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Geiseldrama von Gladbeck

263 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Geiselnahme, Gladbeck, Bischoff ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 00:40
Zitat von monstramonstra schrieb:Und trotzdem (oder gerade deshalb) kann ihre Erinnerung trügen und ihre Meinung zum Geschehen dadurch getrübt sein. Es ist ihre Wahrheit und die ist zu akzeptieren. Aber deshalb wird immer versucht, Zeugenaussagen auf konkrete Sinneseindrücke hin zu sezieren. Nun gibt es Opfer, die der Versuchung widerstehen, ihre Erinnerung via Medien der Welt kund zu tun. Weil sie um die Relativität wissen. Dem LG ist jedenfalls schon etwas sauer aufgestoßen (siehe S. 133-150, Quelle oben), dass Ines nach dem Zugriff den Polizeibeamten keine Angaben machen wollte, dann aber schon kurz darauf einem "Spiegel"-Reporter ein Interview gab.
Ja, sie hätte widerstehen können und vlt. auch sollen. Aber grundsätzlich kann ich ihre abneigende Haltung gegenüber der Polizeibehörde -aus dem Blickwinkel ihres psychologischen Traumas- nachvollziehen. Das die Journalisten aber nicht als Korrektiv einschritten, sondern auf diesen "fehlgeleiteten Zug" aufsprangen, sehe ich weit kritischer.
Zitat von monstramonstra schrieb:Ich empfehle, den Bericht des Untersuchungsausschusses ab Seite 639 zu lesen, weil sich da noch immer hartnäckig Mythen und Fehlinformationen halten. Diesen Bericht haben alle Parteien im Untersuchungsausschuss getragen, ein absolutes Novum. Er enthält also die Tatsachen, die nach der Überzeugung aller Mitglieder festgestellt worden sind
Danke für den Link ! Ich werde das Werk mal durcharbeiten.

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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 05:29
@monstra

Nachtrag: Ich habe mir den Teil des Berichtes bzgl. des Polizistenmordes jetzt durchgelesen. Nochmals Dank für den Link. Tatsächlich sind hier ein paar mir bislang unbekannte Aspekte glaubhaft beleuchtet worden, die ich so noch nicht kannte. Leider sind jedoch viele Ungereimtheiten nicht oder nur unzureichend zur Sprache gebracht worden, die jedoch wichtig wären, wollte man die beiden Uwes als alleinige Täter mit dem Mord belasten. Das war ja auch nicht Aufgabe des Ausschusses. Von daher bleibt das offizielle Ermittlungsergebnis in diesem Mordfall für mich weiterhin mehr als fraglich.

Nochmal zu Gladbeck: @Cpt.Germanica hat da noch einen interessanten Aspekt angesprochen:
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Zu glauben, man könne über 60 Schuss auf einen PKW abfeuern und dabei nur die beiden Geiselnehmer treffen, ist ..... nun mir fehlen die Worte!!!
Sollten wir das eigentlich auch unter "völlig aus dem Ruder gelaufen" verbuchen und der Polizei perfekte Schußleistung attestieren oder hat IV schon ein Stück weit Recht mit der Kritik, weil SB nur durch Zufall einer Kugel der Polizei entging und tragischerweise doch durch die Waffe des Geiselnehmers starb ? Natürlich, IV hat mit ihrer These Unrecht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Kugelhagel irgendwie noch als vertretbar bewertet werden kann.


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 10:47
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Sollten wir das eigentlich auch unter "völlig aus dem Ruder gelaufen" verbuchen und der Polizei perfekte Schußleistung attestieren oder hat IV schon ein Stück weit Recht mit der Kritik, weil SB nur durch Zufall einer Kugel der Polizei entging und tragischerweise doch durch die Waffe des Geiselnehmers starb ?
Ohne dieses Geballere wäre SB jedenfalls nicht erschossen worden, zumindest nicht in diesem Moment. Was hat man denn behördlicherseits erwartet? SB hatte permanent die Knarre am Hals, als Drohung um genau das zu verhindern, also dass die Polizei wie auch immer geartet eingreift. Und dann greifen sie dennoch zu, und auch noch auf diese Art …..

