Stadt oder Land?

Bundeskanzleri schrieb:Ich habe fast 30 Jahre lang mitten auf den Feldern gewohnt, der Maismäher hat mir ins Wohnzimmer gesehen.
Trotzdem ist da nirgends Dauerlärm, nichts was msn mit Straßen oder Schienen vergleichen könnte.

V.a. sind das Geräusche, die man einordnen kann - wir wohnen in einer Dorfnebenstraße, hier kennt man sogar alle Leute, die hier durchgehen vom Sehen. Selten gibt es mal jemanden, den man nicht zuordnen kann (das gibt sich dann meistens).

Was mich in der Stadt so gestresst hat, war irgendwie der Dauerlärm, v.a. als ich im Hinterhaus im Stadtzentrum wohnte - in der Nähe der Partymeile. Mal ein paar Beispiele:


Kam ich nachts vom Babysitten, lagen oft Obdachlose im Hauseingang (wir hatten einen langen, schlauchförmigen Eingang). Es ist nie was passiert, aber man kam sich doof vor, über diese schlafenden Leute zu steigen, v.a. im Winter, um dann in seinem kleinen, aber warmen Zimmer zu verschwinden.

Ich schlief gerne bei offenem Fenster - nachts wurde man dann oft durch kreischende Frauen etc. geweckt. Mehrfach wurden wir durch Hilferufe geweckt, die wir nicht einordnen konnten. Wir standen dann auf, waren kurz davor, die Polizei zu rufen, da fing die Clique draußen an zu lachen. Ich schlafe heute sehr viel ruhiger.


Was ich hingegen mochte war die Vielfalt - um die Ecke hatten wir einen türkischen Imbiss mit Flatrate Salatbuffet - ich habe damals dort echt gesund gegessen - und relativ günstig. Wollte man was kaufen, war das problemlos möglich. Es gab superviele kulturelle Veranstaltungen - leider konnte ich mir damals die meisten nicht leisten.


Was ich manchmal schlimm fand, war die Anonymität. Im Bus vermieden Leute den Blickkontakt. Heute laufe ich eine Runde durchs Dorf und treffe sieben Leute, mit denen ich Smalltalk halte. Daher kann ich viele der (meist) Witwen verstehen, die auch aus dem Grund das Dorf nicht verlassen möchten.

Ich wuchs sehr ländlich auf und lebte den größten Teil meines Lebens auf dem Land. Nach dem Tod meiner Mutter und dem Verkauf des Elternhauses wollte ich aber dann raus aus der Enge der Dorfgemeinschaft in den Vorort einer Kleinstadt mit guter Anbindung in alle großen Schweizer Städte. Das ist ein guter Kompromiss. Der Vorort ist auch immer noch ländlich, aber nicht so beengend und isoliert.

landflucht scheint gerade wieder ein trend zu werden

https://www.ardmediathek.de/serie/raus-aufs-land/staffel-1/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvcmF1cy1hdWZzLWxhbmQ/1

man braucht in dem fall halt leider das nötige kapital, sowie die nötigen ressourcen.

@fluff
Meinst Du nicht eher Stadtflucht?

fluff schrieb:landflucht scheint gerade wieder ein trend zu werden

Den Trend gibt es schon eine ganze Weile. Deswegen steigen die Immobilienpreise z.B. im Umland der Großstädte besonders stark, weil plötzlich viele Leute "ins Grüne" ziehen wollen.

fluff schrieb:man braucht in dem fall halt leider das nötige kapital, sowie die nötigen ressourcen.

Auf dem Land wird zumindest in puncto Immobilien in aller Regel deutlich weniger Kapital benötigt. Dort, wo meine Verwandten wohnen (Kleinstadt unter 30.000 EW, Sauerland/Siegerland) bekommt man ein vernünftiges(!) Einfamilienhaus ziemlich problemlos für 300.000-400.000 €. Davon kann man in den Metropolen und deren Speckgürtel nur träumen.

martenot schrieb:Deswegen steigen die Immobilienpreise z.B. im Umland der Großstädte besonders stark, weil plötzlich viele Leute "ins Grüne" ziehen wollen.

In der Stadt hätte ich kein Grundstück kaufen können. Die Preise sind ca. 7 bis 8 Mal so hoch wie auf dem Land. Da legt man für ein sehr kleines Grundstück schon eine 6stellige Summe hin.
Für das Geld kann man lange fahren...

