Satantango Laszlo Krasznahorkai

Ein sehr kryptischer und hermetischer Roman des ungarischen Avantgardeschriftstellers Krasznahorkai aus dem Jahre 1985, der im Komitat Békés ganz im Südosten Ungarns angesiedelt ist.

In einer ganz kleinen Ansiedlung sind alle Bewohner gänzlich aus jeder produktiven Tätigkeit ausgeschlossen, ihre Lebensumgebung zerfällt, eine staatliche Ordnung scheint nicht mehr zu existieren bzw. nur kafkaesk unerreichbar zu existieren.

Ihre einzige Hoffnung ist ein umherziehender charismatischer und als Messias gefeierter Hochstapler namens Irimiás, der allen, nachdem er ihnen ihre Ersparnisse abgeluchst hat, schließlich Anstellungen in Kleinstfamilienbetrieben verschafft, für die sie jedoch mit tragbarem Hab und Gut ihre Ansiedlung verlassen müssen.

Die Lebensperspektive der Bewohner ist total verzerrt. Während die Alten und Gebrechlichen auf Irimiás und ein neues, glückliches Leben hoffen, haben Kinder keine Hoffnung auf Zukunft, dargestellt am Mädchen namens Esti: vor ihrem Unfalltod ertränkt sie während eines autistischen Anfalls ihre Katze.

Wer dieser Irimiás ist, wird nie entschlüsselt. Er scheint die Alten für ein eigenes Unternehmen nutzen zu wollen. Was dieses ist, bleibt verborgen. Es gibt einerseits Kontakt zu einem Waffenhändler, andererseits schreibt er über die Menschen, die er "gerettet" hat, beleidigendste Berichte an eine nicht spezifizierte Behörde, die mich an kommunistische Denunzierungen bei der Geheimpolizei erinnern.

Die düstere und sehr eigentümliche Stimmung wird nicht nur durch einen Dauerregen unterstrichen, sondern auch durch paranormale Phänomene: die Leute hören Kirchenglocken, obwohl der Glockenturm eingestürzt und verfallen ist, Irimiás und seine zwei Begleiter hören himmlische Orgeln und sehen Esti aus ihrem Sarg in den Himmel aufsteigen.

Gerahmt ist der Roman mit der Sicht auf den adipösen und schwer trinkenden Dorfarzt, der am Ende - alleine in der Ansiedlung - von einem gnomischen alten Mann zu einer Glocke im verfallenen Turm geführt wird.

Da die deutsche Übersetzung leider vergriffen und für mich unauffindbar ist und das Original für mich sprachlich zu anspruchsvoll ist (ich kann zwar Ungarisch, aber so ein Text geht über meine Kenntnisse weit hinaus), habe ich die englische Übersetzung herangezogen, die von der Kritik sehr positiv aufgenommen wurde.

Dieser Text, der meines Erachtens in der Tradition von Franz Kafka und David Lynch steht, wurde von dem großartigen ungarischen Regisseur Béla Tarr verfilmt. Dieser Film steht noch auf meiner "Muss ich sehen"-Liste. Tarr hat ein Sieben-Stunden-Epos aus diesem Roman gestaltet.

Wikipedia: László Krasznahorkai
http://www.zeit.de/kultur/literatur/2015-05/l-szl-krasnahorkai-booker-prize-wuerdigung
https://www.theguardian.com/books/2012/aug/24/laszlo-krasznahorkai-interview
https://www.theguardian.com/books/2012/may/09/satantango-laszlo-krasznahorkai-review
http://www.nytimes.com/2012/03/18/books/review/laszlo-krasznahorkais-satantango.html