, dass die Zufallsproteine nicht codiert sind, sondern eine statistische Auswahl darstellen. Das Stoffwechselsystem ist damit ebenfalls nur ein statistischer Durchschnittswert hinsichtlich seiner Komplexität und Stabilität.

Mit dem Entstehen von RNA-Komponenten aus diesem Netzwerk heraus (Zufallsfunde!) besteht die Möglichkeit, dass die Proteine des ursprünglichen Stoffwechsel-Netzwerkes codiert und damit in ihrer Sequenz relativ identisch reproduziert werden (auch hier muss erst wieder ein Übersetzungsmechanismus gefunden werden!), so dass die codierten Enzyme nach und nach das Stoffwechselsystem als Ganzes stabilisieren und regelmäßiger werden lassen als es der statistische Durchschnittswert zulässt.
Zitat von RaoRao schrieb:wie das genau ausgesehen/funktioniert haben soll, im Unterschied zu dem späteren optimized network?
Man muss sich das so vorstellen, dass sich in einem begrenzten Raum einige Makromoleküle - insbesondere Peptide aus Aminosäuren - spontan über verschiedene Hin- und Rückreaktionen miteinander vernetzen, so dass ein stabiler Reaktionszyklus entsteht. Da im ursprünglichen (primordial) Zustand bestimmte Sequenzen nicht reproduziert werden können, weil sie nicht codiert sind, ergibt sich nur eine geringe Störungstoleranz, weil neu entstehende Peptide nur sehr schwach spezifisch in ihrer Funktion geeignet sind.

Mit codierten Peptiden ergibt sich eine neue Situation. Peptide können nun reproduziert werden, so dass geeignete Sequenzen nicht per Zufall wieder verloren gehen, sondern neu bereitgestellt werden können. Dadurch wird ein einmal gefundenes Organisationslevel eher konserviert als es bei nicht codierten Peptiden der Fall wäre. Die stabilisierte Form des Netzwerkes stellt seinerseits eine Grundlage dar, von der man ausgehen kann, um weitere geeignete Lösungen zu finden. Hier spielt dann der Faktor Mutation eine richtende Rolle, denn auf der Basis einmal konservierter Sequenzen können nun mutierte Sequenzen "ausprobiert" werden, ohne dass die alten Sequenzen komplett verloren gehen würden. Damit haben wir dann ein optimiertes Netzwerk.


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Abiogenese

08.08.2018 um 16:34
Ach so, diese Grafik illustriert die beiden Ansätze "Replicator first" versus "Metabolism first" - oben ist "Replicator first" und unten "Metabolism first". Am Ende entsteht bei beiden Ansätzen ein optimiertes Netzwerk mit codierten Enzymen.


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Abiogenese

08.08.2018 um 16:48
@Biolehrer
Lässt sich das reduzieren auf ein Henne-Ei-Problem?
Es gab den Miller-Urey-Versuch und wohl auch noch einige, ähnlich gelagerte, aber neuesten Erkenntnisse angepasste, später, bei denen aufgezeigt werden konnte, dass auch in der "Ursuppe", auch ohne Zugabe von Enzymen, Stoffwechselvorgänge abliefen.
Wäre das ein Argument, dass die 2. These stützt (untere Reihe)?


