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Das Landleben sei eine "Idiotie", zeterte unlängst ein semi-bekannter österreichischer Videoblogger (den Henryk M. Broder einmal bezeichnenderweise als ein "vulgärmarxistisches Spatzenhirn" bezeichnet hat), um eine wütende Fundamentalkritik der ruralen Realität folgen zu lassen, in der er diese mit einer reaktionären Blut-und-Boden-Mentalität (Nazi-Innuendo natürlich gewollt) gleichsetzte und die Stadt im Gegensatz zu dieser vermeintlich inferioren Daseinsart als Hort des Fortschritts anzupreisen.

Nun bin ich selbst ein Bub vom Lande, und dementsprechend erbost über die Tirade jenes Onlinepamphletisten, der sich in seiner Rolle als Speerspitze des städtischen juste milieusichtlich gefällt. Eine "Idiotie" soll die ländliche Lebenswelt und die ihr zugrunde liegende gesellschaftliche Struktur sein? Reaktionär gar? Quasi-nazistisch?

Die verbalen Exzesse, zu denen jener Herr sich hinreißen ließ, disqualifizieren sich natürlich schon ob ihrer aus ideologischer Verblendung erwachsenden Obsession, hinter jedem Element des täglichen Lebens und jeder sozialen Konvention ein politisches Statement erkennen zu müssen, selbst. Zwar ist der ländliche Raum tatsächlich ein Hort des kulturellen Konservatismus, doch ist Festhalten an liebgewonnenen Traditionen noch kein Ausdruck irgendeiner Weltanschauung. Wenn ich zum Maibaumfest ins Bierzelt gehe, treffe ich dort stramm Konservative, Liberale wie mich und gestandene Sozis gleichermaßen. Darüber hinaus nehme ich an, dass ein Gros der Menschen, die sich am Lande niedergelassen haben, dies schon alleine deshalb taten, weil ihnen die völlig unpolitische Ästhetik der dortigen Natur, vielleicht auch als Gegensatz zur städtischen Wohnblock-Tristesse, zusagte. Etikettierungen wie "reaktionär" sind deshalb völlig fehl am Platze.

Des weiteren, um ein zwar profanes, aber wichtiges Faktum zu betonen, ist die agrarische Güterproduktion des Landes das Lebensblut der Städte. Damit die grünlinken Bobos in ihrem Innenstadtloft ihr Bio-Grünzeug knabbern können, muss der fürchterlich "reaktionäre" Bauer zunächst im Schweiße seines Angesichts den Acker bestellen. "Blut und Boden"-Mentalität ist das nur insofern, - ganz frei von der Nazi-Konnotation, die diesem Begriff durch die propagandistische Instrumentalisierung des ländlichen Raumes durch das NS-Regime anhaftet - als dass es für diese Tätigkeit einer gehörigen Portion Herzblut bedarf, damit der Boden auch fruchtbar bleibt.

Womit die städtische Oberschicht nur kokettiert - nämlich naturnahes Leben und nachhaltiger Umgang mit der Umwelt -, lebt der ach so hinterwäldlerische Landmann tagtäglich, ohne deswegen in pompöses ideologisches Selbstlob zu verfallen. Die von Großstadt-Gutmenschen postulierte Solidarität, die sie im Endeffekt ohnehin nur durch staatlichen Zwang ohne eigene karitative Anstrengung anderen aufbürden wollen, wird am Lande ganz selbstverständlich täglich praktiziert. Im Gegensatz zu den verbohrten Kulturmarxisten, die sich in ihrer Zweizimmerwohnung im Neubauviertel verbarrikadieren und dort qualitativ zweifelhafte Videoblogs fabrizieren, weiß man am Lande hart zu arbeiten und dabei Bescheidenheit zu bewahren. Als Belohnung erhält man dafür das Privileg, in einer Gegend zu leben, die frei von der Megalomanie der städtischen Weltverbesserer und ihrer elitistischen Selbsterhöhung eine gleichsam intakte Sozialstruktur als auch Natur besitzt.

Das Landleben ist letztendlich eine kulturelle Präferenz, die nicht jedem zusagen muss. Sie von der vermeintlich hohen Warte des urbanen Teilzeitphilosophen als Idiotie abzukanzeln und ihre Liebhaber mit wüsten ideologischen Verleumdungen zu bedenken, wie es der eingangs genannte Internet-Wüterich tut, ist allerdings ein Ausdruck wohlstandsübersättigter Stupidität, die Gott sei Dank auch unter eingefleischten Stadtmenschen nicht mehrheitsfähig ist, da auch diese das Land als Erholungsraum und Kontrapunkt zu ihrem alltäglichen Lebensumfeld schätzen.