Es gibt ein paar Themen auf Allmystery, die Raum für selbstgeschriebene Lyrik bieten, für Prosa hab ich aber nicht wirklich was gefunden. Deshalb eröffne ich hier einen Ort, an dem wir unsere selbstgeschriebenen Krimigeschichten reinstellen können.

Ich bastle da an einer Story, gemeinsam mit 2 anderen Typen, allerdings weiß ich nicht, ob von denen nochmal was kommt. War eine Spontanaktion, wir haben einen Kriminalfall an unterschiedlichen Schauplätzen angefangen, ohne einen Plan zu haben, was dabei rauskommen wird. Mein Teil spielt in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz.

Hier mal meine Episoden, die Geschichte ist unvollendet. Ob sie irgendwann fertig geschrieben wird? Go ask the dust for any answers... ;)

Here goes nothing...

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Drei Tage zuvor. Polizeiinspektion Kleinmünchen, Linz an der Donau.

‘Cobra, übernehmen sie.’ Der Titel dieser alten Fernseherie, die sie als Kind gesehen hatte wann immer ihre Eltern nichts davon bemerkt hatten, ging ihr immer durch den Kopf wenn sie mit Beamten des Sonderkommandos zu tun hatte. Gerade hatte sie einen Termin für eine Einsatzbesprechung bekommen, bei der vor allem der Umgang mit Demonstranten auf der Tagesordnung stand. Warum die Cobra da mitmischte war ihr noch nicht klar, schließlich gab es in Linz keinen Burschenschafterball zu bewachen und an gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen in ihrer Heimatstadt hatte sie so gut wie keine Erinnerungen.

Nachdem sie den Telefonhörer aufgelegt hatte öffnete Revierinspektorin Cordula Brauer den obersten Knopf ihrer Bluse, obwohl es schon Mitte September war wollte der Sommer noch nicht klein bei geben und trieb die Temperaturen immer noch unerbittlich an die 30°-Marke hoch. Sie sah auf die Uhr auf dem Bildschirm vor ihr, 9:32 und es war schon wieder viel wärmer als ihr gut tat. Ein Hauch von Vanille und Zimtaromen umgab sie, besonders mochte sie den Duft ihres Parfüms eigentlich gar nicht aber es war ihre Art sich an dem Kollegen der vis-a-vis seinen Schreibtisch hatte zu rächen, der jeden Vormittag genüsslich schmatzend an seinem Platz eine Leberkässemmel verdrückte die einen penetranten Geruch verströmte, den sie am Vormittag so gar nicht ausstehen konnte. Gruppeninspektor Josef Dobcinsky, der über ein Vierteljahrhundert mit Leib und Seele Streifenpolizist gewesen war und wegen einer Diabetes-Diagnose in den Innendienst wechseln musste, war gerade unterwegs um die Jause zu besorgen. Er konnte den Geruch von Süßkram nicht ausstehen, da ihn dieser an seine Krankheit erinnerte, dennoch würde er ihr eine Topfengolatsche mitbringen.
Abseits dieser Geruchsunstimmigkeiten hatten sie ein gutes Arbeitsverhältnis und sie hatte Respekt vor seiner Erfahrung im Streifendienst und seinem Riecher, er kannte diesen Teil der Stadt und seine Bewohner besser als die meisten anderen Kollegen.

