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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

78 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gerad Linig, Straight Edge ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 12:03
Find ich gut, ich verstehe die Bezeichnung die härtesten Weicheier der Welt nicht. Wer seinen Körper dem maroden Zerfall aussetzt ist also einer der ganz harten Sorte?

Straight Edge stärkt Körper und Geist im Einklang, und bewahrt den Instinkt zur Menschlichkeit. Finds gut wenn es Leute gibt die sowas durchziehen.

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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 13:22
@-ripper-

Richtig, ich finds ziemlich arm, wenn über die hergezogen wird.
Sollte ruhig mehr von diesen Leuten geben, aber natürlich alles freiwillig. Jeder muss selber wissen, was er seinem Körper antut.


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Paka ehemaliges Mitglied

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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 13:40
Ich find die Bezeichnung Weicheier auch daneben, das passt absolut nicht. Weicheier sind eher die, die sich die Birne mit allem Möglichen zudröhnen und glauben, ganz hart zu sein.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 13:58
@Paka
Da kann ich dir recht geben.
Und wenn man einmal eben "anders" ist als die restlichen Jugendlichen, wird man vl. als Freak oder ähnliches dargestellt. Obwohl es natürlich gute Seiten hat, wenn man einen klaren Verstand/Geist hat und eben nicht wegen welchen anderen Sachen beeinträchtigt.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:13
Viele von diesen Menschen sind aber ignorante und misantrophe Arschlöcher, die sich für was besseres halten. Das ist zumindest meine Erfahrung.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:13
Zumindest hat dieses Verhalten mehr Message, als so manch anderes Kram.

Man muss jetzt nicht was gegen Sex oder Alkohol oder Cannabis haben.
Das ist was ziemlich normales.

Was ich persönlich schlimm finde, ist, dass es langsam zur ,,coolen" Normalität geworden ist, ständig zu saufen, zu kiffen und wild in der Gegend rumzunageln.

Man erkennt bei den Straight Edge-Leuten immerhin die Überzeugung: Ich mache bewusst dabei nicht bei diesem Mainstream-Kram mit!

Inwieweit das jetzt übertrieben ist, völlig Alk und Co. zu verweigern, sei mal dahin gestellt.
Die Leute tun einem ja nicht damit weh, wenn sie davon überzeugt sind, finde ich das respektabel.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:18
@pirasque
Da spricht wohl der Neid, weil man selbst zu willensschwach ist. :P


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:20
Zitat von KcKc schrieb:Das ist was ziemlich normales.
Eben in der heutigen Zeit ja. Man folgt einfach und es ist normal, dass Jugendliche sowas machen. Aber ob es in Ordnung ist, dass es mittlerweile "normal" ist, das sei mal dahingestellt. Aber wie du sagst, Respekt verdienen die auf jeden Fall, gerade bei so einer Gesellschaft.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:27
@Demandred

Du willst meine Erfahrung als Neid bezeichnen? :D
Denk über dein Argument nochmal nach.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:29
@Hesher
Exakt.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:30
@Demandred

Dann ist das dein Problem, nicht meins ;)


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:30
@liaewen

Es ist ja nichts schlimmes, wenn Teenager schon mal einvernehmlichen Sex hatten. Wenn man vor der Ehe schon mehrere Partner hatte.
Und man wird auch in der Regel nicht von einem Joint oder ab und an etwas Alkohol ein lebenslanges Wrack.

Sehr krass finde ich aber mit unter die Maßlosigkeit, die herrscht.

Ich seh Jugendliche rumlaufen, die sind garantiert so um den Dreh 15/16 rum. Und was haben die dabei? Flaschenweise Vodka und Energy-Drink.
Oder man sieht schon 13-Jährige mit der Kippe in der Fresse.
Und 14-jährige Mädchen, die sich schminken und anziehen, wie erwachsene Frauen.

Aber ob sie das machen, weil sie es wirklich gut finden?

Wohl eher, weil die erwachsene Gesellschaft selbst immer vergnügungssüchtiger und desinteressierter an anständiger Erziehung der Kinder und Jugendlichen ist.
Rauchen, saufen, kiffen, Sex - das wird doch alles sehr stark positiv von den Erwachsenen vorgelebt.

Also machen es Kinder und Jugendlichen nach. Und statt sich mal wieder mehr um Erziehung zu kümmern (was gar nicht so unbedingt extreme Einschränkung bedeuten muss!) steht man hilflos daneben und überlegt sich, ob man jetzt Alkoholkonsum oder Zigaretten verbieten könnte.


