Gesellschaft
29.09.2010 um 15:08Gesellschaft (4) Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich, an einem kalten Wintertage, recht nahe zusammen, um, durch die gegenseitige Wärme, sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfniß der Erwärmung sie wieder näher zusammen brachte, wiederholte sich jenes zweite Uebel; so daß sie zwischen beiden Leiden hin und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung von einander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten. — So treibt das Bedürfniß der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zu einander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder von einander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammenseyn bestehn kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! [Wahren Sie den Abstand!] — Vermöge derselben wird zwar das Bedürfniß gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden. — Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen. - (schop)
Gesellschaft (11) Sie gehen von den x zu den y, und die Dummheit, Gemeinheit, die miserable Situation der x liegt klar vor Augen. Die fabelhafte Einsicht der y flößt Ihnen Bewunderung ein, Sie schämen sich dessen, daß Sie etwas für die x übriggehabt haben. Aber kehren Sie wieder zu denen zurück, dann erleben Sie es, daß diese die y fast mit denselben Mitteln in Stücke reißen. Man geht von einem zum andern, man geht von einem Schlachtfeld zum andern. Nur hört der eine nie die Flintenschüsse des andern, daher glaubt er, er allein habe Waffen. Hat man einmal festgestellt, daß die Bewaffnung, die Stärke oder besser gesagt die Schwäche die gleiche ist, so hört man auf, den, der schießt, zu bewundern und den zu verachten, der aufs Korn genommen wird. Hier fängt wahre Weisheit an. Die wahre Weisheit würde freilich damit enden, mit beiden Parteien zu brechen. - Marcel Proust, Tage der Freuden. Frankfurt am Main 1965 (BS 164, zuerst 1896)
Johannes Hartlieb: Das puch aller verpoten Kunst, ungelaubens und der zaubrey. Hg. Chr. Rätsch, F. Eisermann, E. Graf. München 1998 (Diederichs, zuerst 1456) - (hart)
Gesellschaft (11) Sie gehen von den x zu den y, und die Dummheit, Gemeinheit, die miserable Situation der x liegt klar vor Augen. Die fabelhafte Einsicht der y flößt Ihnen Bewunderung ein, Sie schämen sich dessen, daß Sie etwas für die x übriggehabt haben. Aber kehren Sie wieder zu denen zurück, dann erleben Sie es, daß diese die y fast mit denselben Mitteln in Stücke reißen. Man geht von einem zum andern, man geht von einem Schlachtfeld zum andern. Nur hört der eine nie die Flintenschüsse des andern, daher glaubt er, er allein habe Waffen. Hat man einmal festgestellt, daß die Bewaffnung, die Stärke oder besser gesagt die Schwäche die gleiche ist, so hört man auf, den, der schießt, zu bewundern und den zu verachten, der aufs Korn genommen wird. Hier fängt wahre Weisheit an. Die wahre Weisheit würde freilich damit enden, mit beiden Parteien zu brechen. - Marcel Proust, Tage der Freuden. Frankfurt am Main 1965 (BS 164, zuerst 1896)
Johannes Hartlieb: Das puch aller verpoten Kunst, ungelaubens und der zaubrey. Hg. Chr. Rätsch, F. Eisermann, E. Graf. München 1998 (Diederichs, zuerst 1456) - (hart)