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Abiogenese

08.08.2018 um 17:10
Zitat von BiolehrerBiolehrer schrieb:Man muss sich das so vorstellen, dass sich in einem begrenzten Raum einige Makromoleküle - insbesondere Peptide aus Aminosäuren - spontan über verschiedene Hin- und Rückreaktionen miteinander vernetzen, so dass ein stabiler Reaktionszyklus entsteht. Da im ursprünglichen (primordial) Zustand bestimmte Sequenzen nicht reproduziert werden können, weil sie nicht codiert sind, ergibt sich nur eine geringe Störungstoleranz, weil neu entstehende Peptide nur sehr schwach spezifisch in ihrer Funktion geeignet sind.
"Hin- und Rückreaktionen" erinnern mich spontan an die Farbveränderungen von Teststreifen, je nachdem ob die Flüssigkeit basisch oder sauer ist, oder an Halbleiter mit ihren Reaktionen auf elektrischen Strom, oder an unterschiedliche Aggregatszustände bei wechselnden Temperaturen. Zwei dieser Möglichkeiten könnten in der mutmaßlichen Umgebung (Urozean, heiße Quellen, schwarze Raucher?) jederzeit aufgetreten sein. Dazu natürlich rein mechanische Bewegungen wie Wellen, Ebbe und Flut, die schon laut einer älteren Theorie zu Vernetzungen und der mechanisch-chemischen Entstehung von "Urschleim" (Meerschaumtheorie) geführt haben könnte.
*duck und weg*


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Abiogenese

08.08.2018 um 17:28
Zitat von emanonemanon schrieb:Wäre das ein Argument, dass die 2. These stützt (untere Reihe)?
Grundsätzlich neige ich tatsächlich eher zum "Stoffwechsel zuerst"-Ansatz, da wir neben RNA noch jede Menge anderer Molekülklassen haben (darunter eben auch die potenten Aminosäuren, die sich zu enzymatisch wirksamen Peptiden verketten können), die sich auf vielfältige Weise miteinander zu Reaktionsnetzwerken vernetzen können. Problematisch bei Miller-Urey-Synthesen ist der erhebliche Anteil an Teer (ca. 85 Prozent!), der als Nebenprodukt entsteht. Aber auch hier könnten sich oberflächenaktive Strukturen ergeben, wo ein Teil der nachfolgenden Synthesen ablaufen kann.

Das Henne-Ei-Problem sehe ich in der Kopplung zwischen RNA-Replikation einerseits und der Übersetzung von Basensequenzen in Aminosäure-Sequenzen andererseits. In verschärfter Form haben wir das heute, wo zur Replikation Proteine benötigt werden, die jedoch codiert sind und zunächst erst einmal mit Proteinen synthetisiert werden müssen, die ihrerseits in der DNA codiert sind usw. usw.

In der RNA-Welt fällt die DNA weg, aber der Apparat, der aus RNA-Basen-Sequenzen Proteine entstehen lässt, wird ab einem bestimmten Level an Komplexität dann doch nötig, weil eine Replikation ausschließlich über Ribozyme nicht mehr möglich ist, ohne dass Kurzschluss-Effekte auftreten. Das bedeutet, dass sich eine bestimmte RNA-Sequenz nur noch selbst repliziert und damit die anderen RNA-Moleküle verdrängt. Im Endeffekt kollabiert das System - einschließlich des "egoistisch" gewordenen RNA-Replikators, der selber nur eine Replicase darstellt. Die Replicase wäre dann also auch für die anderen RNAs weg ...
Zitat von RaoRao schrieb:"Hin- und Rückreaktionen" erinnern mich spontan an die Farbveränderungen von Teststreifen
Das ist damit aber nicht gemeint. Hier geht es eher um Reaktionen, die sich wechselseitig antreiben, indem sie über eine Rückreaktion nach Art eines Reaktionskreislaufs miteinander gekoppelt sind.


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Rao ehemaliges Mitglied

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Abiogenese

08.08.2018 um 17:41
Was ist, wenn die angenommene Ur-RNA Bestandteile enthielt, die heutige RNA nicht mehr aufweist - so wie auch auf dem Weg lichtempfindliche Zellen - fertiges Auge Zwischenschritte, die mal nötig waren, weggefallen sind da überflüssig? Bestandteile, die es ihr erleichtert haben, sich auch ohne ständige Interaktion mit anderen RNA-Strängen zu vermehren? Ließe sich das heute im Experiment nachvollziehen, welche Teile eine möglichst einfach gestaltete aber reproduktionsfähige RNA haben "müßte", wenn heutige RNA diese Teile nicht mehr besitzt? Denn wie gesagt, eine "Rückzüchtung" vom heutigen Stand erzeugt alles mögliche, nur nicht den Urzustand, weil unterwegs zu viel verlorenging.