Balumpa schrieb:Auf dem Land wird zumindest in puncto Immobilien in aller Regel deutlich weniger Kapital benötigt. Dort, wo meine Verwandten wohnen (Kleinstadt unter 30.000 EW, Sauerland/Siegerland) bekommt man ein vernünftiges(!) Einfamilienhaus ziemlich problemlos für 300.000-400.000 €. Davon kann man in den Metropolen und deren Speckgürtel nur träumen.

So ist es!

nairobi schrieb:In der Stadt hätte ich kein Grundstück kaufen können.

Hier auf dem Land auch nicht. Soweit ich mitbekommen habe, sind die Immobilienpreise inzwischen in begehrten Regionen im Umkreis von ca. 100 km fast teurer als in der Innenstadt. Das liegt wohl daran, dass viele momentan dem Trend "ins Grüne" folgen.

martenot schrieb:Hier auf dem Land auch nicht. Soweit ich mitbekommen habe, sind die Immobilienpreise inzwischen in begehrten Regionen im Umkreis von ca. 100 km fast teurer als in der Innenstadt. Das liegt wohl daran, dass viele momentan dem Trend "ins Grüne" folgen.

100 Kilometer scheint mir arg übertrieben, weil mit jedem weiteren Kilometer Entfernung das tägliche Pendeln erschwert wird. Einzig in München ist das eventuell noch vorstellbar, auch weil das Alpenvorland und die Seen natürlich selbst höchst attraktive Wohnorte darstellen.

Balumpa schrieb:100 Kilometer scheint mir arg übertrieben, weil mit jedem weiteren Kilometer Entfernung das tägliche Pendeln erschwert wird

Soweit ich mitbekommen habe, ist es eben nicht übertrieben, weil in diesem Umkreis auch das attraktive Umland von München liegt (das Bayrische Oberland, das Werdenfelser Land und Teile des Allgäus). Und wenn man wegen Homeoffice nicht mehr täglich in die Stadt pendeln muss, werden auch weiter entfernte Wohnorte attraktiver.

Balumpa schrieb:Auf dem Land wird zumindest in puncto Immobilien in aller Regel deutlich weniger Kapital benötigt. Dort, wo meine Verwandten wohnen (Kleinstadt unter 30.000 EW, Sauerland/Siegerland) bekommt man ein vernünftiges(!) Einfamilienhaus ziemlich problemlos für 300.000-400.000 €. Davon kann man in den Metropolen und deren Speckgürtel nur träumen.

Da liegen die Preise hier in Österreich in einem ganz ähnlichen Rahmen. Wobei die Preise in den letzten Jahren enorm gestiegen sind. Es ist somit auch hier auf dem Land nicht mehr so einfach, ein Eigenheim zu erwerben.

martenot schrieb:Soweit ich mitbekommen habe, ist es eben nicht übertrieben, weil in diesem Umkreis auch das attraktive Umland von München liegt (das Bayrische Oberland, das Werdenfelser Land und Teile des Allgäus). Und wenn man wegen Homeoffice nicht mehr täglich in die Stadt pendeln muss, werden auch weiter entfernte Wohnorte attraktiver.

München ist eben auch sehr speziell. Die Stadt selbst ist hochattraktiv, aber eben auch das Umland aufgrund der geographisch reizvollen Lage. Hinzu kommt die fabelhafte Wirtschaftslage. München ist reich, das Münchner Umland ist reich, die Region Oberbayern ist reich.

In NRW sieht das beispielsweise anders aus. Köln und Düsseldorf sind teure Pflaster, aber im Umkreis von 20-25 Kilometern ist es durchaus möglich, Immobilien zu finden, die die Hälfte kosten.

EnyaVanBran schrieb:Da liegen die Preise hier in Österreich in einem ganz ähnlichen Rahmen. Wobei die Preise in den letzten Jahren enorm gestiegen sind. Es ist somit auch hier auf dem Land nicht mehr so einfach, ein Eigenheim zu erwerben.

Beim letzten Punkt möchte ich nicht widersprechen; letztendlich kommt es natürlich stets auf das Einkommen an. Nehmen wird mal eine Familie mit einem Einkommen im durchschnittlichen bis leicht überdurchschnittlichen Bereich an. Auf dem Land ist der Kauf eines Eigenheims gut möglich, in strukturschwächeren Städten (z.B. im Ruhrgebiet) sicherlich auch, aber in München, Hamburg, Düsseldorf wird ein solches Vorhaben nicht funktionieren, sofern keine weiteren Geldquellen (z.B. eine Erbschaft) ins Spiel kommen. Darum ging es mir in erster Linie.

