Youtube: DVdEN - GG Kapitel 16: Des Teufels Geschenk
DVdEN - GG Kapitel 16: Des Teufels Geschenk
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Für einen Moment herrschte Stille, nur unterbrochen vom Knistern des Lagerfeuers. Der Anführer dieser Anlage hatte Aphila gerade eröffnet, dass sie sich mitten an einem Sammelpunkt ehemaliger Feinde befand – da fand Rufus die kurze Verschnaufpause für sie nachvollziehbar. Er dagegen, freute sich wie ein kleines Kind über diese Situation. Diese „Menschen“ waren zwar in Wahrheit Engel – dennoch fühlte er sich unglaublich sicher hier. Einige Gesichter kamen ihm sogar auf eine seltsame Weise bekannt vor, obwohl das nicht sein konnte. Nie zuvor hatte er mit diesen Leuten zu tun gehabt.

Tatsächlich war Rufus vom schlimmsten ausgegangen, als er mitsamt Aphila in die Tiefe stürzte. Er hatte sich darauf eingestellt, dass sie nachdem sie aufgeschlagen und schutzlos da lagen von den nächstbesten Dämonen zerfleischt würden. Dies entpuppte sich jedoch, als komplette Fehleinschätzung. Stattdessen waren sie von diesen freundlichen Leuten gefunden, die diese Falle speziell für Dämonen ausgelegt hatten. Ihr Anführer ließ die ohnmächtige Aphila und ihn ins „Dorf“ – wenn man es so nennen konnte – bringen und erklärte Rufus, dass sie beiden ihren Schutz bieten würden.

Zwar kam es auch ihm komisch vor, weshalb sie Aphila mit eindeutig dämonischen Kräften akzeptierten - wenn auch mit Vorsichtsmaßnahmen bezüglich Ankettens – das war Rufus aber herzlich egal, solange beide damit sicher waren. Während Aphila in ihrem bewusstlosen Zustand so gut es ging versorgt wurde, konnte Rufus das erste Mal seit dem Anfang dieses Albtraums endlich einmal aufatmen. Sich mit frischem Wasser zu säubern, Etwas anderes als Brot essen zu können und ohne Angst die Nacht durchzuschlafen – es war das Paradies.

Auch er hörte jetzt zum ersten Mal, was diese Menschen in Wahrheit waren. Stören tat ihn das nicht - lieber Engel in Menschengestalt, als Dämonen in Engelsgestalt.

„Wieso weißt du das alles, wenn Gott euch die Erinnerungen nahm?“, hörte man es leise von Aphila. Trotz ihres Bluttrunks war sie noch nicht wieder bei Kräften und der Schock, einem Engel gegenüber zu sitzen, durfte da kaum förderlich gewesen sein. Der Mann sprach: „Da kommen wir zum entscheidenden Fehler des neuen Systems. Gott hat zum erneuten Mal nicht mit der List seines alten Feindes gerechnet. Nachdem Gott uns in diese fleischliche Hülle gebannt und auf uns alleingestellt hatte, widmete er sich anderen Dingen. Wir verstreuten uns über die zerstörte Welt, desorientiert, schwach und hilflos.

Ohne zu wissen, wer wir waren oder über die Gefahren bewusst zu sein, die im Dunkel nur darauf warteten, uns in die Tiefe zu reißen. In dieser hoffnungslosen Lage begegnete ich einem Mann. Völlig unpassend zu dem Geschehen auf Erden, trug er einen edlen Anzug und führte einen mit Edelsteinen bespickten Gehstock mit sich. Er sprach mich an: „Kind des Lichts, willst du wirklich die Bürde des Verlierers auf deinen Schultern tragen? Für deinen Herren Qualen leiden, wo er dich nur benutzte und wegschmiss, als du deine Pflicht erfüllt hattest?“ Natürlich war mir überhaupt nicht klar, wovon er sprach und war auch sonst nicht mehr sehr aufnahmefähig. Dies sah der Fremde und setzte fort: „So, ich verstehe – dir armes Wesen wurde selbst dein Gedächtnis genommen. Das können wir ändern.“ Im nächsten Moment entblößte er seinen linken Arm und biss sich selbst mit erstaunlich spitzen Eckzähnen eine blutige Wunde. Anschließend drückte er mir – der völlig verstört von dem Anblick war – diese Wunden an den Mund und befahl mir, zu trinken. In dem Moment, als der erste Tropfen des Blutes meine Lippen benetzten, erkannte ich den Teufel in meinem Gegenüber wieder.“

Dieses Mal, verschlug es Rufus genau wie Aphila die Sprache. Sogleich war jedes Gefühl von Sicherheit aus Rufus Leib entschwunden. Ein ehemaliger Engel, der das Blut des Teufels getrunken hatte! Das ließ nicht gerade das Vertrauen in Rufus aufkeimen. Mit großen Augen, rang Aphila krampfhaft nach Luft: „Du, du hast des Teufels Blut getrunken – und dann?“ Erwartungsvoll blickte Rufus auf den Mann. In seinem Hinterkopf spielten sich ungefragt Szenarien ab, wie der Mann sich ohne Vorwarnung in einen grauenhaften Dämon verwandelte und sie verschlang oder sie zu Sklaven und seiner persönlichen Blutzapfanlange machte – aber das war kaum realistisch, dafür war die bisherige Behandlung zu angenehm gewesen.