Bitte nicht falsch verstehen: Ich will nicht kritisieren, dass überhaupt ein Zugriff statt gefunden hat. Aber was hat man denn bei der Polizei erwartet? Dass nur die Geiseln diesen Kugelhagel überstehen, man also nur die Geiselnehmer trifft? Lächerlich ...
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Kugelhagel irgendwie noch als vertretbar bewertet werden kann.
Meiner Ansicht nach nicht. Das war eine Bleiwolke in Wild-West-Manier: Erst mal d'rauf halten, das Magazin leer ballern, und dann schauen, wer oder was sich noch regt. Ironischerweise haben die beiden Geiselnehmer überlebt. Die Geisel, die die Waffe ständig im Gesicht hatte, dagegen nicht. Mal ehrlich: War letzteres nicht zu erwarten? Ein Wunder, dass der Rest überhaupt überlebt hat.

Wenn heute in den USA so vorgegangen wird ist die Empörung hierzulande groß. Der Kugelhagel von Gladbeck war aber bereits im Deutschland des Jahres 1988 nicht mehr zeitgemäß.


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 12:46
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Kugelhagel irgendwie noch als vertretbar bewertet werden kann.
Der Zugriff war eindeutig misslungen. Als Hauptursache wird angegeben, dass der BMW, der am Seitenstreifen der BAB gestoppt hatte, in dem Moment wieder anfuhr, als er vom Mercedes des SEK gerammt werden sollte. So wurde der BMW eher seitlich hinten gerammt, anstatt vorne. Der hellblaue SEK-Mercedes kam auf der rechten Spur neben dem BMW zum Stehen. Die folgenden drei weiteren SEK-Fahrzeuge (auf dem Foto sieht man nur zwei) mussten eine Vollbremsung hinlegen und befanden sind dann hinter dem BMW.

Und dann war wahrscheinlich das Kind in den Brunnen gefallen. Bis die Beamten aus ihren Fahrzeugen kamen, wurde bereits das Feuer auf sie eröffnet. Da nur der hellblaue Mercedes gepanzert war, mussten sie schon aus Selbstschutz zurückschießen. Dabei war ihre Schussposition ungünstig, weil sie den BMW aus einem ungünstigen Winkel beschießen mussten. Das erklärt vielleicht auch die Vielzahl der Schüsse.

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Weiter Fotos: https://www.spiegel.de/fotostrecke/geiseldrama-von-gladbeck-fotostrecke-109353.html

Inwieweit Polizisten in einer solchen Situation dann gezielte Schüsse auf die Geiselnehmer abgeben und Geiseln schützen können (oder nur blind auf das Auto losballern), vermag ich nicht zu beurteilen. Genauso wenig wie die Wirkung solcher Schüsse auf Fahrzeug und Personen. Soweit ich weiß, saßen Rösner (am Steuer) und Degowski (Rücksitz) jeweils auf der Fahrerseite. Diese war den SEK-Fahrzeugen zugeneigt. Die Geiselnehmer befanden sich also auf der Frontseite.
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Bitte nicht falsch verstehen: Ich will nicht kritisieren, dass überhaupt ein Zugriff statt gefunden hat. Aber was hat man denn bei der Polizei erwartet? Dass nur die Geiseln diesen Kugelhagel überstehen, man also nur die Geiselnehmer trifft?
Umstrittener war, warum der Zugriff erfolgt ist.

Es gab eine Weisung der Polizeiführung, bei nächster Gelegenheit (Voraussetzung: Halt des Wagens und rechtzeitiger Heranführung der SEK-Kräfte) den Zugriff durchzuführen. Hintergrund war das desaströse Theater in der Innenstadt von Köln am Vormittag. Es sollte um jeden Preis die Einfahrt in eine Innenstadt verhindert werden. Da der BMW verwanzt war, gab es wohl auch Hinweise, dass die Geiselnehmer Frankfurt a.M. ansteuern wollten.

Eine andere Frage war, warum die GSG 9, die bereit stand, nicht eingesetzt wurde. Die sollte das Landes-SEK im Verlaufe des Tages auch ablösen. Die Polizeiführung war allerdings der Ansicht, dass das SEK für eine solche - nicht terroristische - Situation grundsätzlich besser ausgebildet sei.

