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Im April 1945 beschloß in Stargard in Mecklenburg ein Papierhändler, seine Frau, seine vierzehn­jährige Tochter und sich selbst zu erschießen. Er hatte durch Kunden von Hitlers Hochzeit und Selbstmord gehört.
So beginnt diese beklemmende Kurzgeschichte von Heiner Müller aus dem Jahr 1956. Frau und Tochter willigen ein, sie gehen aus dem Ort weg, der Papierhändler erschießt Tochter und Frau, wirft seinen Revolver weg und begibt sich als Flüchtling nach Westen.

So endet die Kurzgeschichte:
Er warf den Revolver in den Straßengraben und stand auf. Im Gehen fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, das Eiserne Kreuz wegzuwerfen. Er tat es.
Von Müller habe ich bis jetzt noch nie Prosa gelesen, aber diese Kurzgeschichte raubt den Atem. Ich kenne Michael Hanekes praktisch unerträglichen Film Der siebte Kontinent, in dem eine Familie sich mit Tabletten vergiftet, aber diese Thematik auf so kleinem Raum zu komprimieren und auf das Minimalistischte zu beschränken, ohne an Tiefe zu verlieren ... verstörend.

Hier ist der Text online:
http://www.zeiler.me/das-eiserne-kreuz (Archiv-Version vom 31.01.2019)