Pressler

Pressler veröffentlichte 2009 eine Romanadaption von Lessings Nathan der Weise, mit dem sie das Thema einer gegenwärtigen Jugend näherbringen wollte. Die Konzeption ist überschaubar: Jede Figur erzählt aus der Ich-Perspektive, wobei nicht klar ist, wem überhaupt erzählt werden soll. Fast jedes Kapitel beginnt wie ein Steckbrief wie zum Beispiel "Ich, Daja, Erzieherin und Gesellschafterin Rechas". Die meisten Kapitel sind einfach hölzern und bringen einem die Figuren nicht näher.

Und dann wird auch noch aus Dürrenmatts Physiker gestohlen: "Worte, die einmal ausgesprochen sind, lassen sich nicht mehr zurücknehmen." Bei Dürrenmatt heißt es: "Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden." Genauso wird Martin Luther Kings Anapher "Ich habe einen Traum ..." aus seiner berühmten Rede vor dem Lincoln Memorial in Washington von 1963 abgekupfert.

Lessings Drama bohrt mit dem Finger in Wunden, die Ringparabel mit den drei falschen Ringen ist ein Affront gegen den Islam und fordert Toleranz in der Gesellschaft, ohne auf den Einzelmenschen einzugehen, der kann Gut, Böse oder irgendwas dazwischen sein. Pressler fordert die Toleranz des Einzelmenschen und kommt süßlich daher, auch wenn es das Böse gibt: Nathan wird auf der Straße erstochen, der Patriarch ist ein unsympathischer Mensch, mit dem erfundenen General Abu Hassan gibt es einen Fundamentalisten, der eher der Al Qaeda nachgebildet ist.

Das Ende franst sich aus, es sind - anders als bei Lessing - nicht alle verwandt, wie es weitergeht, weiß keiner. Der Roman bricht einfach ab. Der Text scheint, was ich so bei Google-Suchen sehe, recht beliebt zu sein, ich halte ihn für eine in den Sand gesetzte Adaption.