Und schließlich wurde noch diskutiert, ob es darum gegangen war, den BMW noch vor der Landesgrenze zu stoppen. Eine solche Weisung hat es aber wohl nicht gegeben. Polizisten sprachen darüber, weil der Zugriff 3 km vor der Grenze zu Rheinland-Pfalz erfolgt ist. Aber das dürfte Zufall gewesen sein. Denn es konnte ja niemand wissen, wann der BMW halten und ein Zugriff möglich werden würde. Und ob die Weisung "Zugriff bei nächster Gelegenheit" davon beeinflusst war, bleibt Spekulation. Die Verantwortlichen bestritten das. Sie wiesen darauf hin, dass schon längst vereinbart war, dass das SEK NRW auch im anderen Bundesland zuschlagen durfte.

Alle Infos aus (S. 80 ff.):

https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD10-5291.pdf


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 12:55
Jta, nach Olympia 1972, ein zweite Recht Misslungene Aktion.

Viel Hypothesen und hinterher weiß man immer was man besser machen Kann.

Leider kommen diese Typen ja wieder auf freien Fuß

Ich vermute auch das man das GSG hätte hinzuziehen sollen.

Zugriff in der "Fahrt" dürfte immer schwierig sein.


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 15:52
Zitat von monstramonstra schrieb:Inwieweit Polizisten in einer solchen Situation dann gezielte Schüsse auf die Geiselnehmer abgeben und Geiseln schützen können (oder nur blind auf das Auto losballern), vermag ich nicht zu beurteilen. Genauso wenig wie die Wirkung solcher Schüsse auf Fahrzeug und Personen. Soweit ich weiß, saßen Rösner (am Steuer) und Degowski (Rücksitz) jeweils auf der Fahrerseite. Diese war den SEK-Fahrzeugen zugeneigt. Die Geiselnehmer befanden sich also auf der Frontseite.
"Front" also betrachtet aus der Perspektive der S-Klasse.

Nun gut: Dann schieße ich also auf die Geiselnehmer und verlasse mich darauf, dass kein Schuss daneben geht und die neben den Geiselnehmern (bzw. perspektivisch dahinter) sitzenden Geiseln trifft. Dazu kommt, dass ich damit rechnen muss, dass die Geiselnehmer zurück schießen, ich also nicht die Zeit habe meine Waffe in Ruhe auszurichten sondern auf gut Glück los schießen muss um mein Leben zu schützen.

Mir als wenig geübten Schützen scheint das äußerst gewagt bzw. riskant.

Zudem frage ich mich, ob die Geiselnehmer überhaupt noch die Zeit hatten SB zu erschießen wenn sie zeitgleich ihre Waffen in die entgegen gesetzte Richtung auf die Polizei richten und abfeuern mussten.
Zitat von FedaykinFedaykin schrieb:Zugriff in der "Fahrt" dürfte immer schwierig sein.
Ja. Kennt man sonst auch nur aus James Bond-Filmen bzw. Hollywood.


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 16:09
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Zudem frage ich mich, ob die Geiselnehmer überhaupt noch die Zeit hatten SB zu erschießen wenn sie zeitgleich ihre Waffen in die entgegen gesetzte Richtung auf die Polizei richten und abfeuern mussten.
Das ist im Urteil des LG ausgeführt (siehe mein Beitrag oben):

Auf die Beamten hat nur Degowski (Rücksitz Fahrerseite) geschossen. 6 Schuss insgesamt, glaube ich. Es gab ein oder zwei kurze Schusspausen, in denen die Beamten die Geiselnehmer zur Aufgabe aufforderten. Bis die Polizei wieder beschossen wurde.

Das Problem für das SEK war, dass die Fahrzeuge zu weit weg vom BMW zum Stehen gekommen waren. Ziel war es ja gewesen, ganz nah an den BMW heranzukommen, ihn quasi mit den SEK-Autos von vorne, seitlich und hinten einzukeilen.

Rösner hat keinen einzigen Schuss auf die Beamten abgegeben, sondern ist auf dem Schoß seiner Beifahrerin in Deckung gegangen und hat nur seine Waffe hochgehoben und damit gewedelt. Er hat sie dann nach hinten auf Silke Bischoff gerichtet. Vermutlich, um sie sichtbar zu bedrohen. Dann wurde Rösner von einer Polizeikugel getroffen und sein Colt ging los. Rösner warf die Waffe aus dem Auto.


