Wolf Haas - Junger Mann
31.07.2025 um 10:22
Auch schon wieder sieben Jahre her, dass Wolfgang Haas diesen Coming-of-Age-Roman, der in seiner Heimat in Hinterthal bei Maria Alm am Hochkönig (Pinzgau, Land Salzburg) angesetzt ist. Er spielt im Jahr 1974, die Hauptfigur ist 13, dick (180 cm und 93 Kilo), lernt in einem Internat, arbeitet in den Ferien immer als Tankwart, sein Vater ist Wirt, der trinkt und spielsüchtig ist, aktuell befindet er sich auf Entziehungskur in einer Nervenklinik. Das Ziel in den Sommerferien ist: abzunehmen. Seine Mutter unterstützt ihn mit einer Diät aus einer österreichischen Vorabendsendung. Haas drückt enorm auf die Tränendrüse und so manches erscheint heutzutage irreal, obwohl es vielleicht bezüglich Aufsichtspflicht vor 50 Jahren vielleicht etwas lockerer war.
Kern der Story ist, dass sich der "junge Mann" unsterblich in eine Elsa, der Frau des Fernfahrers Tscho, verliebt. Beide arbeiten als Hausbesorger in einer Millionärsvilla in Hinterthal (ist übrigens interessant, wer dort aller seine Zweitwohnsitze hatte und hat - Info im Raushier-Reisemagazin). Als vor dieser Villa dem "jungen Mann" ein Fahrradreifen platzt, kommen Elsa und er ins Gespräch, er wird ihr Englischlehrer und besucht sie des öfteren.
Als Tscho ihn auf der Tankstelle anspricht, fürchtet er schon ein Eifersuchtsdrama und bangt um sein Leben (natürlich ist er für Tscho keine Konkurrenz). Dieser lädt ihn auf eine Fahrt nach Saloniki ein (offiziell, um ihn dort am Zoll wegen englischsprachiger Papiere zu dolmetschen), die er mitmacht. Es beginnt eine fast klischeehafte Balkantour: kalorienreiches Essen, Puff bei Nis, Schmuggel (Tscho tauscht im Puff Strumpfhosen gegen eine Pistole mit Munition), einsame Bucht in Griechenland, Fischmarkt in Saloniki; Fracht: Kühlschränke von Bauknecht. Auch hat Tscho in Saloniki eine wunderschöne griechische Freundin (Antonia), sie haben eine gemeinsame Tochter und Tscho unterstützt sie.
Danach wird es rührselig: Auf der Rückfahrt gesteht Tscho, dass er Krebs hat und er sich nicht operieren lassen will, da er danach kein Mann mehr sei (klingt nach Hodenkrebs). Der "junge Mann" überzeugt ihn in einfühlsamen Gesprächen, weiterleben zu wollen und den bereits angesetzten Operationstermin wahrzunehmen, was Tscho dann auch tut (direkt vom Sattelschlepper rein ins Krankenhaus).
Und: Nach Rückkehr zeigt die Waage 78 Kilo - trotz Balkanessen.
Ausblick: Vier Jahre später sieht der nun 18-Jährige ein Foto von Tscho, Elsa, Antonia und deren Tochter in der Zeitung. Sie haben Hilfslieferungen in das von einem Erdbeben verwüstete Saloniki gebracht. Dieses Erdbeben gab es am 20. Juni 1978 wirklich - vulkane.net
Der Text ist flott und witzig geschrieben, aber ob es 1974 wirklich möglich war, als 13-Jähriger mit einem nicht verwandten Fernfahrer von Österreich über Jugoslawien und Bulgarien nach Griechenland zu fahren? Keine Ahnung.