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James Krüss - Timm Thaler
04.12.2025 um 16:16
1962 wurde dieser Erfolgsroman des Kinder- und Jugenbuchautors James Krüss veröffentlicht. Dieser lehnt sich stark an Erzählmethoden des 19. Jahrhunderts an. Die Hauptgeschichte ist eine Binnenerzählung und die Idee ist Chamissos Peter Schlemihl nachgestaltet, der auch referenziert wird. Der Rahmen spielt zur Nachkriegszeit in Leipzig und der Erzähler schreibt eine von seinem Freund Timm erzählte Geschichte eines Timm Thaler auf. Verknüpft werden beide Erzählungen durch einen mysteriösen Mann, der Wesenszüge des Teufels trägt und in der Binnenerzählung unter dem Namen Lefuet (umgedreht "Teufel") einer der Hauptcharaktere ist.
Timm Thaler wächst in den 1920er Jahren in einer mitteldeutschen Stadt bei seinem Vater sowie seiner Stiefmutter und seinem Stiefbruder auf. Letztere sind ihm nicht wohlgesonnen, sein Vater verbringt als Arbeitsloser viel Zeit auf der Pferderennbahn, wo er jedoch mehr verliert als gewinnt. Nach dem Tod des Vaters geht Timm einem Mann nach, der ihn auf der Pferderennbahn angesprochen hat. Dieser Baron Lefuet bietet ihm an, sein gewinnbringendes Lachen gegen die Fähigkeit zu tauschen, jede Wette zu gewinnen.
Zu Beginn bereitet Timm diese neue Fähigkeit ungemein Spaß und er zieht nach Hamburg, um sich einen Traum zu erfüllen: zur See zu fahren. Auf einem Fracht-Passagierschiff wird er Steward und freundet sich mit anderen Schiffsarbeitern an. Darunter ein Kreschimir, der dem Baron seine Augen verkauft, aber sein Geld verloren hat. Kreschimir erahnt, dass Timm einen Vertrag mit Lefuet abgeschlossen hat, bei dem er sein Lachen hergegeben hat. Timm selbst vermisst sein Lachen immer mehr und setzt sich das Ziel, eine Wette zu verlieren, was aber unmöglich ist (im Roman sind zwei skurrile Beispiele angeführt: fliegende Straßenbahnen in Genua als Fata Morgana, eine weitere Straßenbahn, die ein Ziel ansteuert, das nicht auf ihrer Strecke liegt).
Gesteigert wird das Wettniveau schließlich, als Timm wettet, binnen kürzester Zeit der reichste Mann der Welt zu sein. Der Baron stirbt, setzt den 16-jährigen Timm als Erben und seinen Bruder (der er selbst ist) als Vormund ein. Nun ist Timm unter der Fuchtel des Barons, reist mit ihm zu seinem Schloss bei den Teufelsanbetern im Irak (das sind wohl die Jesiden) und geht auf Weltreise.
Zurück in Hamburg trifft er sich heimlich mit seinen Freunden. Mit Kreschimir kann er nun die einfachste Wette abschließen, da dieser sein Geheimnis kennt: Timm wettet, dass er sein Lachen zurückerhält. Damit verliert er zwar sein Vermögen, hat aber zuvor bereits eine Hamburg-Helgoland-Reederei gekauft, die er seinen Freunden schenkt, und sich selbst ein Marionettentheater erworben.
Die Botschaft ist zwiespältig. Einerseits wird der eigensinnige Kapitalismus in der Gestalt von Lefuet kritisiert, andererseits ein Loblied auf eine glücklichmachende Armut gesungen. Aber vielleicht ist es dieser doppelte Aspekt, warum der Roman 1981 in der Sowjetunion verfilmt wurde.
Und heutzutage: Eine Welt der herrschenden Oligarchen ist nicht mehr so unaktuell. Auch ist der Roman flott und durchaus spannend geschrieben. Unter Ausklammerung der Armutsverherrlichung (sowas ging wohl nur in der Wirtschaftwunderzeit) ist der Roman definitiv gut gealtert und nach wie vor lesenswert.