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 16:28
@monstra:

Hmm… Bei diesem Szenario verstehe ich die 62 Schuss, die den BMW durchsiebt haben (zzgl. den Projektilen, die sonstwo gelandet sind, z. B. weil sie durch die bereits zerschossenen Scheiben einfach hindurch flogen ...), noch weniger, denn es klingt ja so, als hätte Degowski gerade mal sein Magazin leer geschossen und danach "Ruhe" gegeben, also keine "ellenlange Schießerei" sondern eben ein einseitiger "Kugelhagel". Klar wussten die Polizisten nicht, ob Rösner "nachlegt", aber trotzdem scheins ein blindes d'rauf los Geballere statt gezielter Schüsse.

Und IV wurde aus einer Polizeiwaffe getroffen, richtig?


Hier noch ein interessanter Bericht über SBs Mutter aus 2017, laut Forensuchmaschine hier noch nicht verlinkt:

https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/jahre-nach-gladbeck-muss-silke-bischoffs-mutter-freilassung-dieter-degowski-ertragen-9417570.html


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Geiseldrama von Gladbeck

14.02.2020 um 20:11
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Hmm… Bei diesem Szenario verstehe ich die 62 Schuss, die den BMW durchsiebt haben (zzgl. den Projektilen, die sonstwo gelandet sind, z. B. weil sie durch die bereits zerschossenen Scheiben einfach hindurch flogen ...), noch weniger, denn es klingt ja so, als hätte Degowski gerade mal sein Magazin leer geschossen und danach "Ruhe" gegeben, also keine "ellenlange Schießerei" sondern eben ein einseitiger "Kugelhagel". Klar wussten die Polizisten nicht, ob Rösner "nachlegt", aber trotzdem scheins ein blindes d'rauf los Geballere statt gezielter Schüsse.
Man stelle sich vor: Es gab mehrere Gelegenheiten, die Geiselnehmer, welche ihre Geiseln ständig mit der Waffe bedrohten, auszuschalten. Der "finale Rettungsschuss" wurde mit der Begründung auf die "deutsche Vergangenheit" (das muß man sich mal vorstellen!) abgelehnt.
Dann das Finale: Das Auto der Geiselnehmer sollte in Höhe der Fahrertür gerammt werden, was auch wieder nicht klappte, stattdessen rammte man den Wagen hinten links, womit die Aktion an sich schon gescheitert war! Doch damit nicht genug, jetzt fing man damit an, den Wagen mit Kugeln einzudecken, von über 60 Kugeln konnte keine die Geiselnehmer augenblicklich handlungsunfähig treffen. Erwartete man allen Ernstes, das die Geiselnehmer bei einem Treffer,z.B.ins Bein, nicht Reflexartig den Finger krümmen könnten? Aus Angst vor Disziplinarverfahren nahm man lieber das Leben der Geiseln in Kauf, da frage ich mich nur: Welche Pfeifen saßen da wohl in der Einsatzleitung? Aber auch die sind ja weisungsgebunden...da wird die Verantwortung halt immer eine Etage weiter nach oben geschoben. Die leidtragenden waren wie immer die Opfer.


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15.02.2020 um 00:33
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Bitte nicht falsch verstehen: Ich will nicht kritisieren, dass überhaupt ein Zugriff statt gefunden hat. Aber was hat man denn bei der Polizei erwartet? Dass nur die Geiseln diesen Kugelhagel überstehen, man also nur die Geiselnehmer trifft? Lächerlich ...
Ich unterstelle den SEK Beamten, gute Schützen zu sein. Aber Übung und Ernstfall sind zwei völlig unterschiedliche Situationen. Ich bin sicher, dass die Beamten unter enormen Druck standen und auch Angst hatten. Dieser Zugriff war ganz klar in die Hose gegangen und konnte mMn nicht mehr unblutig und professionell beendet werden. Die haben wohl nur noch draufgehalten und hofften, dass es irgendwie doch noch gut geht. Ich bin Deiner Meinung, dass es an ein Wunder grenzt, dass "nur" eine Person tödlich verletzt wurde.
Zitat von monstramonstra schrieb:Inwieweit Polizisten in einer solchen Situation dann gezielte Schüsse auf die Geiselnehmer abgeben und Geiseln schützen können (oder nur blind auf das Auto losballern), vermag ich nicht zu beurteilen. Genauso wenig wie die Wirkung solcher Schüsse auf Fahrzeug und Personen. Soweit ich weiß, saßen Rösner (am Steuer) und Degowski (Rücksitz) jeweils auf der Fahrerseite. Diese war den SEK-Fahrzeugen zugeneigt. Die Geiselnehmer befanden sich also auf der Frontseite.
Ich nehme an, sie konnten das Feuer zumindest ungefähr auf die vermuteten Geiselnehmerpositionen im Auto eröffnen. Aber sicher konnten sie nicht präzise anvisieren und sicherstellen, dass nur die Geiselnehmer getroffen werden konnten. Die Wirkung des Beschusses auf die Fahrzeuginsassen betrifft mMn vor allem zwei kritische Bereiche:

