Peter Härtling - Krücke
gestern um 16:09
1986 erschien dieser Roman über das Nachkriegsösterreich und Nachkriegsdeutschland von Peter Härtling. Protagonisten sind der 14-jährige Thomas Schramm aus Brünn und der 32-jährige Eberhard Wimmer aus Breslau. Letzterer war Offizier in der deutschen Wehrmacht und verlor an der Ostfront ein Bein.
Beide treffen sich im Nachkriegswien. Thomas hat im polnischen Kolin, als sie versucht haben, in den Westen zu kommen, am Bahnhof seine Mutter verloren und sucht in Wien seine Tante, deren Haus jedoch zerbombt ist. Niemand weiß, wo sie ist. Um sich nicht alleine durchschlagen zu müssen, schließt er sich Eberhard Wimmer an, der mit seinen Krücken durch Wien läuft und daher von allen "Krücke" genannt wird. Dieser ist zu Beginn sehr abweisend, aber mit der Zeit verbindet sie eine enge Freundschaft.
Mit Krücke lernen wir in Wien die Schiebereien und den Schwarzhandel kennen, worin Krücke involviert ist. Wie die Kontakte laufen, bleibt im Dunkel, außer dass auch ein sowjetischer Offizier daran beteiligt ist. Auch nicht ganz nachvollziehbar ist, wie eine jüdische Freundin namens Bronka aus Breslau, die nach Wien geflohen ist, da es dort leichter sei, vor den Nazis unterzutauchen, und die dorthin Beziehungen hat, zu einer Innenstadtwohnung in der Nähe des Stephansdoms gekommen ist. Auf jeden Fall wohnen Thomas und Krücke dort, bis sie sich einem Flüchtlingszug nach Deutschland anschließen, der mit seinen Güterwagen wochenlang durch die Gegend irrt, bis er Genehmigung hat, nach Deutschland weiterzufahren. Dass sich Krücke als Thomas' Onkel ausgeibt, geht bei Kontrollen durch alliierte Posten irgendwie durch.
Schließlich werden sie dem schwäbischen Ort Weißlingen zugewiesen, wo sie Unterkunft und Krücke eine Arbeitsstelle im Wohnungsamt finden. Auch die Suche nach Thomas' Mutter über das Internationale Kreuz ist erfolgreich. Sie lebt nun in München und holt ihn ab. Mit diesem Happy End schließt der Roman und wir erfahren, dass Bronka nach Palästina ausgewandert ist.
Eigentlich klingt es nach einer Reißbrettgeschichte, was sie wohl auch sein dürfte, auch ist so manches nicht nachvollziehbar (auch in Schwaben ist Krücke sofort wieder mit Schieberkreisen vernetzt, um alles Mögliche aufzutreiben), aber darüber hilft der lebendige Schreibstil Härtlings hinweg. So manche Einblicke in die Nachkriegszeit von 1945/46 sind durchaus interessant.