Ich denke, die Straight Edge-Leute zeigen durch ihr deutliches Beispiel, dass Willenskraft, was letztendlich auch Erziehung ist, immer noch möglich ist. Und man trotzdem durchaus Spaß haben kann.

So, wie ich es verstanden habe, heißt dieser Stil ja nicht, dass man für alle Zeiten allem oben genannten entsagt. Es heißt lediglich, dass man nicht exzessiv mitmacht, wie viele andere.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:33
Das Problem ist, dass auch sXe kein Schlüssel zur Erlösung ist. Man kann sagen "Ich bin sXe!", aber sein ganzes Leben so "enthaltsam" zu leben, ist wieder ne ganz andere Frage.


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Fabs ehemaliges Mitglied

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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:53
@Hesher
Zitat von HesherHesher schrieb:Viele von diesen Menschen sind aber ignorante und misantrophe Arschlöcher, die sich für was besseres halten. Das ist zumindest meine Erfahrung.
Oh ja, einfach nur für sich bewusster zu Leben war nicht immer der Fall, durchaus konnte das ganze schon in Tugendterror und Verachtung Anderen gegenüber ausarten.


Wird dich vielleicht interessieren.
Es gab offenbar kein Entkommen. Wer seine Jugend Anfang der neunziger Jahre in der bayerischen Provinz zubrachte, konnte zwar dagegen sein, so sehr er wollte – er gehörte aber dennoch unweigerlich dazu. Denn die bayerische Gesellschaft verfügte über eine überaus wirksame, gemeinschaftsstiftende Substanz, mit der sie jeden in den Griff zu kriegen schien: Alkohol.

Mochten Atheisten, Kommunisten, Anarchisten, Skater, Punks, Autonome und andere aufrührerische Elemente ihre sturzkatholische und knarzkonservative Umgebung noch so verachten – zu zahlreichen Gelegenheiten tranken sie dennoch Brüderschaft mit denen, für die sie eigentlich nichts übrig hatten, im bier- oder weinseligen Bewusstsein, eben doch irgendwie zusammenzugehören. Und da jedes bayerische Nest selbst zu Ehren eines drittklassigen katholischen Ersatzheiligen einmal im Jahr ein Festzelt aufstellt, konnte man nicht selten zu fortgeschrittener Uhrzeit sehen, wie der lallende Dorfnazi im Bierzeltdunst mit dem ebenso narkotisierten Kleinstadtpunk anstieß.

Da kam mir Straight Edge ganz recht. Punk und Hardcore liefen ohnehin die ganze Zeit in meinem Kassettenrekorder. »I’m a person just like you / But I’ve got better things to do / Than sit around and fuck my head«, sang die Band Minor Threat im Song »Straight Edge«. Mir ging es ähnlich: Besoffen konnte ich nicht Gitarre spielen, und das tat ich zu der Zeit stundenlang jeden Tag.

Minor Threats Worte »I can’t keep up – out of step with the world« deckten sich zudem mit meiner Gefühlslage. »I don’t smoke, I don’t drink«, hieß es weiter in dem Song »Out of Step«. Dazu entschloss ich mich dann auch: Statt mir die Welt schönzusaufen, wollte ich Entfremdung pur, nüchtern, ohne Illusionen. Die Songzeile »I don’t fuck« fand ich ein wenig seltsam, schließlich hatte ich als Kind eine mehrjährige Laufbahn als Messdiener absolviert und deshalb kein Bedürfnis, erneut einem Keuschheitskult anzuhängen. Also entschloss ich mich, das Sexualleben von Ian MacKaye, dem Sänger von Minor Threat, als seine Privatsache zu betrachten und meines als meine. Vegetarier wurde ich auch noch – mein Opa war nicht nur Winzer, sondern auch Metzger, das innerfamiliäre »Fuck You« wurde durch das Ende meines Fleischkonsums bestens abgerundet.

Dass ich nun nicht mehr völlig zu den Menschen in meiner Umgebung gehörte, stellte ich mit Genugtuung an meinem ersten Straight-Edge-Silvester fest: Als es ans Anstoßen ging, konterte ich statt »Prost Neujahr!« einfach »Nein, ich trinke nicht« und erntete sehr irritierte Blicke. Dafür gehörte ich nun einem exklusiven Zirkel an. Er war derart exklusiv, dass ich der einzige Straight-Edge-Anhänger in meinem ganzen Bekanntenkreis war. Meine Verbindung zur Straight-Edge-Szene bestand aus Fanzines, Mailorder-Katalogen, in denen es auch immer Neuigkeiten über Bands zu lesen gab, und aus den Konzerten, die in größeren Städten stattfanden.


