savage-night

Ein Noir, der einerseits mit extremer Brutalität ausartet, andererseits weit über die bisher von mir bei Thompson gelesene Komplexität hinausgeht.

Der ehemalige Wett-Hai Jake Winroy lebt mit seiner Frau Fay in einem kleinen Ort auf Long Island und wartet - aus der Untersuchungshaft entlassen - auf seinen Prozess. Um ein Einkommen zu haben, vermieten sie Zimmer an College-Studenten. Der Boss des Wett-Rings (The Man) befürchtet, dass Winroy im Prozess gegen ihn aussagt, setzt den Auftragsmörder Charles Bigger auf ihn an, der sich als Carl Bigelow einmietet.

Typisch Thompson: Bigelow (zwar von kleiner Gestalt, aber ein Frauenheld) beginnt eine Affäre mit Fay (beide beginnen nun den Mord gemeinsam zu planen), aber auch eine mit der Haushälterin Ruth.

Doch dann beginnt die Planung zu zerbröckeln: der Sheriff des Orts beginnt die Identität Bigelows zu erahnen, Jake will zurück ins Untersuchungsgefängnis, The Man wird nervös, ein Mordanschlag misslingt.

Bigelow befürchtet, dass The Man nun ihn selbst beseitigen will. Er zieht mit Ruth in ein abgelegenes Haus in Kanada, das ein an Krebs sterbender Mitbewohner bei den Winroys ihm anbietet, aber dort wird er im Keller von Ruth mit der Axt stückweise ermordet.



Ganz besonders auffällig ist, dass die Noir-Matrix immer wieder Risse aufweist:

Ruth stammt aus einer armen Familie mit 14 Kindern und hat einen Geburtsfehler: ihr linkes Bein ist stark verkürzt (nur etwa bis zum Knie des rechten reichend - wie sie in Kanada trainiert, in den Keller zu kommen, ist beklemmend zu lesen).

Bigger stammt aus einer Bergarbeiterfamilie (auch 14 Kinder), und es wird mehrfach geschildert, wie Bergarbeiter Anfang der 30er Jahre aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit gezwungen wurden, unter lebensgefährlichen Verhältnissen zu niedrigsten Löhnen zu arbeiten. Die Gewerkschaften hatten nichts zu sagen, die industrielle Reservearmee an Arbeitslosen war riesig.

Exzessive Polizeigewalt wird thematisiert (eigentlich schräg, wenn seine Protagonisten enthemmte Sozio- und Psychopathen sind). Als der Sheriff nur aufgrund von Vermutungen Bigger verhaften will, schlägt er ihn bewusstlos, sodass der Amtsarzt eine Dienstbeschwerde in Erwägung zieht.


Einen interessanten Artikel über Thompson, sein Werk sowie dessen Rezeption habe ich hier gefunden:
https://www.neh.gov/humanities/2009/novemberdecember/feature/soul-writer