Selbstredend spielen immer weitere Aspekte eine Rolle, insbesondere natürlich, ob das Leben auf dem Land dauerhaft vorstellbar ist. Ich denke, gerade diejenigen Menschen, die nur die Großstadt kennen und zuvor keinerlei Bezug zum "Land" hatten, könnten nach kurzer Zeit böse erwachen. Die Uhren ticken dort anders.

Balumpa schrieb:Beim letzten Punkt möchte ich nicht widersprechen; letztendlich kommt es natürlich stets auf das Einkommen an

Natürlich. Aber dennoch ist es ein Unterschied ob man 350.000 für ein Haus bezahlt oder nur 275.000. Denn die Gehälter wurden da nicht angepasst. Also ist es für viele schlicht unleistbar geworden.

Balumpa schrieb:Ich denke, gerade diejenigen Menschen, die nur die Großstadt kennen und zuvor keinerlei Bezug zum "Land" hatten, könnten nach kurzer Zeit böse erwachen.

Oder so jemand wie ich, der das Leben auf dem Land aus der eigenen Jugend kennt, aber für sich festgestellt hat, dass das Stadtleben besser passt.

Auch eine Arbeitskollegin meines Partners stellt anscheinend gerade fest, dass das Landleben nicht immer ganz perfekt zu den eigenen Bedürfnissen und Gewohnheiten passt: sie sind seit der Rente in ein Häuschen auf dem Land in deren ursprünglicher Heimat gezogen und bis jetzt anscheinend eher unglücklich dort.

Immer Land.

Ich mag den Geruch und das Gestinke der Abgase überhaupt nicht.
Und die Menschenmasse in einer Stadt auch nicht.

Nesca schrieb:Ich mag den Geruch und das Gestinke der Abgase überhaupt nicht.
Und die Menschenmasse in einer Stadt auch nicht.

Was es ja beides keineswegs in allen Gebieten und Vierteln der Stadt gibt. Wie gesagt, viele Stadtteile der mir bekannten Großstädte sind ausgesprochen ruhig, auch grün und erholsam. Viele Großstädte sind ja eigentlich eine Art Zusammenschluss früherer eigenständiger Kleinstädte, weswegen sich das Leben in diesen Stadtteilen gar nicht so stark von ländlichen Orten unterscheidet, außer durch die Nähe zur Kernstadt.

Wenn ich beispielsweise Berlin betrachte, gibt es da erstaunlich viele ländliche Ortsteile mit viel Wasser, die ausgesprochen idyllisch sind. Wenn ich in Berlin leben würde, würde ich mir vielleicht sogar ein Boot zulegen und über die Gewässer schippern. Und hier in München gibt es noch alte Dorfkerne mit kleiner Barockkirche und Friedhof, dazu kleinteilige Siedlungen, die sich nicht stark von den Orten "weiter draußen" unterscheiden.

Na gut, wenn man es so rum dreht. :)
Aber ich möchte nicht direkt IN einer Stadt wohnen.
So habe ich es gemeint.

Nesca schrieb:Aber ich möchte nicht direkt IN einer Stadt wohnen.

Naja, wie gesagt, was heißt "in der Stadt"? Wenn man die jeweils offiziellen Stadtgrenzen heranzieht, dann findet man trotzdem fast in jeder Großstadt viele sehr ruhige Viertel bis hin zu ganz unbebautem Terrain. Ich habe mich beispielsweise in Berlin schon verlaufen, und zwar nicht im "Großstadtdschungel", sondern im Grunewald, der etwa 3000 Hektar groß ist und mit mehreren Seen durchsetzt ist. Trotzdem gehört das Gebiet zur Stadt Berlin.

martenot schrieb:Naja, wie gesagt, was heißt "in der Stadt"?

Im Zentrum. 👍
Da wo sich die meisten Menschen rumtummeln, der Verkehr am größten ist.
Wo der Bahnhof ist, usw.

Nesca schrieb:Da wo sich die meisten Menschen rumtummeln, der Verkehr am größten ist.
Wo der Bahnhof ist, usw.

Da wohnen sowieso nicht viele Leute, weil es da entweder kaum normale Wohnungen gibt, oder sie sind fast unbezahlbar. Der allergrößte Teil der Stadtbewohner wohnt in den einzelnen Stadtvierteln, Vororten und Randgebieten. Klar ist es da auch nicht überall ruhig, weil es auch Stadtteilzentren und große Hauptverkehrsachsen gibt, aber im Großen und Ganzen kann man auch in der Großstadt genauso ruhig wohnen wie in der Kleinstadt oder auf dem Dorf.