Cognetti-Acht Berge

Dieser 2016 veröffentlichte Roman hat vor sechs Jahren eingeschlagen, mich aber nicht sonderlich überzeugt. Er ist dem Genre Autofiktion zuzuorden, der Autor schreibt durch eine fiktive Person (Pietro) eigentlich über sich selbst und arbeitet sich letztlich an seinem Vater ab.

Pietros Familie fährt zu seiner Kindheit in den Achtzigerjahren jeden Sommer von Mailand in die Provinz Aostatal, wo sie im Tal der Lys südlich des Bergmassivs des Monte Rosa ein Haus angemietet haben. Pietro freundet sich mit einem einheimischen Jungen namens Bruno an, mit dem er in die Berge streunt. Sein Vater ist Chemiker in Mailand, stammt aus dem Veneto und schleppt seinen Sohn regelmäßig ins Gletschergebiet, um ihn von seiner Höhenkrankheit zu heilen.

Sprung: Pietro studiert an der Filmakademie in Turin und spezialisiert sich auf Dokumentarfilme. Nach dem Tod seines Vaters Anfang der Nullerjahre zieht es ihn immer wieder ins Lystal, wo sein Vater ihm auf etwa 2000 Meter Höhe ein Grundstück mit einem verfallenen Haus vermacht hat, das an einer Felswand errichtet ist. Mit Bruno, der Maurer ist, renoviert er das Haus, Bruno übernimmt seine Freundin Lara und baut mit ihr einen auf Käse spezialisierten Bergbauernhof auf einem Grundstück seines verstorbenen Onkels auf. Dieses Unternehmen geht pleite, Lara zieht mit ihrer gemeinsamen Tochter zurück zu ihrer Mutter, Bruno sucht Unterschlupf im Haus von Pietro, der viel Zeit in Nepal verbringt, und ist im strengen Winter 2014 verschollen. So endet der Roman.

Die Beschreibungen der Bergwelt am Fuß des Monte-Rosa-Massivs sind durchaus beeindruckend, die Charaktere jedoch sehr blass. Selbst das Ich von Pietro (eigentlich Cognetti selbst) lebt nur aus Beschreibungen. Er arbeitet sich an seinen Eltern, vor allem dem Vater ab, bleibt aber auch selbst eine sehr blasse Figur, die keinerlei Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen kann. Selbst Bruno ist nur ein Gefährte am Berg, ein saufender Maurer, ein ihm gratis helfender Freund. Als Bruno ihn im Todeswinter nach der Trennung und dem Bankrott noch aus Nepal nach Italien holen kann, finden sie nicht zueinander. Sie essen, trinken und befreien Pietros Berghaus von Schnee, dann verschwindet Pietro wieder in Nepal, wo er von Brunos Tod erfährt.

Cognetti selbst war auch Dokumentarfilmer und hat sich in etwa 2000 Meter Höhe in einem westlich von der Geschichte liegenden Tal bei Brusson ein Haus renoviert. Dieser Roman hinterlässt den Eindruck eines Menschen, der nicht so richtig weiß, wo er hingehört, der sich nicht von seinem Vater befreien kann und selbst nicht fähig ist, eine Familie zu gründen. Fast ein Kafka-Schicksal, nur nicht so sprachgewaltig.