1. Die psychologische Wirkung. Im Nahbereich einschlagende und umherfliegende Projektile verursachen eine starke (Todes-)Angst und lösen Panik aus. Sofern der Beschossene noch über einen gesunden Selbsterhaltungstrieb verfügt und kein Selbstmordattentäter ist, besinnt er sich im Idealfall schon nach kurzer Zeit auf den Wert des eigenen Lebens und gibt angesichts der aussichtslosen Situation auf. Es gibt aber nicht selten auch die Reaktion, dass der Beschossene sein möglicherweise baldiges Ableben akzeptiert und wild um sich schießt, um einen möglichst großen (Personen-)Schaden zu verursachen bevor er selbst (tödlich) getroffen wird. Bei Amokläufen ist dieses Verhalten recht häufig zu beobachten, weil die Täter zumeist schon im Vorfeld der Tat mit dem eigenen Leben abgeschlossen haben und den eigenen Tod in Kauf nehmen. Nur selten reagieren die Beschossenen mit abgeklärter Gegenreaktion und taktischem Vorgehen, z.B. sehr gezieltem Gegenbeschuss, besonnenem Verhalten, überlegten Bewegungen etc. Letztere haben dann häufig bereits Kampferfahrungen gesammelt, wurden militärisch ausgebildet und/oder sind durch ein psychologisches Defizit dazu in der Lage.

2. Die zerstörerische Wirkung. Wo Projektile einschlagen, entsteht hohe zerstörerische Energie. Glassplitter, Splitter und Fragmente von Fahrzeugteilen usw., schränken die Handlungsfähigkeit von Bechossenen stark ein, halten sie passiv in Deckung und verstärken die psychologische Wirkung. Je mehr Zeit vergeht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es z.B. in einer kurzen Feuerpause zur Aufgabe des Beschossenen kommt. Es versteht sich von selbst, dass ein durch Kugeln durchsiebtes Fahrzeug in den seltensten Fällen noch gestartet und gefahren werden kann.
Zitat von monstramonstra schrieb:Es gab eine Weisung der Polizeiführung, bei nächster Gelegenheit (Voraussetzung: Halt des Wagens und rechtzeitiger Heranführung der SEK-Kräfte) den Zugriff durchzuführen. Hintergrund war das desaströse Theater in der Innenstadt von Köln am Vormittag. Es sollte um jeden Preis die Einfahrt in eine Innenstadt verhindert werden. Da der BMW verwanzt war, gab es wohl auch Hinweise, dass die Geiselnehmer Frankfurt a.M. ansteuern wollten
Die Situation war für die Entscheider im Krisen- und Führungsstab keinesfalles einfach. Zu viele günstige Gelegenheiten für einen Zugriff hatte man nicht genutzt, zu viel Zeit war vergangen, zu viel Aufmersamkeit vorhanden, zu viele Fehler geschehen. Der Druck muß riesig gewesen sein. Dies führte scheinbar zur Ultima Ratio: Geiselnahme beenden, um jeden Preis, sofort. Nicht nur die Geiselnehmer dürften mit den Nerven am Ende gewesen sein, die Entscheider waren es auch. Und so geschah der letzte, entscheidende Fehler. Eben die Weisung, bei "nächster Gelegenheit" einen Zugriff zu wagen. Diese Weisung war viel zu schwammig und führte wahrscheinlich dazu, dass die Beamten vor Ort nur noch nach der besagten Gelegenheit ausschau hielten, anstatt taktisch vorzugehen und z.B. durch einen künstlichen Stau oder durch einen anderen Trick den Wagen am gewünschten Ort in die gewünschte Position zu bringen. Es hielt sie ab eine List anzuwenden, die entscheidende "Gelegenheit" selbst zu planen und zu inszenieren, das Heft in der Hand zu behalten. Nach der Weisung konnten die SEK-Beamten nur noch reagieren, nicht mehr agieren. Als dann der Zugriff erfolgte, rächte sich diese Vorgehensweise. Niemand hatte das Losfahren des BMW einkalkuliert, der Zugriff wurde überstürzt und so die Katastrophe wahrscheinlicher als der Erfolg. Folgerichtig kam es zur Katastrophe.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 09:27
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Ich unterstelle den SEK Beamten, gute Schützen zu sein. Aber Übung und Ernstfall sind zwei völlig unterschiedliche Situationen. Ich bin sicher, dass die Beamten unter enormen Druck standen und auch Angst hatten. Dieser Zugriff war ganz klar in die Hose gegangen und konnte mMn nicht mehr unblutig und professionell beendet werden. Die haben wohl nur noch draufgehalten und hofften, dass es irgendwie doch noch gut geht. Ich bin Deiner Meinung, dass es an ein Wunder grenzt, dass "nur" eine Person tödlich verletzt wurde.
Ganz ehrlich: Nein. Egal was da zusätzlich alles schief gegangen ist, der Zugriff war von vorneherein verantwortungslos: Wie kann man glauben gesichert nur die Geiselnehmer zu treffen, wenn direkt daneben/dahinter die Geiseln sitzen? Mal abgesehen für den Schock des Lebens, denn die Geiseln hinterher haben (gut, traumatisiert dürften sie natürlich schon vorher gewesen sein).

