Sascha81 schrieb am 31.05.2025:Könnte es sein, das im Kopf bestimmte Abschnitte eines Lebens z.B. bis zum Tod durchegegangen werden? Wenn ich schlafe und das Gehirn ist gerade beim Bild mit gelben BVB Logo, das ich einen bestimmten Traum erwische, von dem man am Tag nichts mitbekommt.
Das kann ich nur in meiner Sprache beantworten. Ich halte es für denkbar, dass das träumende Bewusstsein sich unter Umständen in mehrdimensionaler Zeit bewegt. Vertraute Eindrücke können die ungefähre Richtung festlegen, aber man treibt trotzdem durch das Multiversum und das meiste, was man erlebt, hat keinen über Assoziationen hinausgehenden Bezug zum irdischen Leben.
(Hier habe ich allerdings einen Bias: Ich wehre mich mit aller Kraft gegen Einblicke in die Zukunft. Ich will nicht wissen, was passiert, und wenn ein Traum prophetischen Charakter annimmt, versuche ich alles, um ihn zu vergessen oder wenigstens wegzudeuten.)
Sascha81 schrieb am 31.05.2025:Wenn man im Schlaf die Stelle erwischen würde, wo das Gehirn ins nächste Gefühl übergeht, das man im Traum kurz vor dem Tod ist, aber man von dem Tod nichts mitbekommt und es einfach ins nächste übergeht.
Für einen Menschen ist die Wirklichkeit das, was er wahrnimmt, indem er sein Gehirn benutzt. Das Gehirn filtert und interpretiert alles, was ist.
Ein immaterielles Leben, ein Leben ohne Gehirn, ist für einen Menschen unvorstellbar. Alles, was auf unseren kreatürlichen Trieben basiert, wäre komplett hinfällig. Alles andere, da der gewohnte Filter nicht greift, völlig fremd.
Wenn wir den Tod des Körpers überleben, dann dürfte das am ehesten mit einem Schauspieler vergleichbar sein, der sich die ganze Zeit mit seiner Rolle identifiziert hat und nun von einem Moment auf den anderen wieder zum Schauspieler wird. Alles, was dir etwas bedeutet hat, ist Theater, ist Fassade, ist Quatsch. Du bist ein völlig anderer, dein Horizont viel weiter, deine Person so viel realer. Deine Geliebten und deine Todfeinde wachen neben dir auf und ihr lacht euch über die Dramen kaputt, die ihr veranstaltet habt.
Alle Moral, selbst die höchste, wird zum Regelwerk, das nur während der Simulation galt.
In meinen stärksten Träumen nehme ich das so ähnlich war: Mein irdisches Leben fällt wie ein lästiger Traum von mir ab. Ich bin noch ich, aber eine völlig andere Person. Geprägt durch das hier Erlebte, aber nicht mehr abhängig davon.
Alles ist in gewisser Hinsicht dunkler, blasser, unwirklicher - wie die Unterwelt der Griechen -, aber auch freundlicher, leichter, und vor allem feiner, flüssiger, lebendiger. Die materielle Realität ist, wie Gurdjeff angeblich sagte, das spirituelle Äquivalent Nordsibiriens; starr und hart und leer. Wir sind hier eingefroren und empfangen in unseren Träumen Ahnungen von Wärme.
Wir wissen aber nicht, wie viel von diesen Ahnungen Erinnerung und wie viel Einbildung ist, denn auch die Traumwahrnehmung erfolgt über das Gehirn. Noch im Sterben werden wir nicht sicher wissen, ob es wirklich wärmer wird oder wir nur fantasieren. Erst nach dem Tod wird Klarheit herrschen - und die nehmen wir entweder nicht mehr wahr, weil wir komplett erloschen sind, oder wir scheren uns nicht darum, weil wir weitergehen. So oder so wird dieses Leben keine Bedeutung mehr haben.
Daher halte ich es für überflüssig, im Traum nach dem Tod zu suchen. Das Traum-Ich ist dermaßen unsterblich, dass es Spaß machen kann, im Traum getötet zu werden. Aber für uns, für den Menschen, ist das nichts weiter als eine nette Fantasie, die theoretisch wahr sein könnte, aber nicht einmal empirisch beweisbar ist.