Mit einem Schmunzeln kam die Antwort: „Ich erinnerte mich. Das Blut ließ mich wieder wissen, wer ich einst war. Jedoch gab er mir nur so viel zu trinken, dass ich wieder von mir und der Verbannung meiner Geschwister und mir Bescheid wusste. Danach verabschiedete er sich von mir. Doch ehe er verschwand, übergab er mir etwas.“ Bedeutungsvoll, legte er eine Pause ein. „Was war es?“, fragte Rufus ungeduldig. „Ich werde es euch zeigen – kommt!“, entgegnete der Mann und stand auf. Argwohn blitzte in Aphilas Augen auf, Rufus konnte es ihr nicht verdenken. Die Erkenntnis, dass auch hier das Böse seine Finger im Spiel hatte, ließ seine vorherige Entspanntheit wie eine Blase zerplatzen.

Sie folgten ihm auf dem inzwischen von Fackeln beleuchteten Weg, da die Sonne den Tag verabschiedet und der Nacht Platz gemacht hatte. Der Anführer ging voran, in Richtung einer der wenigen Steinhöhlen.
Aphila und Rufus liefen nebeneinander und mit einem kleinen Abstand zu ihm hinterher. Es war offenkundig, dass die Geschichte sie verunsicherte. Als sie schließlich in die angesteuerte Höhle eintraten, fiel eine Art Altar an der hinteren Wand sofort ins Auge. Dort lag auf einem Podest eine Schriftrolle. Das spärliche Licht der Fackeln rechts und links an der Wand, führte zu einer gespenstischen Atmosphäre. Plötzlich hörte Rufus seine Begleiterin neben sich erstickt auf keuchen. Erschrocken sah er sie an. Ihre Augen verloren ihren Glanz und es wirkte, als verfalle sie in Trance. Ihr Blick war ganz auf die Schriftrolle gerichtet.

Gerade, als sie auf den Podest zugehen wollte, stellte sich der Mann ihr entgegen: „Stopp! Diese Räumlichkeit ist davor gesichert, dass jedwede dämonischen Kräfte der Schriftrolle zu nahe kommen.“ Er flüsterte Aphila etwas für Rufus unverständliches ins Ohr und plötzlich schien sie wieder bei Verstand zu sein. „Die Schriftrolle zieht Engel wie Dämonen gleichermaßen in ihren Bann. Nur die Elite kann sich ihrem Ruf entziehen. Ich habe gerade mein Blut, das du zuvor getrunken hast, in dir aktiviert. Solange du etwas davon im Kreislauf hast, wird dich die Schriftrolle nicht mehr in den Bann ziehen. Entschuldige, dass ich dich habe zuerst ohne diesen Schutz laufen lassen, aber ich wollte deine Kräfte richtig einschätzen können. Anscheinend bist du aber nicht in der Lage, dich alleine vor der Anziehungskraft zu bewahren“, erklärte er. Von Minute zu Minute wuchs Rufus Unbehagen wieder an. Es sah so schön sicher aus und jetzt war ihr Retter wieder so eine zwielichtige Person.

„Was hat es mit dieser Schriftrolle auf sich?“, wollte Rufus wissen. Ein Lächeln spiegelte sich in den Gesichtszügen des Mannes wieder. „Sie ist der Schlüssel für die Auferstehung der einstigen Engel. Soweit ich des Teufels Worte richtig verstand, kann der Einsatz dieser Rolle verwendet werden, um die Versiegelung der alten Engel aufzusprengen“, erklärte er. Rufus Gefühl war zweigeteilt; Es war eine riesige Chance, dem dämonischen Treiben entgegenzusetzen – andererseits war dies nicht der erste Versuch, ihn zu täuschen. Es gab keine Gewissheit, dass die Geschichte nicht erlogen war und etwas Anderes dahinter steckte. Fragend, schaute er Aphila an. Auch sie wirkte nachdenklich. „Wenn das so ist, warum seid ihr alle noch in Menschengestalt? Gibt es Probleme dabei, den Schlüssel zu benutzen?“, fragte Aphila in skeptischem Unterton. Ein Seufzer entfuhr dem Mann: „Ja, das stimmt. Um den Schlüssel zu benutzen, muss ein Ritual durchgeführt werden – und die Voraussetzungen dafür, waren bisher nicht gegeben.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen verschränkte sie die Arme: „Die da wären?“

Etwas leuchtete in den Augen des Mannes auf, als er antwortete: „Das Blut eines Dämonen in Engelsgewand!“