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2012 erschienene und von seinem Sohn Eugen posthum herausgegebene Erinnerungen Wolfang Ruges über seine Zeit in der Sowjetunion von 1933 bis 1956.

Wolfgang Ruge stammte aus einer Berliner kommunistischen Familie und floh mit seinem Bruder Walter als Sechzehnjähriger in die Sowjetunion, um der Nazi-Diktatur zu entkommen.

Bereits in seiner Moskauer Zeit war er mit schwierigen Lebensbedingungen und Verfolgungen des Stalin-Terrors konfrontiert, und nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion wurden alle Deutschstämmigen bzw. Deutschen östlich des Urals deportiert, Männer wurden in die "mobile Arbeitsarmee" rekrutiert.

Mobile Arbeitsarmee bedeutete Arbeitslager, für Ruge ein nordsibirisches Forstlager mit einer Essensration von 600 Gramm Brot und einer Wassersuppe am Tag. Die katastrophalen Bedingungen sind sehr eindringlich geschildert.

Das Ende des Krieges bedeutete aber nicht das Ende der Zwangsarbeit, die Deutschstämmigen und Deutschen blieben weiterhin innerhalb des Lagerverbands und waren keine freie Menschen, auch wenn das Lager in einem Ortsverband (Soswa) stationiert war. Zumindest gelang es Ruge in der Zeit bis 1948 ein Fernstudium für Geschichte in Swerdlowsk (heute: Jekaterinburg) abzulegen.

Denn 1948 entschied Moskau, unterzeichnet von Molotow, dass alle verbannten Minderheiten (darunter Deutschstämmige) in "ewiger Verbannung" leben müssen und ihren Verbannungsort nicht weiter als in einem Umkreis von sieben Kilometern verlassen dürfen. Auch Familienzusammenführungen wurden unterbunden: Väter, Mütter, Ehefrauen lebten oft ganz woanders und unterlagen, wenn sie einer der betroffenen Nationalitäten angehörten, ebenso dem Bannkreis-Dekret.

Aufgelockert wurde diese Bestimmung erst mit dem Tod Stalins, sodass schließlich ein Kontakt mit seiner Mutter und seinem Bruder hergestellt werden konnte, und 1956 wurde ihm, seiner russischen Frau und ihrem gemeinsamen Sohn die Ausreise in die DDR gestattet.

Dort arbeitete Ruge als Historiker an der Akademie der Wissenschaften über die Weimarer Republik und schrieb parallel an einer Familiengeschichte.

Die ersten zwei Kapitel dieses Buches wurden in den 1980er Jahren verfasst, die letzten beiden ab 1998. Ruge setzt sich nicht nur mit seiner unfassbar schweren Zeit auseinander, sondern auch mit seiner seit Kindestagen politischen Überzeugung.

Sehr deutlich wird er, als er das 1948er-Dekret, das alle verbannten Minderheiten der Sowjetunion betraf, als Genozid bezeichnet, da Familienverbände auseinandergerissen würden und eine Russifizierung stattfände.

Ein wichtiges Buch, das zwischen den Lagerberichten Solschenyzins und der Abrechnung des Kaderkommunisten Wolfgang Leonhard steht und als Zeitzeugenbericht von großem Wert ist.

Sein Sohn Eugen Ruge hat das Manuskript redigiert, offensichtliche Fehler korrigiert, ein Glossar und ein Personenverzeichnis angelegt.

Infolinks im Spoiler

Der Autor:
Wikipedia: Wolfgang Ruge

Verlagsinfo:
https://www.rowohlt.de/autor/wolfgang-ruge.html

Leseprobe:
https://books.google.at/books?id=3HhsAgAAQBAJ&hl=de&source=gbs_book_other_versions

Rezensionen:
http://www.deutschlandfunk.de/verarbeitung-eines-traumas.1310.de.html?dram:article_id=194555
http://oe1.orf.at/artikel/301894
http://literaturkritik.de/id/16724
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/gefangen-in-einem-gelobten-land
http://www.deutschlandfunkkultur.de/trauma-in-sibirien.950.de.html?dram:article_id=140917
https://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article13826455/Aufbewahren-bis-in-alle-Zeit.html
https://www.nzz.ch/menschenfreundlicher-marxist-1.16601662
http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Erinnerungen-an-die-Stalin-Zeit;art936,413848
http://www.focus.de/kultur/buecher/literatur-wolfgang-ruges-erinnerungen-an-die-stalin-zeit_aid_707563.html