Physiker schaffen erstmals Licht, das sich wie exotische Elementarteilchen verhält

Die Physiker versuchen seit langem zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Zwei Nachwuchswissenschaftlern und ihren Mentoren, Theoretische Physiker und experimentelle Quantenoptiker, ist es jüngst gelungen, das Verhalten von Licht so zu verändern, dass sich die Lichtteilchen wie Elementarteilchen verhalten und miteinander wechselwirken.

Materie besteht aus elementaren Bausteinen und dem, was diese zusammenhält: die Wechselwirkungsteilchen. In großen Beschleunigeranlagen mit mehreren Kilometern Durchmesser werden Teilchen auf so enorm hohe Energien beschleunigt, wie sie nur im Innern der Sonne dauerhaft herrschen, und schließlich zum Zusammenstoß gebracht. Dabei zeigen sich neuen Teilchen für Bruchteile einer Sekunde. Im CERN in Genf, der sogenannten Weltmaschine, ist es gelungen, die Existenz vermuteter Elementarteilchen und deren Wechselwirkungsteilchen nachzuweisen. Das Verhalten der Teilchen, die nur extrem kurze Zeit existieren, lässt sich kaum untersuchen. Schon lange haben Physiker versucht, Ähnlichkeiten im Verhalten von Atomen zu nutzen, um den Geheimnissen der instabilen Wechselwirkungsteilchen, der Z- und W-Bosonen, auf die Spur zu kommen, ein kniffliges Verfahren mit ebenfalls experimentell hohem Aufwand im Vakuum.

Den Rostocker Physikern ging nun buchstäblich ein Licht auf, als Professor Stefan Scheel, Institutsdirektor der Physik an der Universität Rostock, seinen Doktoranden Lucas Teuber mit der Aufgabe betraute, einmal zu berechnen, ob sich das exotische Verhalten der Wechselwirkungsteilchen nicht auch mit Licht nachbilden ließe. „Licht ist leicht verfügbar. Als Laserlicht ist es schon über ein halbes Jahrhundert als Werkzeug zum Scheiden, Bohren, Messen oder für Augenlaseroperationen im Gebrauch“, beschreibt Lucas Teuber die Vorteile von Licht. Der 27-jährige Nachwuchswissenschaftler kam 2011 aus Bokel (Niedersachsen) nach Rostock. Er bezeichnet es als Glücksfall, dass in Rostock nicht nur eine starke theoretische Physikabteilung beheimatet ist, sondern dass man auch Tür an Tür mit der experimentellen Physik zusammenarbeitet. Der Kontakt zu den experimentellen Quantenoptikern um Professor Alexander Szameit war schnell hergestellt.

Essentiell für die erfolgreiche Zusammenarbeit war das gute gegenseitige Verständnis der beiden Fachgebiete von Theorie und Experiment. Man spricht quasi „eine Sprache“ oder wie Szameit es ausdrückt: „Die experimentelle Gruppe und die Theoretiker benutzen bei uns dieselbe Kaffeemaschine.“ Im 27-jährigen Mark Kremer aus Leer (Ostfriesland), der seit dem Abschluss seines Physikstudiums in Jena nun Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Szameit ist, fand Lucas Teuber einen gleichgesinnten Partner.

Zwar besagten die von Lucas Teuber gefundenen Berechnungen, dass sich Licht dazu zwingen ließe tatsächlich miteinander wechselzuwirken. Das musste aber experimentell noch umgesetzt werden. Dazu hat Mark Kremer in enger Zusammenarbeit mit Lucas Teuber integrierte Wellenleiterstrukturen designt und entsprechend den theoretischen Berechnungen in einen Glaschip gebannt. So richtig funktioniert habe das aber erst, nachdem unter der Federführung von Lucas Teuber im Wechselspiel von Theorie und Experiment neue mathematische Werkzeuge gefunden wurden, womit sich die komplexe Wellenleitergeometrie direkt optimieren ließe.

Was macht nun aber das Licht? Professor Szameit ist begeistert: „Es wirkt aufeinander ein. Das macht Licht gewöhnlich nicht. Zwei Scheinwerferstrahlen, die sich treffen, gehen einfach durcheinander durch. Sie sehen sich nicht. Ganz anders das Licht, das Lucas und Mark im Labor aufeinandertreffen lassen. Das verhält sich wie W- oder Z-Bosonen. Das sind Wechselwirkungsteilchen, die zum Beispiel für die Radioaktivität verantwortlich sind und bei deren Aufeinandertreffen alles mögliche passiert.“

Die neue Entdeckung, die soeben mit einer Veröffentlichung in der neuen Open Access Zeitschrift Physical Review Research der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft (APS) belohnt worden ist, hat gleich zwei Vorteile. Zum einen ließe sich damit, so Professor Scheel, das Verhalten der elementaren Teilchen der Materie und deren Kräfte in Ruhe ganz gefahrlos bei ganz gewöhnlichen Laborbedingungen studieren, zum anderen sei ein Werkzeug gefunden, womit Licht zu beliebigem Verhalten gebracht werden könne. Und das, so ergänzt sein Kollege Alexander Szameit, erlaube es eine ganz andere Klasse an logischen Grundschaltelementen des Quantencomputers zu designen, nämlich mit Licht. Eben dazu sei es erforderlich, dass das Licht aufeinander einwirken könne. „Das ist zwar noch nicht der Quantencomputer selbst, aber ein ganz neuer Weg dahin. Die Grundlagen sind geschaffen, nun müssen die Ingenieure den Licht-Quanten-Computer nur noch bauen“, meint Szameit ganz optimistisch und schmunzelt.

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