Ein Schauer der Euphorie breitete sich in Vaiths Körper aus. Die neue Macht durchströmte ihn und versetzte ihn in einen unvergleichbaren Rauschzustand. Er lachte wie ein Irrer auf, während das Feuer um ihn herum durch die Gegend geschleudert wurde. Sah auf den ersten Blick so aus, dass er mitten in ein Zeltlager der Menschen geplatzt war. Seine Herrin hatte ihn an die Oberfläche geschickt um erste Erfahrungen mit seinen neuen Kräften zu sammeln. In einem Ort voller Menschen war das aber wohl kaum der Fall. Doch da sah er durch den von ihm erzeugten Asche- und Sandregen mehrere Gestalten ganz in der Nähe stehend, einander scheinbar mit Schwertern zugewandt. Vielleicht war er hier doch gar nicht so falsch.

Als der Staub sich endlich legte, erkannte er erst die zwei größeren Personen genauer. Der Eine hatte eine verschmutzte Uniform an und besaß Flügel, allerdings – es waren schwarze Flügel! Ein mutierter Dämon also. Der Andere – Vaith traute seinen Augen kaum – war Achel! Ausgerechnet jetzt und hier traf er auf den von ihm gehassten Bruder!

Die anderen zwei Personen würdigte er bloß eines flüchtigen Blickes. Da standen also noch eine Frau - offensichtlich eine ebenfalls mutierte Dämonin - und ein weiterer Engel. Es entging Vaith im ersten Moment aber, wer der zweite Engel war. Erst als sie die plötzliche Störung registriert hatten, ging der Engel scheinbar schwer geschockt zittrig auf Vaith zu. „B-Bist du es, Bruder? Vaith? Wir hielten dich schon für tot“, stotterte Achis hervor. Nun war auch Vaith im Stande gewesen, ihn zu erkennen. Er lachte innerlich auf, das wurde ja immer besser für ihn. Jetzt sollte er sich an zwei starken Engeln beweisen können.

„Ja, ich bin es. Zugleich bin ich es aber auch nicht. Es ist wahr, dass ich Vaith bin. Ein Bruder bin ich für euch Engel aber nicht mehr länger“, sagte er und richtete sein erhobenes Schwert Richtung Achis. Dieser stockte kurz und fragte irritiert nach: „A-Aber wovon sprichst du da? Wieso solltest du nicht mehr unser Bruder sein?“ Ehe Vaith jedoch antworten konnte, übernahm Achel das für ihn: „Sieh ihn dir doch mal genau an, Achis. Seine Aura ist durchtränkt von abartiger Dämonenmagie! Er hat seinen Arm wieder – und ich kann mir schon denken, woher er ihn hat. Ich habe ja schon immer geahnt, dass du es nicht weit bringen wirst – aber dich zu solch einer Schande herunter zu begeben. Du bist tiefer gesunken, als ich es je erwartet habe.“

Müde lächelte Vaith ihm entgegen. Er sollte ruhig reden. Diese Macht in Vaith war unbeschreiblich. Dagegen, da war er sich sicher, konnten seine ehemaligen Brüder nichts ausrichten. Seine Klingen gierten danach sich ins Fleisch der Engel zu bohren, den Unterschied zwischen ihnen klar zu stellen. Achis schien noch immer nicht ganz verstanden zu haben, denn er kam Vaith dennoch immer näher. „Achis, sag mir eins. Bist du so begriffsstutzig, oder willst du unbedingt als Erster hier sterben?“, fragte Vaith provokant. Da blieb Achis stehen und nach einem kurzen Augenblick des Überlegens sprach er: „Ich fasse es nicht. Du bist wirklich übergelaufen. Dann tut es mir zwar leid, aber es ist meine heilige Pflicht dich nun niederzustrecken!“ Mit diesen Worten erhob er sein Schwert und machte Anstalten auf Vaith loszulaufen. Dieser aber schwang in atemberaubender Geschwindigkeit sein linkes Schwert durch die Luft und plötzlich – ohne auch nur mit der Klinge in Kontakt gekommen zu sein – fiel Achis in der Schräge gespaltener Schädel zu Boden und der Rest seines Körper folgte ihm wie ein nasser Sack zusammenfallend. Die Vaith unbekannte Frau und der Mann zogen scharf die Luft ein. Achel dagegen blieb ruhig, er legte lediglich einen noch ernsteren Gesichtsausdruck als sowieso auf. „Das war ein dämonischer Zauber, nicht wahr? Du hast die Luft mit Magie so messerscharf wie die Klinge eines Schwertes werden lassen. Jetzt, bist du wirklich nicht mehr als ein Dämon im Körper eines Engels. Es wird Zeit, dich zu vernichten“, drohte ihm Achel.

