Einst lebten zwei Samurai-Meister in verschiedenen Provinzen.
Der Eine wies seine Schüler streng zurecht und jeder, der in seine Lehre treten wollte, musste eine harte Aufnahmeprüfung bestehen.
Oft kam es vor, dass er einen schwächeren seiner Schüler aus der Lehre verwies.

Der andere Meister nahm hingegen jeden in seine Lehre auf. Er nahm sich Zeit für die Schwächeren und kümmerte sich fürsorglich um jeden, der bei ihm Hilfe suchte.

Nach zehn Jahren trafen sich die beiden. Da Fragte der strengere Meister:
„Sag mir, mein Freund, wie sollen aus deinen Schülern wehrfähige Männer werden, wenn du sie nicht sorgfältig auswählst und streng unterweist? Sollen sie nicht später für den Erhalt des Friedens in deiner Provinz sorgen?“
Der andere Meister schwieg daraufhin und so trennten sich ihre Wege wieder.

Viele Jahre vergingen und in dem Dorf des freundlichen Meisters waren die Menschen höflich. Man achtete sich und alle lebten in friedlichem Miteinander zusammen.
In der Provinz des strengen Meisters jedoch herrschte seit einiger Zeit Zwietracht unter den Bewohnern. Misstrauen und Eifersucht hatten sich breit gemacht und so kam es dort gelegentlich zu gewaltsamen Ausschreitungen.

Als sich die zwei Meister eines Abends erneut trafen, berichteten sie von ihren Erfahrungen. Da klagte der Strenge:
„Es ist zum Verzweifeln! Ich unterweise all meine Schüler mit Härte und Disziplin, damit sie den Frieden wahren. Aber die Stimmung im Dorf wird immer aggressiver. Dabei habe ich doch die Besten für diese Aufgabe ausgebildet.
Sage mir, wie hast du es geschafft, mit deiner nachlässigen Lehrmethode den Frieden zu wahren?“

Der andere Meister lächelte besonnen und antwortete:
„Was du im Keim säst, das vermehrt sich und wird Früchte tragen.
Wie möchtest du Frieden in deiner Provinz ernten, wenn du bereits bei der Auswahl deiner Schüler Konkurrenz und Eifersucht säst?“


Da wurden die Augen des strengen Meisters weit.
„Aber was, mein Freund, was soll ich nun ändern?“, fragte er daraufhin mit großer Neugier.
Nach einem Moment der Stille setzte der freundliche Meister an:
„Tadle nicht den Schwachen für seine Schwäche, sondern den Starken für seine Überheblichkeit.“



gez. Al_Nabu