heine-wintermaerchen

Heines Versepos aus dem Jahr 1844, das er anlässlich einer realen Kutschenfahrt durch den Westen Deutschlands verfasste, habe ich zum ersten Mal gelesen. Das erste Caput mit dem Harfenmädchen, welches den darbenden Menschen das Eiapopeia vom Himmel singt, während ihnen Heine ein Diesseits mit Zuckererbsen als Ziel vor Augen hält, kannte ich, doch habe ich noch nie weitergelesen. Eigentlich ein Fehler.

Ganz selten gelingt es in der Literatur Ernstes mit Witzigem zu verbinden, und Heine versteht es auch, die beliebte Märchen- und Sagenwelt in seine Kritik an den Verhältnissen im Deutschen Bund einzubauen. Der traumhafte Disput mit Kaiser Barbarossa ist köstlich, wie er ihn lobt als Einiger, Barbarossa aber dennoch im Kyffhäuser bleiben solle, da die Zukunft republikanisch sei.

Neben sozialen Aspekten, Heine ist Frühsozialist, finden auch Fragen nach der Nation Platz. Heine ist glühender Europäer, er schätzt die Franzosen, verehrt sogar Napoleon und geht auf dessen Beisetzung im Invalidendom 1840 ein, liebt aber sein deutsches Vaterland, besonders den Rhein, und preist die Westfalen als liebenswertes Volk. So ist seine Reise, in der er immer wieder die Zensur beklagt, aber seinen Verleger Campe besingt, auch eine sentimentale, dass sie im Winter stattfindet ein Symbol für die Kälte des Metternich'schen Systems des Deutschen Bundes, den er aber auch am Militarismus Preußens festnagelt.

Dabei ist Heine auch altes Mitglied von schlagenden Burschenschaften, die er jedoch immer mehr von nationalistischen Altdeutschen dominiert sieht, welche deren freiheitsliebende, republikanische, tolerante Ausrichtung ins Gegenteil verkehren. Auch ist Heine überzeugt von der historischen Tat Arminius', der im Teutoburger Wald die Legionen des Varus schlug. Nur durch sie wurde Germanien nicht römisch, konnte sich die deutsche Sprache wie Kultur erhalten. Er spendet für die Errichtung des Hermann-Denkmals bei Detmold.

Das Epos endet in Hamburg, bei seiner Mutter und bei Jugenderinnerungen. Die Hamburger Stadtgöttin Hammonia zeigt ihm während eines erotischen Stelldicheins die Zukunft Deutschlands. Sie ist im Nachtstuhl von Karl dem Großen und stinkt fürchterlich. Dem deutschen Zukunftsgestank kann nur entronnen werden, wenn die Jugend das alte Geschlecht zum Teufel jagt und der König von Preußen in den tiefsten Höllenkreis Dantes verbannt wird, dem er nicht mehr entkommen kann.

Das alles in vierzeiligen Strophen im Kreuzreim sowie regelmäßiger Metrik. Sowas muss man mal schaffen, dass dabei nichts Langweiliges, sondern Weltliteratur rauskommt. Chapeau!