Dazu waren die Geiselnehmer ja nicht "frei" sondern geschützt durch Blech und Glas. Auch wenn es keine gepanzerte Limousine war, aber die genannten Materialien können Projektile zumindest ablenken, in der Tür können Sie sogar stecken bleiben, das ist ja nicht nur Blech, in einem 7er der Baureihe E32 werden z. B. elektrische Fensterheber mit ihren Elekromotoren schon verbaut gewesen sein.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 13:23
P.S.: Sorry für diverse Rechtschreibfehler, war in Eile.

Möchte noch ergänzen, dass es mit einer Faustfeuerwaffe selbst auf kurze Entfernung schwierig ist einen Menschen zu treffen, was ein wenig bekannter Fakt ist (wohl den Western geschuldet, da bekommt man immer den genau gegenteiligen Eindruck).

Also auch von daher eine höchst fragwürdige Vorgehensweise. Mir scheint es so, als habe man die Geiselnahme damals auf Biegen und Brechen - und letztlich auf gut Glück! - beenden wollen, ohne ernsthafte Rücksicht auf etwaige Opfer unter den Geiseln. Lieber ein Ende mit Schrecken ...


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 15:00
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Möchte noch ergänzen, dass es mit einer Faustfeuerwaffe selbst auf kurze Entfernung schwierig ist einen Menschen zu treffen, was ein wenig bekannter Fakt ist (wohl den Western geschuldet, da bekommt man immer den genau gegenteiligen Eindruck).
Das ist ein Argument. Fausteuerwaffen sind sehr schlecht geeigent für so einen Zugriff. Da hätte man schon Halbautomatik größeren Kalibers gebraucht um "Sicher" Personen in einem Fahrzeug auszuschalten. (9mm MP hat ähnliche Probleme bzgl Durchschlag und Ablenkung)


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 17:03
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Also auch von daher eine höchst fragwürdige Vorgehensweise. Mir scheint es so, als habe man die Geiselnahme damals auf Biegen und Brechen - und letztlich auf gut Glück! - beenden wollen, ohne ernsthafte Rücksicht auf etwaige Opfer unter den Geiseln. Lieber ein Ende mit Schrecken ...
So sehe ich das auch. Andrest sind über 60 Schuss auf den BMW nicht zu erklären.

