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Dies ist die erste Novelle Meyers, welche er unter dem Eindruck des zeitgenössischen Kulturkampfes in der Schweiz, durch den staatlicherseits der Einfluss der katholischen Kirche zurückgedrängt werden sollte, verfasst hat. Historische Studien bildeten die Grundlage dieses Textes, welcher in den Massenmorden an den Hugenotten während der Bartholomäusnacht in Paris 1588 kulminierte.

Obwohl Meyer durch eine doppelte Rahmung eine extrem neutrale Erzählhaltung einnimmt und jegliche Kommentare vermeidet, ist alleine durch die Handlung die vermittelte Ansicht leicht zu dechifrieren: Katholiken und Calvinisten sollen tolerant und in Freundschaft miteinander leben können.

Interessant ist der 1873 veröffentlichte Text durch die Gestaltung uns modern bzw. sogar wieder aktuell anmutender Phänomene:

- die Macht von Hetzpredigern bei der Anstachelung von Hass
- die Leichtigkeit, eine von Hass getriebene Masse zu einem mordenden Mob umzufunktionieren


Die Handlung ist schnell erzählt.

Der Berner Hans Schadau (Calvinist) reist nach Paris, um an Seite eines calvinistischen Admirals an einem Feldzug gegen Herzog von Alba in den Spanischen Niederlanden teilzunehmen, bei dem das katholische und hugenottische Frankreich Schulter an Schulter kämpfen soll. Die Hugenotten standen unter dem Schutz eines Toleranzedikts und durften ihre Religion frei ausüben.

Auf der Reise befreundet sich Schadau mit Wilhelm Boccard, einem Fryburger Katholiken (praktisch einem Schweizer Nachbarn). In Paris wird Schadau im Kreis der Hugenotten freundlich aufgenommen, wird Schreiber des Admirals und heiratet schließlich dessen Nichte.

Erste Schleier legen sich über Schadau, als er im Duell einen französischen ersticht. Ihn selbst rettet ein Marien-Amulett, das sein Freund Boccard ihm heimlich in die Westentasche gesteckt hat. Dieser "Hugenottenmord" macht in Paris seine Runde und wird auch von einem bekannten katholischen Hetzprediger aufgenommen. Die Stimmung wird schlecht, da auch am Königshof durch Intrigen gegen die Hugenotten Stimmung gemacht wird und Karl IX. schließlich den Massenmord in Auftrag gibt.

Boccard kann Schadau in der Bartholomäusnacht durch Schutzhaft bei den Schweizergarden des Louvre vor dem Tod bewahren und als Gardisten gekleidet retten sie dessen Frau. Dabei wird Boccard jedoch erschossen. Schadau und seine Frau können in die Schweiz fliehen.

Der Text online:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/das-amulett-1883/1
http://www.zeno.org/Literatur/M/Meyer,+Conrad+Ferdinand/Erzählungen/Das+Amulett