Vaith aber grinste vollkommen irre und spornte ihn an: „Na, komm her! Ich warte nur darauf, mit dir die Klingen zu kreuzen!“
Schon stürmte Achel auf ihn los, während ihre zwei Zuschauer völlig verwirrt da standen und die Situation überhaupt nicht zu verstehen schienen. Der erste Schlag Achels kam direkt von oben auf ihn zu und es war ein leichtes, mit einem einzigen Schritt zur Seite auszuweichen. Allerdings war Achel nicht dumm, er wechselte das Schwert in die andere Hand, ehe er auf dem Boden aufschlug und drehte die Klinge waagerecht zu Vaith. Dessen linkes Schwert verhinderte jedoch spielend einfach einen Treffer, der normal sehr nahe am Herzen gelandet wäre. Schnell sprang Achel, nach dem missglückten Angriff, ein großes Stück zurück. So verschaffte er sich mehr Platz. „Komm schon, Achel. Du willst mir doch nicht sagen, das sei alles. Etwas mehr erwarte ich schon von einem zukünftigen Erzengel!“, forderte Vaith ihn heraus. Achel hingegen verlor augenscheinlich seine selbstsichere Ruhe. Sein Blick bekam einen nervösen Zug. Sein Gegner war für ihn zu unberechenbar für eine gut durchdachte Strategie. Als Vaith das bemerkte, gackerte er wild los und breitete seine Flügel zu einem Tiefflug aus.

Achel versuchte noch, eine angemessene Abwehrhaltung zu finden – doch da passierte es schon: Vaith flog bereits vor ihm her und schlitzte ihm mit beiden Schwertern die Brust auf. Wie in einer Zeitlupe spritzte Achels Blut aus der Brust und von den Klingen in hohem Bogen ringsherum auf den Boden. Für einen Augenblick sah es aus, als sei Achels Körper zu einem stummen Aufschrei - von der Wucht der Hiebe etwas vom Boden hochgehoben worden - unter der geschockten Miene des Engels in der Luft hängend erstarrt. Schließlich fiel er hart zu Boden.

Vaiths Voraussage hatte sich bestens erfüllt. Mit seiner neuen Macht war er viel, viel stärker als je zuvor. Gerne hätte er länger mit Achel gespielt, doch seine Wut auf dessen vorherigen Herabwürdigungen saß zu tief um Vaiths Zorn zu bändigen. Er trat gerade näher, um dem noch leicht röchelndem Achel den Todesstoß zu geben – da hörte er sie: „Gut gemacht, mein Lieber!“ Überrascht schaute Vaith zu dem Loch, dass bei seiner Ankunft entstanden war und aus dem jetzt, die ihm vertraute Stimme kam. Da krabbelte seine Herrin auch schon heraus. „Das war wirklich gute Arbeit! Gleich zwei von den Mistkerlen auf einmal, wirklich gut!“, lobte sie ihn. Er wusste nicht recht, was er darauf groß antworten sollte. Das musste er allerdings auch nicht, denn sie wechselte abrupt das Thema: „Oh, was sehe ich denn da! Zwei Artgenossen. Wollen wir uns doch mal mit ihnen unterhalten.“ Kaum angesprochen, forderte sie ihn auf, ihr zu den beiden zu folgen. So ließ er etwas unfreiwillig den schwer verletzten Achel auf dem Boden liegen. Hoffend, dass er lange genug am Leben blieb, um ihn selbst noch zu töten und ging mit seiner Herrin zu den beiden Fremden.