Mit der Zeit wurde mir allerdings klar, dass Straight-Edge-Bands einen ziemlich obskuren Menschenschlag anzogen und meist selbst zu ihm gehörten. Während eines Konzerts der Bos­toner Band Slapshot entblößte beispielsweise ein Zuhörer, der die markigen Zeilen »Get your booze away from me / Keep your pills out of sight / Don’t get smoke in my face / Or you’ll get the straight edge in your face« lauthals mitgeschrien hatte, seinen durchtrainierten Oberkörper. Auf seinem Rücken war in großen Lettern das Wort »Arbeit« tätowiert – weshalb ihn ein Häufchen Konzertbesucher in den Songpausen mit dem Ruf »Überstunden« anfeuerte. Slapshot und eine Reihe anderer Bands machten Musik für echte Kerle. »Kill everyone with a beer in his hand, cause if you drink you’re not a man«, sangen die Bostoner auf einer Platte. Die kalifornische Band A Chorus of Disapproval beschimpfte in ihren Texten Leute, die Drogen nahmen, als Abschaum und Verlierer und rief das »Militant Edge« aus. Auf die Anhänger solcher Bands wirkte das derart inspirierend, dass sie hauptsächlich in den USA dazu neigten, auf Konzerten Biertrinker zu verprügeln. Straight Edge war für diese Klientel ein Stahlbad für harte Jungs.

Häufig traf ich auch auf eher schmächtige Gestalten, die mir Flugblätter in die Hand drückten. Es handelte sich meist um Mitglieder irgendwelcher holländischer oder belgischer Straight-Edge-Bands, denen arg an Tieren und Pflanzen gelegen war. Auf ihren Zetteln befanden sich beispielsweise Anleitungen dazu, wie ein Jägerhochstand fachgerecht zum Einsturz zu bringen sei, Ratschläge für eine streng vegane Ernährung, Informationen zu den Erfolgen der Tierbefreiungsbewegung, Pamphlete gegen die Abholzung des Regenwalds oder Schreckensberichte über die Fleisch­industrie. Diese Naturschützer sahen zwar meist recht harmlos aus, waren aber oft reichlich fanatisiert, weshalb man sie zu einem großen Teil nur als Ökofaschisten bezeichnen konnte.

Die wohl erfolgreichste Band dieser Fraktion hieß Earth Crisis. Sie sang vom »Ökozid« und forderte Rache an der Menschheit im Namen von Flora und Fauna: »If you refuse to change, then you’re guilty and must be destroyed / You’re a demon with blood on your hands, your death will bring their freedom / Your selfishness destroys the earth.« Ihrer Mission folgten Earth Crisis »for the fetus, for the cat, for the cow, for the rat«. Ihr Herz für Föten und das »ungeborene Leben« hatten Straight-Edge-Anhänger mittlerweile nämlich auch noch entdeckt. Ein besonders irrsinniges Grüppchen, die Hardline-Bewegung, bejubelte sogar Anschläge auf Abtreibungskliniken.

Auf einem anderen Konzert erhielt ich keine Flugblätter, stattdessen drückten mir Hare-Krishna-Jünger eine braune Masse zum Verzehr in die Hand. Ich hielt den Batzen zunächst für Schokolade, was sich aber mit dem ersten Bissen und dem einsetzenden Würgereiz als großer Irrtum herausstellte. Bis heute weiß ich nicht, was ich da im Mund hatte. Krishnas verteilten nicht nur schlechtes Essen, sondern machten auch Musik. Bands wie Shelter oder 108, die in New Yorker Krishna-Tempeln ihren Verstand gegen die Lehre von Abhay Charan Bhaktivedanta Swami Prabhupada eingetauscht hatten, predigten der Straight-Edge-Szene »Spiritualität« – die im Wesentlichen daraus bestand, Sex nur in der Ehe und zu Fortpflanzungszwecken zu haben, kein Fleisch zu essen und gottesfürchtig zu sein.