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Abiogenese

08.08.2018 um 17:55
Zitat von RaoRao schrieb:Bestandteile, die es ihr erleichtert haben, sich auch ohne ständige Interaktion mit anderen RNA-Strängen zu vermehren?
Da es bei der Selbstreplikation darauf ankommt, eine bestimmte Sequenz in einer identischen Reihenfolge zu wiederholen, geht das nicht anders als über einen Zwischenschritt zu machen, bei der ein "Negativ" herauskommt, welches dann zur Vorlage für die Synthese der ursprünglichen Sequenz dient. Das bedeutet, dass sich ein bestimmter RNA-Strang zunächst mal strecken muss, damit die Basensequenz in der ganzen Länge frei liegt, so dass sich einzelne Nucleotide komplementär anlagern können. Bereits das ist eine Herausforderung, die auf molekularer Ebene bewältigt werden muss.

Denkbar wäre hier eine mineralische Unterlage, an die sich das Molekül anheftet. Über elektromagnetische Kräfte (z.B. eine geeignete Ionenverteilung des mineralischen Kristalls) müsste dann die Auftrennung und Streckung erfolgen. Auch Temperaturunterschiede oder Unterschiede im Salzgehalt des Wassers können hier begleitende Effekte liefern, die diesen Prozess begünstigen.

Dann erfolgt die Anlagerung der freien Nucleotide entsprechend der Basenpaarungen - also A mit U und G mit C sowie umgekehrt U mit A und C mit G - und dann noch die Verknüpfung der Nucleotide zu einem Strang. Der gebildete Komplementärstrang muss sich dann von der Vorlage ablösen und seinerseits in gestreckter Form vorliegen, damit der gleiche Prozess von neuem beginnen kann. Erst nach Ablösung des zweiten Stranges ist eine Replikation des Ur-Stranges erfolgt.
Zitat von RaoRao schrieb:Ließe sich das heute im Experiment nachvollziehen, welche Teile eine möglichst einfach gestaltete aber reproduktionsfähige RNA haben "müßte", wenn heutige RNA diese Teile nicht mehr besitzt?
Wenn man von einem mineralischen Untergrund ausgeht, wo verschiedene Kristallformen zugleich auch verschiedene Passformen bereitstellen, dürfte es schwierig werden, hier auf bestimmte Bestandteile rückzuschließen, weil die Form des Moleküls ja eine Folge der Sequenz darstellt. Und da es hierbei eine unübersehbare Anzahl von Möglichkeiten gibt, wie sich bestimmte Sequenzen in Wasser räumlich falten können, sehe ich da nicht viele Erfolgsmöglichkeiten, so etwas vorab zu berechnen bzw. spontan über Experimente zufällig zu finden.


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Abiogenese

08.08.2018 um 18:02
@Biolehrer
Selbst wenn man davon ausgeht, dass in der "Ursuppe" Stoffwechselprozesse abliefen und alle notwendigen Stoffe in ausreichender Menge vorhanden waren, so bräuchte man m. E. immer noch einen "Ort" an dem diese Prozesse "geschützt" oder "konzentriert" ablaufen konnten (sorry für vielleicht falsche Wortwahl).
Die Stoffwechselendprodukte ( :) ) in der Ursuppe waren doch wohl recht flüchtig (nicht stabil) und die Chance, in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne auf weitere Reaktionspartner zu treffen, wohl eher gering.
Da gabs auch eine Menge Thesen wie tonhaltige Mineralien, Hydrothermalen Quellen ect., aber ich will auf etwas anderes hinaus.
Eine "Vorzelle".
Einen Zellvorläufer ohne kompexe Lipide. Gab, gibt es so etwas? Nukleotide, die sich, einigermassen stabil, zu geschlossenen Strukturen organisieren, so dass im Innern dieser Strukturen Prozesse ungestörter ablaufen können?

