Coronomics

Daniel Stelter ist Ökonom und war über 20 Jahre Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Seit 2013 ist er selbständiger Publizist und betreibt auch einen Blog (Archiv-Version vom 20.07.2021). Dieses Buch, das im April 2020 veröffentlicht wurde, ist durchaus kein Schnellschuss, sondern Stelter analysiert mit der anbrechenden exogenen Corona-Krise die Wirtschaftssituation Deutschlands, der Eurozone und der EU. Für ihn ist durch diese Krise ein Katalysator gegeben, der die europäische Wirtschaft in Reformen treiben muss.

Stelter sieht die Wirtschaft nach der Krise von 2009 nicht bereinigt, sondern beobachtet in Europa eine Stagnation, die auf zwei Faktoren zurückzuführen sei. Durch die Niedrigzinspolitik sei es für Unternehmen lukrativer, mit Fremdkapital zu spekulieren als zu investieren, was jedoch sehr risikobehaftet sei und für die Gesamtwirtschaft nachteilig. Zu dieser Nichtbereitschaft für Investitionen geselle sich der Staat mit seiner Austeritätspolitik, der Sparen höher bewerte als Investitionen. Dieser Mix führe zu einem Verfall der privaten wie der öffentlichen Infrastruktur. In Deutschland käme erschwerend hinzu, dass durch den künstlich niedrig gehaltenen Euro der Export gefördert würde, was jedoch zu einer verstärkten Schieflage führe und die Abhängigkeit von internationalen Entwicklungen erhöhe.

Die Corona-Krise mit den Shutdowns sollte zu einem Umdenken führen, dass die auf Schulden und Krediten basierende Spekulation von Privaten und dem Staat beendet werde. Stelter tritt für eine Monetarisierung der Schulden in der EU ein, was bedeutet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem hohen Prozentsatz Staatsanleihen aufkaufen solle, um die Staatsschulden zumindest in der Eurozone zu reduzieren. Ihm schwebt ein Satz von 75 Prozent vor. Der Gefahr einer Inflation hält er entgegen, dass dies mehrfach in der Geschichte erfolgreich ohne Inflation umgesetzt worden wäre, so in Japan zwischen 1931 bis 1937, was mich wegen des imperialistischen Kriegs gegen China doch etwas irritiert. Aber Stelter hält ökonomisch die Coronakrise für vergleichbar mit einem Kriegsszenario, bei dem zwar keine immobilen Werte zerstört würden, aber durch die Shutdowns so viele Unternehmen betroffen seien wie in keinem Krieg.

Der zweite Ansatz müsse in die Richtung gehen, dass sowohl Private und auch der Staat nicht mehr mit billigem Fremdgeld hebeln, sondern dass wieder investiert werde. Ohne Investitionen hätte Europa keine Chance im internationalen Wettbewerb.

Insgesamt ein sehr interessantes Sachbuch mit vielen Daten und Fakten, auch wenn mir manche Passagen widersprüchlich erscheinen, so der Wunsch, dass die EU mehr zusammenbarbeiten solle (die Koordination mit Medizingütern im Frühjahr 2020 sei eine Katastrophe), aber den Einzelstaaten via Subsidiarität mehr Freiheiten gegeben werden soll. Hmmmm ... Da wird Stelter fast populistisch wirr, wo er doch den Populismus ablehnt.