Eine andere Band hielt es hingegen weniger mit Gott als mit dem Teufel. Integrity aus Cleveland sangen auf ihrer ersten Single noch: »One life, drug free«. Später ging es in ihren Texten meist um Dämonen, Satan und den Weltuntergang, was für Freunde des Horrorfilms durchaus unterhaltsam war. Auch dass der Sänger mit teuflisch gefärbten Kontaktlinsen und einem T-Shirt mit einem aufgedruckten Foto von Charles Manson auf die Bühne kam, konnte man noch als standesgemäßen Mummenschanz durchgehen lassen. Irgendwann pflegten Integrity dann aber Beziehungen zur amerikanischen Sekte Church of Satan und dem Industrial-Musiker und bekennenden Faschisten Boyd Rice, was das Maß des Erträglichen dann doch überschritt.

Es war also kaum von der Hand zu weisen: Die Straight-Edge-Szene bestand aus Machos, Ökos, Esos – und einem kleinen Häuflein, das glücklicherweise nicht den Verstand verloren hatte. Die Kalifornier Chain of Strength waren beispielsweise eine sympathische Band. Die Musiker gaben nicht die harten Kerle, sondern sahen aus wie die netten Jungs von nebenan, weswegen sie manchmal spöttisch die New Kids on the Block des Straight Edge genannt wurden. Und in einem Interview bekundeten sie, dass sie nichts Schlimmes an einem Schlückchen Bier fänden, weshalb sie von den Hütern des wahren Glaubens arg angefeindet wurden. Monster X aus New Jersey waren wohl die einzige Straight-Edge-Band, die einen Song im Programm hatte, in dem die Legalisierung aller Drogen gefordert wurde. Zudem spielten Monster X Grindcore, waren also schneller, kaputter und übergeschnappter als die unzähligen Bands, die alle gleich klangen und mein Interesse an der musikalischen Seite von Straight Edge allmählich schwinden ließen.

Die Musik hörte ich irgendwann nicht mehr, Straight Edge war ich immer noch: Mittlerweile konnte ich aus dem grauen Glibberkram Tofu genießbare Speisen zubereiten und Bratlinge aus allen möglichen Getreide- und Gemüsesorten herstellen. Und ich war Gewohnheitsabstinenzler, meine Trinkstörung gehörte zu mir wie die Flasche Korn zum Gewohnheitstrinker. Ich experimentierte mit allen möglichen Substanzen: Kirschsaft, Mangosaft, Aprikosensaft, Multivitaminsaft, Karottensaft, Maracujasaft, Traubensaft, Wasser mit oder ohne Kohlensäure, Milch mit oder ohne Kakaopulver. Jeder Stoff war mir recht. Schließlich war ich ganz unten angekommen: Ich trank Malzbier, am hellichten Tag, in aller Öffentlichkeit.

Den Ausstieg aus dem Ausstieg habe ich dennoch geschafft, ich bekam zum Glück Hilfe: von der Stadt Istanbul. Ich war dort im Urlaub, der Abend war lau, der türkische Raki war eisgekühlt und roch lecker, und die Idee, alte Gewohnheiten einfach abzulegen, schien mir auf einmal eine Überlegung wert zu sein – nach drei oder vier Gläsern Raki leuchtete sie mir dann vollkommen ein. Mittlerweile werde ich nur noch selten rückfällig und ertappe mich dann dabei, tagelang keinen Schluck Alkohol getrunken zu haben. In diesen Fällen hilft nur der schnelle Griff in den Kühlschrank, wo immer eine Flasche Martini auf Vorrat liegt. Und auf meinem Schreibtisch im Büro steht eine Flasche Pflaumenlikör – sicher ist sicher.
http://jungle-world.com/artikel/2011/22/43297.html (Archiv-Version vom 12.08.2011)
Am Anfang war das Nein. Ein Nein zum Alkohol. Ein Nein zur Zigarette. Ein Nein zum Joint, den Pillen und den Pilzen. Vor genau 30 Jahren stieg der Punkrocker und notorische Nein-Sager Ian MacKaye (siehe Interview Seite 5) auf die Bühne und brüllte den Geburtsschrei der drogenfreien Hardcorepunks: »I’ve got the straight edge!« Ein Punkrocksong gegen Drogen. »I don’t smoke, don’t drink, don’t fuck – at least I can fucking think«, legte er später im Song »Out of Step« nach und formulierte damit den Kodex einer Szene. Ein kürzlich erschienenes Büchlein aus dem Unrast-Verlag, »Straight Edge – Geschichte und ­Politik einer Bewegung«, gibt einen kurzen, aber auch für Außenstehende verständlichen Überblick über die Entwicklung dieser Szene und ihrer zum Teil höchst obskuren Auswüchse. Der Autor Gabriel Kuhn hat die Chronologie der Bewegung aufgezeichnet und untersucht ihren politischen Gehalt.