Aber ich seh gerade, du bist auch noch mit Rao beschäftigt. Ich halts im Hinterkopf und klink mich später noch mal ein.
Danke schon einmal.


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Rao ehemaliges Mitglied

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Abiogenese

08.08.2018 um 18:03
An mineralischen und sonstigen Untergründen dürfte es in der Erdvergangenheit nicht gerade gemangelt haben. Schließlich stand der ganze Planet für Entwicklungen aller Art zur Verfügung. Die verschiedenen Thesen zur Erstentwicklung von Leben bzw. RNA beziehen so unterschiedliche Orte wie Tiefsee (heiße Quellen, schwarze Raucher), flache Gewässer (Meerschaum, Urschleim, rhythmische Wellenbewegungen), Eisschollen (Kapillaren), Sanddünen (wegen der großen Oberflächen des Sandes, an denen sich alles mögliche anheften kann), Brombeerpyrit (Schwefelwasserstoff-Reaktion) und etliche andere mit ein.
Mögliche Entwicklungen liefen in all diesen "Lebensräumen" parallel ab.


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Biolehrer Diskussionsleiter
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Abiogenese

08.08.2018 um 18:19
Zitat von emanonemanon schrieb:Einen Zellvorläufer ohne kompexe Lipide. Gab, gibt es so etwas?
Es gibt u.a. Überlegungen, dass sich in hydrothermalen Systemen kleine mineralische Hohlräume gbildet haben, in denen sich komplexere Moleküle relativ ungestört anreichern und miteinander reagieren konnten. Hier ist z.B. so ein Artikel mit einigen recht anschaulichen Abbildungen:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1693102/pdf/12594918.pdf

F1.largeOriginal anzeigen (0,2 MB)


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Eine andere Möglichkeiten stellen die Mikrosphären von Fox dar, die sich aus Proteinoiden bilden.

fox6
Zitat von emanonemanon schrieb:Nukleotide, die sich, einigermassen stabil, zu geschlossenen Strukturen organisieren, so dass im Innern dieser Struktueren Prozesse ungestörter ablaufen können?
Nucleotide für sich genommen nicht, aber innerhalb von Hohlräumen, die dann aus anderem Material bestanden haben, durchaus.
Zitat von RaoRao schrieb:An mineralischen und sonstigen Untergründen dürfte es in der Erdvergangenheit nicht gerade gemangelt haben.
Das ist schon richtig, aber damit wird man das bestehende Problem noch nicht los, dass das alles am Ende passgenau abgelaufen sein muss. Das bedeutet, dass am richtigen Ort zur richtigen Zeit die richtigen Sequenzen in der richtigen Reihenfolge ihres Auftretens vorhanden gewesen sein müssen, damit sich nicht nur eine Replikation eines bestimmten Moleküls ergeben hat, sondern darüber hinaus noch der begleitende Stoffwechsel-Kontext dadurch stabilisiert wurde. Anderenfalls wäre entweder gar nichts passiert oder es wäre der schon erwähnte Kurzschluss eingetreten, der ebenfalls das System zum Kollaps gebracht hätte.

Also zum einen: Ja, es gab sehr viel Auswahl an Möglichkeiten und Gelegenheiten, aber es ist nicht absehbar, welche Gelegenheiten unter welchen Voraussetzungen zusammenkommen müssen, damit am Ende etwas daraus entsteht, was sich fortpflanzen kann. Auf der Molekülebene allein ist da nichts zu machen. Die "drehen" günstigenfalls im "Kurzschluss" durch. In den allermeisten Fällen versacken sie jedoch in irgendwelchen chemischen Gleichgewichten.


