Auerbach-Hoehe

Auf der Höhe ist der Erstlingsroman des schwäbischen Schriftstellers Berthold Auerbach aus dem Jahr 1865 (Auerbach war immerhin schon 53 Jahr alt), und er zeichnet in acht Bänden und gut 1000 Seiten in einer fiktiven Welt das Bild untergehender Gesellschaftsschichten: des Adels und der kleinbäuerlichen Wirtschaft, während - ohne es je zu thematisieren - eine neue Welt wie Risse in der Matrix auftaucht: An den Wegen werden Telegrafenverbindungen errichtet, welche die Kommunikation beschleunigen, und in der Residenzstadt des Königs bietet eine chemische Fabrik neue Karrieremöglichkeiten für junge Menschen aus bürgerlichen Familien (die Arbeiterschaft wird komplett ausgespart). Auch wird der hohe Anteil der in die USA Exilierenden angesprochen.

Der Roman spielt an zwei Orten: am Königshof (Residenzstadt und Sommerburg) und in einer alpinen dörflichen Umgebung. Im Zentrum stehen zwei Frauen: die Tagelöhnertochter und Kleinbäurin Walpurga sowie die Gräfin Irmgard (Irma) von Wildenort, die zunächst Kammerfrau der Königin ist. Die arme Kleinbäurin Walpurga ist frisch verheiratet und gebärt einen Sohn, als sie vom Hof ausgewählt wird, ein Jahr als Amme für den neu geborenen Königssohn zu fungieren. Sie nimmt an. Das Honorar: eine Kuh. Am Hof wird sie durch ihre ungelenke, aber herzliche und offene Art sehr geschätzt, und besonders freundet sie sich Irma an, die ihr schließlich (wie in einem Märchen!) so viel Goldstücke schenkt, dass sie sich mit ihrem Mann einen Freihof außerhalb des Dorfes kaufen kann und damit Freiheit.

Irma ist eng befreundet mit dem König (mit dem skurrilen Namen Kurt, wie überhaupt fast alle Figuren mit Vornamen genannt werden) und als ihr Vater bei Abgeordnetenwahlen für die republikanische Partei kandidiert, halten ihm bei einer Wahlversammlung die Vertreter der königlichen Partei in einer Schmutzkübelkampagne ein illegitimes Verhältnis seiner Tochter mit dem König vor. Graf Wildenort stirbt an einem Schlaganfall, Irma verlässt den Hof, stürzt vom Pferd, zieht an den Hof von Walpurga und täuscht ihren Tod vor. Dort lebt sie als etwas wunderliche Holzschnitzerin, deren Werke in der Stadt sehr begehrt sind. Am Ende erkrankt sie schwer, das Geheimnis wird gelüftet und das Königspaar besucht die Sterbende.

Geprägt ist der Roman von langen, zum Teil philosophischen Dialogen, mit denen es Auerbach gelingt, die Personen wie auch ihr Denken und die Lebenswelt samt ihren Sagen und Mythen näherzubringen. Meisterlich ist Band Sieben, in dem anhand von Irmas Tagebuchaufzeichnungen ihre ersten vier Jahre am alpinen Hof reflektiert werden. Formal sind dies kürzeste, oft aphoristische Einträge.

Ich habe diesen langen Roman wirklich gerne gelesen, nur das Ende mit der Versöhnung scheint etwas unstimmig zu sein. Auerbach wollte anscheinend das Werk nicht mit Brüchen enden, während im gesamten Werk zuvor die adelige Welt oft ätzend und auch als bösartig charakterisiert worden ist, deren Handeln Menschen nicht adeligen Standes in den Ruin, die Verzweiflung, die Menschenverachtung, das Verbrechen, den Tod treiben kann. Beispiel ist die Familie der alten, im Wald lebenden Zenza (ein Sohn wird zum Wilderer und Mörder, ihre Tochter zur Femme Fatal: Sie wird als 15-Jährige von Bruno von Wildenort, dem Bruder Irmas, geschwängert und ihrem Schicksal überlassen - das Kind wurde tot geboren).

Ein Werk, das seine Stellung in der Literaturgeschichte durchaus berechtigt verdient, auch wenn Auerbach wohl nur mehr zu den sehr wenig gelesenen Schriftstellern gehört.