Bemerkenswert ist, dass die Straight-Edge-Bewegung zu einem Zeitpunkt enstand, als Punkrock noch neu, gefährlich und wichtig war. Ronald Reagan war Präsident der USA und rief den »War on Drugs« aus, seine Frau Nancy versuchte mit der Kampagne »Just Say No« die Kinder von Dealern fernhalten. Christliche Fundamentalisten hetzten gegen Abtreibung, Promiskuität und Homosexualität. Ausgerechnet in dieser Zeit entstand eine Szene, die durch ihr gemeinsames Interesse an lauter, schneller Punkmusik und den Verzicht auf Drogen zusammengehalten wurde.

Im Buch »Sober Living for the Revolution« erklärt Ian MacKaye: »In den siebziger Jahren machten sich meine MitschülerInnen und FreundInnen darüber lustig, dass ich keinen Alkohol trank. Als ich in die Punk-Szene eintauchte, war es genau dasselbe.« Zu dem berühmten Song schreibt er: »Die Textstelle ›don’t fuck‹ führte zu den schwerwiegendsten Missverständnissen. Bei ›don’t drink‹ denken alle an Alkohol. Aber bei ›dont’t fuck‹ denken alle: ›Kein Sex‹ (…) Es war doch klar, dass es um Missbrauch, Manipulation und Eroberung ging, also um die Instrumenta­lisierung von Sex, die auf Befindlichkeiten von Menschen keine Rücksicht nimmt.«

Die Hardcoremusik vermittelte ein Lebensgefühl, mit viel Wut und Aggression – aber ohne die ­nihilistische »No Future«-Attitüde der Punks. Zur Selbstinszenierung der Punks gehörte die symbolische Zurschaustellung der eigenen Beschädigungen durch die gesellschaftlichen Verhältnisse. Entsprechend stylten sich die Punks in abgerissenen Klamotten. Die optische Selbststigmatisierung als gesellschaftlicher Außenseiter und Karriereverweigerer wurde durch extensiven Drogenkonsum ergänzt. Dem ästhetischen Ausstieg aus der bürgerlichen Normierung folgte der mentale. Der Weigerung zu funktionieren folgte die Unfähigkeit zu funktionieren. »No Future« wurde zum persönlichen Lebenskonzept echter Punks.

Hardcore entwickelte sich als Protestbewegung innerhalb einer Protestbewegung. Kernelement war dabei die Beschwörung der ominösen »positiven Werte«, die dem negativen, selbstzerstörerischen Punk gegenübergestellt wurden. So fand eine Rückbesinnung auf traditionelle, männlich konnotierte Tugenden wie Härte, Durchsetzungsfähigkeit und Disziplin statt. Den Grundprinzipien eines Männerbundes folgend wurde es in der Straight-Edge-Szene karg, asketisch und zölibatär.

Zum wichtigsten Thema wurde die Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe und dem Lebensstil. Der »edgebreak«, der Bruch mit der Abstinenz, wurde als Schwäche und Verrat begriffen. In ritualisierter Form besangen zahllose Bands auf ­ihren Konzerten die »unity« und die »positive mental attitude«. Gleichzeitig hetzten sie gegen die »edgebreaker« und die »sellouts«, die der Szene den Rücken gekehrt haben. Doch wuchs bei vielen gelangweilt von der eigenen Nabelschau das Bedürfnis, sich verstärkt mit gesellschaftlichen Problemen zu beschäftigen. Bedeutete Straight Edge zunächst vor allem die individuelle Entscheidung, keine Drogen zu nehmen, entwickelte sich im Laufe der Jahre der Anspruch, eine Bewegung zu sein, die einen umfassenden Lebensentwurf bietet. Da das bloße Bekenntnis zur Abstinenz diesem Anspruch nicht gerecht wurde, versuchten Anfang der neunziger Jahre verschiedene Fraktionen dieses ideologische Vakuum zu füllen.

Eine dieser Fraktionen war der Krishnacore, der zeitweise recht erfolgreich in der Szene war. Krishnacore orientierte sich an der ebenfalls drogenfreien und vegetarischen hinduistischen Hare-Krishna-Bewegung. Weniger erfolgreich als die Hare-Krishnas waren diverse christliche Jugendliche, die versuchten, durch Straight Edge irgendwie cool, hart und rebellisch zu wirken, gleichzeitig die sittlichen Gebote der Kirche zu erfüllen und so nicht Gefahr zu laufen, die Eltern oder die Gemeinde zu verärgern.