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Abiogenese

08.08.2018 um 18:31
Zitat von emanonemanon schrieb:Die Stoffwechselendprodukte ( :) ) in der Ursuppe waren doch wohl recht flüchtig (nicht stabil) und die Chance, in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne auf weitere Reaktionspartner zu treffen, wohl eher gering.
Wer sagt das? Kacke hat noch heute die Eigenschaft, sehr hartnäckig kleben zu bleiben. :) Die Theorie, daß die allerersten schützenden "Zellhüllen" schlicht hängengebliebene Stoffwechselendprodukte waren, hat was für sich. Shit happens, im Sinne des Wortes, zu jeder Zeit. :)


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Biolehrer Diskussionsleiter
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Abiogenese

08.08.2018 um 18:38
Zitat von RaoRao schrieb:Kacke hat noch heute die Eigenschaft, sehr hartnäckig kleben zu bleiben.
Kacke ist aber kein Stoffwechselendprodukt, sondern lediglich ein Überbleibsel des Nahrungsbreis. Harnstoff ist ein Stoffwechselendprodukt. Und der klebt nirgends ... :D


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Abiogenese

09.08.2018 um 10:57
Warum wird die Kacke dann nicht im Körper "restverwertet", bis wirklich nur noch unbrauchbare Endprodukte übrigbleiben? Gibt doch einen Grund dafür? Ich meine, außer daß wir biologisch nicht gerade effektiv funktionieren, sogar einige Säugetiere funzen besser mit der Nahrungsverwertung als wir.
Und wer will wissen, was das beginnende Leben außer Harnstoff noch alles ausgeschieden hat? (Falls bei seinen biologischen Vorgängen überhaupt Harnstoff entstanden ist, Fragezeichen)


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Abiogenese

09.08.2018 um 11:02
Zitat von emanonemanon schrieb:Die Stoffwechselendprodukte ( :) ) in der Ursuppe waren doch wohl recht flüchtig (nicht stabil) und die Chance, in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne auf weitere Reaktionspartner zu treffen, wohl eher gering.
War ein (misslungenes) Wortspiel.
Mit den Stoffwechselendprodukten meinte ich die Endprodukte der einzelnen Stoffwechselvorgänge in der Ursuppe, nicht das was fertige Lebewesen so von sich geben, denn die sind zum besprochenen Zeitpunkt ja noch gar nicht entstanden.
Sorry, war nicht meine Absicht die Diskussion zu behindern.


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Abiogenese

09.08.2018 um 11:21
Unter Stoffwechselendprodukten verstehe ich in blumiger Ausdrucksweise das was hinten rauskommt, was unbrauchbar ist. Das beginnende Leben, RNA oder was sonst, hat sich aus der Ursuppe das herausgepickt, was brauchbar war, was sich chemisch binden ließ für die eigene Vermehrung, und dabei blieb zwangsläufig viel übrig, was ungenießbar war, dieses Zeug sammelte sich im Lauf der Zeit ringsum an, hat zweifellos häufig die laufenden Prozesse abgewürgt und damit das Proto-Leben gleich mit, aber in manchen Fällen hat sich so eine Schutzhülle aus Abfall vielleicht auch als nützlich erwiesen, die RNA (oder was es sonst war) lebte in ihrem Müll-Tönnchen wie Diogenes, guckte nur vorne heraus wie so ein Einsiedlerkrebs und hat sich an diesem Ende weitervermehrt, während der Rest von ihr gut geschützt im eigenen Dreck lag. Wobei der "Dreck" natürlich nicht aus alten Zeitungen und Konservendosen bestand, sondern aus jeder Menge Chemieschleim, in dem wahrscheinlich auch noch Reaktionen abliefen, mit Vernetzungen, die das Zeug halbwegs stabil machten. Das war dann sowas wie eine erste Zellhülle, ganz aus Zufall entstanden. Die richtige, gezielt erzeugte Hülle, deren Bauplan in der Zelle bereits einprogrammiert ist, kam erst viel später, denn dafür brauchte es noch einige Entwicklungsschritte.


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