Eine Aktion wie das Rammen des BMW ist ja eine bewusst ausgeführte Handlung. Wenn diese schon schief läuft findet sich keine Erklärung, warum man nicht in Warteposition verweilt. Allenfalls ein paar Meter zurück setzt. Um so das Weitervorgehen zu Planen. Grundsätzlich gab es für die Täter kein Entkommen mehr.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 17:44
Zitat von FedaykinFedaykin schrieb:Das ist ein Argument. Fausteuerwaffen sind sehr schlecht geeigent für so einen Zugriff. Da hätte man schon Halbautomatik größeren Kalibers gebraucht um "Sicher" Personen in einem Fahrzeug auszuschalten. (9mm MP hat ähnliche Probleme bzgl Durchschlag und Ablenkung)
Das stimmt nur zum Teil. Anbei eine meiner Scheiben, Entfernung 25 Meter, stehend beidhändig, Beretta 92 FS. Sie ist mit der meist vom SEK verwendeten SIG P 226 durchaus vergleichbar. (Die Beretta 92 war als M9 bis vor kurzem die offizielle Dienstpistole der US-Armee). SEK-Polizisten dürften wegen ihres beinahe täglichen Trainings deutliche besser Schützen sein als ich. Zudem hätten sie auch aufgelegt (Motorhaube, Kofferaumdeckel, Dach) oder angelehnt (Front- oder Heckpartie) zielen können und somit ihre Fahrzeuge zur besseren Stabilisierung nutzen können.
PS. Skala zeigt Zentimeter.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 17:51
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Dieser Zugriff war ganz klar in die Hose gegangen und konnte mMn nicht mehr unblutig und professionell beendet werden. Die haben wohl nur noch draufgehalten und hofften, dass es irgendwie doch noch gut geht.
Da könnte man noch fragen, ob es - nach dem fehlgeschlagenen Rammen - noch ein Zurück gegeben hätte. Ich glaube nicht. Da musste man nun durch.
Zitat von SlateratorSlaterator schrieb:Nicht nur die Geiselnehmer dürften mit den Nerven am Ende gewesen sein, die Entscheider waren es auch. Und so geschah der letzte, entscheidende Fehler. Eben die Weisung, bei "nächster Gelegenheit" einen Zugriff zu wagen.
Das sehe ich auch so. Die Details hat man dann an die Polizeiführer vor Ort (hier des SEK) delegiert. Die Verantwortung liegt aber in der Zentrale.
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Wie kann man glauben gesichert nur die Geiselnehmer zu treffen, wenn direkt daneben/dahinter die Geiseln sitzen? Mal abgesehen für den Schock des Lebens, denn die Geiseln hinterher haben (gut, traumatisiert dürften sie natürlich schon vorher gewesen sein).
In der "Landshut" hat das 1977 aber auch funktioniert. Die Situation war noch viel schwieriger: 4 Geiselnehmer in einer Flugzeugkabine mit 80 Menschen auszuschalten. Das war Überraschungseffekt und Glück, klar. Aber die GSG 9 hat eben auch präzise geschossen.
Zitat von EgiEgi schrieb:Das stimmt nur zum Teil. Anbei eine meiner Scheiben, Entfernung 25 Meter, stehend beidhändig, Beretta 92 FS. Sie ist mit der meist vom SEK verwendeten SIG P 226 durchaus vergleichbar.
Vielen Dank! Mit Übung scheint das tatsächlich anders auszusehen. Ich denke auch, dass die extrem gut ausgebildeten SEK-Beamten mit ihrem wichtigsten Werkzeug, ihrer Waffe, hervorragend schießen können und viel intensiver am Schießstand trainieren, als ein Streifenbeamter.


