EU-Bürger aufgepasst: Mit einem fiesen Trick versucht der politische Machtapparat derzeit seine 2005 gescheiterte Verfassung doch noch durchzusetzen. Aus der Wirtschaftsgemeinschaft soll eine militärische Supermacht werden! Folge: Abbau der Grundrechte, europaweite Aufrüstung und neue EU-Steuern.


Es fing alles ganz harmlos an. Die EU-Verfassung wurde 2003 von einem Eruopäischen Konvent erarbeitet und Ende 2004 in Rom unterzeichnet. Sie sollte ursprünglich am 1. November 2006 in Kraft treten.
Zuvor war aber ihre Ratifikation in allen seinerzeit 25 Mitgliedsstaaten notwenig, entweder durch die nationalen Parlamente oder in Volksabstimmungen. Doch die Meinung des Volkes war vernichten: Abstimmungen in Frankreich am 29. Mai 2005 und in den Niederlanden am 1. Juni 2005 schickten die neue EU-Verfassung schonungslos bachab. Auf weitere Bevölkerungsbefragungen wurde in der Folge frustriert verzichtet.
Das Verdikt war eindeutig. Doch hinderte es die EU-Vertreter in der Folge nicht daran, im stillen Kämmerlein einen ebenso cleveren wie miesen Plan auszubrüten, der nun am 13. Dezember 2007 seinen teuflischen Höhepunkt erleben sollte: An besagtem Tag unterzeichneten die europäischen Regierungschefs in ausgelassener Harmonie en so genannten "Reformvertrag von Lissabon".
Der Witz: Besagter "Vertrag" ist bis auf einige Einzelheiten nahezu deckungsgleich mit der seinerzeit abgelehnten EU-Verfassung - und zwar zu rund 95 Prozent. Mit dem großen Unterschied, dass der diesmal ohne demokratischen Prozess der betroffenen Bevölkerung verabschiedet werden soll.
Bis Mitte 2009 sollen alle 27 Mitgliedsländer positiv pbern den Vertrag befinden - und ihn damit abschließend gutheissen. Mit dem kleinen Unterschied, dass ihn diesmal direkt die zuständingen Parlamente brav durchnicken sollen - damit das kritische Volk nicht erneut dazwischenpfuscht. Ausser in Irland, wo das Gesetz eine Volksabstimmung zwingend vorschreibt. [...]
"Spiegel" : "Die Regierenden verkrümelten sich leise und trafen sich tags darauf in Brüssel, als wäre nichts gewesen. Bloss kein Aufsehen erregen in der Bevölkerung. Denn die hat Verfassung schon einmal gekippt."
[...]
Wie bereits der ehemalige italienische Premierminister Giuliano Amato im Juli 2007 kritisch bemekrte, ist der neue Vertrag "auffällig unselbar". Konkret: Kaum ein Normalbürger versteht, was auf den knapp 300 Seiten tatsächlich festgelegt wird. Laut Amato alles andere als ein Zufall - nur so liessen sich die drohenden Volksabstimmungen diesmal vermeiden. [...]
NUr: Was ist eigentlich so schlimm an der neuen Verfassung - beziehungsweise am neuen "Vertrag"?
Ganz einfach: Einmal mehr geraten die grundlegenden Rechte jedes Einzelnen in Gefahr. Den die "neue" EU hat mit der ehemaligen pluralistischen demokratischen "Wirtschaftsgemeinschaft" nur noch wenig gemein. Oder wie es im neuen Vertrag ausdrücklich nachgelesen werden kann - bezeichnenderweise allergings nur im Kleingedrucken ("27. - Erklärungen zum Vorrang":
"Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU unter den in dieser Rechtsprecung festgelegten Bedingen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten haben." Kurz: Das EU-Recht triumphiert künftig über die jeweilige Landesgesetzgebung. [...]
Als EU-Schreckensgespenster skizzieren die Österreicher derzeit unter anderem: "Gentechnik in der Nahrung gegen unseren Willen - obwohl bei uns Gen-Pflanzen bislang nicht angebaut werden würden", "Totale Bevormundung bei Zuwanderung", "Transit, Wasser, Raucher-Gebote und - Verbote", "Eigene EU-Steuer" und "Stille Abschaffung der Demokratie". [...]
Selbst die militärische Aufrüstung wird vorgeschrieben - wohl zum allerersten Mal in einem völkerrechtlichen Vertrag:
"Die Mitgliedsstaaten verpflicten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (im Folgenden: "Europäische Verteidigungsagentur" ermittelt den operativen Bedarf und fördert Massnahmen zur Bedarfsdeckung, trägt zur Ermittlung von Massnahmen zur Stärkung der industriellen und technlogischen Basis des Verteidigungssektors bei und führt diese Massnahmen gegenbenfalls durch, beteiligt sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung und unterstützt den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten".
Und dann folgt Freibrief um Freibrief für alle Arten von Militäreinsetzen, sowohl innereuropäischer als auch aussereuropäischer Natur. Darunter Bestimmungen wie: "Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das HOheitsgebiet eines Mitgliedsstaates müssen die anderen Mitgliedsstaaten nach Arikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten" (Art. 42)
[...]
Tatsächlich droht uns nun ein zentralistisch agierender bürokratischer Superstaat, der wirtschaftlich, politisch und kulturell zusammengeschustert, was nie zusammen gehören wird - und zusammengehören will. Eine neoliberale "EU-Diktatur", die uns künftig mehr denn je mit sinnlosen Vorschriften bombardieren wird, das Veto-Recht der Staaten und damit deren Souveränität aushebelt, eine gigantische Freihandelszone anstrebt, der Überfremdung und dem damit verduneben Nationalismus Vorschub leistet, bei gesundheitsschädlichern Lebensmittelprodukten vor alle auf interatione Lobbyisten hört und ebenso günstigen wie gesunden Alternativen - so etwa beim natürlichen Süsskraut Stevia - weiterhin einen Vertriebtsriegel vorschieben wird. [...]

Ein Staatenbund ohne wirksame demoktarische Kontrollmechanismen -- und ohne Seele! Eine neue Supermacht, die ihr Herz künftig lieber Bushs paranoider Kriegsphilosophie verschreibt, statt wahrer Friedenssicherung.
Oder wie es der stellvertretende Fraktionsschef der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn Bendit, kürzlich empört auf den Punkt brachte: "Der europäische Superstaat ist eine Orwellsche Wahnvorstellung".

von Luc Bürgin

Quelle: mysteries Magazin / aktuelle Ausgabe April 2008