Den größten Erfolg bei der Neubestimmung der Szene konnte der Vegan Straight Edge Hardcore in den neunziger Jahren verbuchen. Veganismus wurde als logische Erweiterung der sozialen Prinzipien des Straight Edge begriffen. Dabei gelang es einigen sich anarchistisch gerierenden, tatsächlich aber reaktionären Gruppen, sich in der Hardcore-Szene zu verankern. Neben dem biozentristischen Netzwerk »Earth First!« konnte sich die tiefenökologische Hardline-Bewegung in der Szene etablieren. Im »Hardline Manifesto« heißt es: »Die Zeit ist gekommen für eine Ideologie und für eine Bewegung, die physisch und moralisch stark genug sind, um gegen die Kräfte des Bösen zu kämpfen, die die Welt und all ihre Lebensformen zerstören. Wir sprechen von einer Bewegung, die nicht korrumpiert oder durch Versuchungen von ihren Ziel abgelenkt werden kann, von einer Bewegung, die von allen Lastern, die Geist und Körper schwächen, frei ist (…) die rein und rechtschaffen ist und keine Widersprüche oder Inkonsistenzen kennt.« Das Hardline-Netzwerk sah sich als moralische Avantgarde der Menschheit und nahm bis zu seiner Auflösung immer sektenhaftere Züge an.

Das Image der Straight-Edge-Szene leidet heute aber nicht mehr unter elitären Ökofaschisten, sondern vor allem unter russischen Nazis. Die betreiben seit einigen Jahren eine explizit faschis­tische Adaption des Straight Edge im Rahmen des »National Socialist Hardcore« (NSHC). Am 4. November 2008 marschierten hunderte vermummte Nazis als »NS Straight Edge Block« durch Moskau. Auf ihren Transparenten stand »Nein zu Drogen! Nein zur Zuwanderung!«, »Straight Edge, halte dein Blut rein!«

Im Gegensatz dazu versuchen linke Straight Edger, eine antifaschistische, emanzipatorische und drogenfreie Alltagskultur ohne repressive Momente zu entwickeln. Drogenfreiheit wird als individueller und symbolischer Akt des Widerstands begriffen, als Ausdruck des Unwillens, »äußeren Kräften zu erlauben, dein Leben zu kontrollieren«, wie es im »Antifa-Straight-Edge-Manifest« von 2001 voller Pathos heißt. Und das gelte »nicht nur für Drogen, sondern auch für Konzerne, PolitikerInnen, Bullen, deine Eltern – was auch immer sich in den Weg eines selbstbestimmten Lebens stellt. Es ist ein Ausdruck dafür, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen.« Selbstbestimmung, das klingt sympathisch, suggeriert aber, dass der Rausch kein selbstgewählter Zustand sei. Rausch und Selbstbestimmung sind keine Gegensätze. Die Entscheidung, drogenfrei zu leben, ist, anders als beim Veganismus, eine rein persönliche Geschmacksfrage und keine politische Entscheidung.
http://jungle-world.com/artikel/2011/22/43298.html (Archiv-Version vom 11.08.2011)


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:54
Hi

trinke auch keinen alk , rauche nicht , esse kein Fleisch und habe auch kein sex.

oh man jetzt muss ich mich auch tätowieren lassen ^^


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 14:56
@Fabs

So sieht's aus. Keine Frage, auf sich zu achten ist kein Verbrechen, nur waren es halt meine Erfahrungen mit den Straight Edge'lern. 2 Jahre Straight Edge, ein ganzes Leben ein arrogantes narzisstisches Arschloch.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

02.09.2011 um 18:30
@Hesher
Aber ich glaube nicht, dass das auf alle zutrifft. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber "Anders" zu sein als den Rest ist bestimmt nicht so einfach. Weil man einen doch immer oder meistens schief anstarrt, wenn man mal nicht trinken oder rauchen will.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

03.09.2011 um 20:32
@liaewen

Nein, natürlich trifft das nicht auf alle zu, ist ja nur meine Erfahrung, weißt du, weil es steht ja jedem frei sei Leben selbst zu gestalten ;)


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Paka ehemaliges Mitglied

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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

03.09.2011 um 20:49
Wenn manche misanthrop werden, hat das sicher gute Gründe, die ich sehr gut nachvollziehen kann.


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Straight Edge "Die härtesten Weicheier der Welt"

03.09.2011 um 23:31
Sex und Fleisch sind wichtig fürn körper. Und der rest sind die besten genussmittel, quälerei in meinen augen^^


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