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Egi ehemaliges Mitglied

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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 18:04
Mit der GSG 9 anstelle des SEK wäre das vermutlich anders ausgegangen. Wahrscheinlich hätten dann beide Geiseln überlebt. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass diese Ereignisse nun schon fast 32 Jahre zurückliegen. Inzwischen haben sich sowohl Einsatztaktiken als auch die Waffen- und Kommunikationstechnik deutlich verbessert. Eigentlich müsste man die damalige Situation mit dem Wissensstand des Jahres 1988 analysieren. Aus heutiger Sicht zu (be)urteilen erscheint mir ein wenig unfair.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 18:12
Zitat von EgiEgi schrieb:Das stimmt nur zum Teil. Anbei eine meiner Scheiben, Entfernung 25 Meter, stehend beidhändig, Beretta 92 FS.
Geschossen in Ruhe, ohne Zeitdruck, ohne Stress, ohne "Gegenfeuer".
Zitat von EgiEgi schrieb:SEK-Polizisten dürften wegen ihres beinahe täglichen Trainings deutliche besser Schützen sein als ich.
Ersteres wage ich zu bezweifeln (tägliches Training), zweiteres kann ich nicht beurteilen.
Zitat von EgiEgi schrieb:Zudem hätten sie auch aufgelegt (Motorhaube, Kofferaumdeckel, Dach) oder angelehnt (Front- oder Heckpartie) zielen können und somit ihre Fahrzeuge zur besseren Stabilisierung nutzen können.
Der Zugriff begann ja aus dem fahrenden Wagen. Also erst mal aussteigen, sich geeignet hinter einem Wagen verschanzen, Auflegen (Motorhaube, Kofferaumdeckel, Dach), zielen und mit Bedacht Schießen war nicht, das dürfte im Gegenteil doch eine ziemlich hektische Situation gewesen sein. Mehr ein aus dem Wagen springen, die nächstbeste Deckung wählen und geschwind abfeuern.
Zitat von monstramonstra schrieb:In der "Landshut" hat das 1977 aber auch funktioniert. Die Situation war noch viel schwieriger: 4 Geiselnehmer in einer Flugzeugkabine mit 80 Menschen auszuschalten. Das war Überraschungseffekt und Glück, klar. Aber die GSG 9 hat eben auch präzise geschossen.
Die Landshut hatte aber eine größere Kabine als der BMW, zudem gab es den Ruf "Kopf 'runter!" (o. ä.) an die Fluggäste/Geiseln. Außerdem war die GSG9 im Spiel. Aber ja: Bei der Landshut hatte man mehr Glück und mit toten Geiseln durchaus gerechnet.
Zitat von EgiEgi schrieb:Mit der GSG 9 anstelle des SEK wäre das vermutlich anders ausgegangen. Wahrscheinlich hätten dann beide Geiseln überlebt
Das ist jetzt reine Spekulation.
Zitat von EgiEgi schrieb:Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass diese Ereignisse nun schon fast 32 Jahre zurückliegen. Inzwischen haben sich sowohl Einsatztaktiken als auch die Waffen- und Kommunikationstechnik deutlich verbessert. Eigentlich müsste man die damalige Situation mit dem Wissenstand des Jahres 1988 analysieren. Aus heutiger Sicht zu (be)urteilen erscheint mir ein wenig unfair.
Nun ich bin überzeugt, dass so eine Geballere Marke "d'rauf halten" auch 1988 schon nicht mehr zeitgemäß war, und daher gab es ja auch bereits damals die Kritik an dem Einsatz. Die Polizei konnte dann ein Stück weit "den Kopf aus der Schlinge ziehen", weil SB nicht aus einer Polizeiwaffe getötet wurde. Kausal für ihren Tot war aber dennoch der waghalsige, verpfuschte und - aus meiner Sicht - hanebüchene Zugriff à la Hollywood.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 19:47
Zitat von EgiEgi schrieb:Mit der GSG 9 anstelle des SEK wäre das vermutlich anders ausgegangen.
Im Bericht des Untersuchungsausschusses wird argumentiert, SEK und GSG 9 seien im Grundsatz gleich gut ausgebildet und vorbereitet gewesen. Allerdings sei das SEK besser auf Geiselnahmen abgestimmt (Quelle siehe oben).

Das kann auch gut sein, weil die GSG 9 einer Bundesbehörde (Bundesgrenzschutz) angehörte und deshalb ein anderer Zuständigkeitsbereich bestand. Die GSG 9 wurde ja normalerweise nicht bei Banküberfällen mit Geiselnahmen eingesetzt. Und den "Mythos" GSG 9 darf man nicht überschätzen. Das hat sich wenige Jahre später bei Bad Kleinen gezeigt. Da wurde die GSG 9 eingesetzt, weil das BKA und der GBA, auch Bundesbehörden, ermittlungsführend waren.

Tägliches Schießtraining kann ich schon deshalb gut vorstellen, weil ja nicht jeden Tag Geiselnehmer festzunehmen sind und die SEK-Beamten ansonsten kaum den Verkehr regeln werden. Und gelangweilt in der Wache auf den Einsatz wartend werden sie auch nicht rumsitzen. Sondern da gilt Training, Training, Training.


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Geiseldrama von Gladbeck

15.02.2020 um 19:55
Zitat von monstramonstra schrieb:Tägliches Schießtraining kann ich schon deshalb gut vorstellen, weil ja nicht jeden Tag Geiselnehmer festzunehmen sind und die SEK-Beamten ansonsten kaum den Verkehr regeln werden. Und gelangweilt in der Wache auf den Einsatz wartend werden sie auch nicht rumsitzen. Sondern da gilt Training, Training, Training.
Da wett' ich was d'rauf, dass die nicht täglich geschossen haben. Damals nicht und heute nicht. Mag sein, dass sie kurz vor dem Einsatz noch mal geschossen haben, wenn denn Zeit dazu war.


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