An denen herrschte sowieso Mangel, irgendwie kam ihr Posten beim Besetzen von Planstellen meist als Letzter dran, obwohl viele erfahrene Mitarbeiter in den vergangenen Jahren in den verdienten Ruhestand versetzt worden waren. Der österreichische EU-Vorsitz in diesem Halbjahr tat sein Übriges dazu, dass viel Alltagsarbeit nur sehr langsam erledigt werden konnte, da andauernd irgendwelche politischen Veranstaltungen geschützt werden mussten. Ein immenser Personalaufwand, das Jahresende konnte für Cordula gar nicht schnell genug kommen, dann würde endlich wieder so etwas wie Normalität einkehren. Demnächst würden die Energieminister der EU im Design Center tagen, da war sie auch für eine Wachschicht eingeteilt. ‘Wenn die wenigstens etwas gegen diese verdammte Klimaerwärmung unternehmen würden’, dachte Cordula, ‘oder unser verdammter oberster Chef, anstatt eine völlig sinnlose Reiterstaffel aufzustellen, Geld für eine Klimaanlage rausrücken würde. Aber der wünscht sich wohl den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, und in seiner Partei zweifelt man ja überhaupt daran, dass es menschenverursachte Erderhitzung gibt.’
Mit einem Taschentuch wischte sie sich den dünnen Schweißfilm von der Stirn und versuchte sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Hinderlich dabei war das Ö3-Getüdel mit den ständigen Werbeunterbrechungen, das aus dem kleinen CD-Radio schepperte, und so nützte sie die Abwesenheit ihres Kollegen um eine CD einer Band namens Fischmob einzulegen, ein Geschenk einer Freundin aus Kiel, die auch in gewisser Weise eine Kollegin war, arbeitete sie doch in der dortigen Gerichtsmedizin als Sekretärin. Zufälligerweise hieß ihr Chef genau so wie der aktuelle österreichische Bundeskanzler, Kurz, aber an den Vornamen konnte sich Cordula nicht erinnern.
Sie nahm sich vor, diese Freundin am Abend anzurufen. Nach dem Abendessen, wofür sie sich wie meistens am Heimweg etwas von Nordsee mitnehmen würde. Sie liebte Seefisch, manchmal fühlte sie sich wie im falschen Land geboren.

Gerade war sie dabei, ein Schreiben an die Kollegen in Bozen aufzusetzen. Gestern war ein ziemlich verstörter junger Mann am Posten aufgetaucht, der seinen Vater als vermisst gemeldet hatte. Der Bursche sprach zwar einwandfreies Oberösterreichisch, sein Aussehen konnte seine asiatische Herkunft jedoch nicht verbergen, und der Name Bernhard Chen legte nahe, dass sein Vater Phuong wohl eine Verbindung mit einer Einheimischen eingegangen war.
Laut dem von Josef angefertigten Protokoll hatte der junge Herr Chen, der im asiatischen Restaurant seines Vaters arbeitet, diesen seit zwei Tagen nicht gesehen. Josef hatte auf dem kurzen Dienstweg – schließlich war er ein guter Bekannter des Filialleiters der Sparkasse wo auch Herr Chen sein Privatkonto hatte – noch herausbekommen, dass seine letzte Kontobewegung auf einer Autobahntankstelle kurz vor dem Brenner gewesen war, wo dieser getankt und Zigaretten gekauft hatte. Obwohl er laut seinem Sohn vor über zehn Jahren zu rauchen aufgehört hatte.

In diesem Moment klingelte das Telefon.

Cordula griff ohne ihren Blick vom Monitor zu nehmen zum Telefonhörer, doch sie hörte nur das Freizeichen. Genervt beugte sie sich vor und hob das Gerät ihres Kollegen ab, welches Rücken an Rücken zu ihrem stand. Wann würde er endlich seinen Signalton ändern, damit sie nicht jedesmal schauen müssten, bei wem das Display leuchtet, wenn ein Anruf reinkam?
Am Apparat war die Frau des Vermissten, die sich mit Bettina Phuong vorstellte.

Eine Viertelstunde später.

In Gedanken versunken erschrak Cordula, als ein Sackerl klatschend auf ihrem Schreibtisch aufschlug. ‘Mahlzeit!’ dröhnte die Stimme Dobcinskys an ihr linkes Ohr, er kam gerade bei der Tür herein und pflanzte sich leise stöhnend in seinen ebenfalls stöhnenden Sessel. Sogleich entfernte er die Alufolie um seine Jause und Geruch von warmem Leberkäse stieg in die Nase der Polizistin. ‘Wos schaustn so verdadert, de Topfngolatschn is gonz frisch und de Marrün schaut ah guat aus. Los das schmeckn.’
Noch immer etwas abwesend murmelte sie ein ‘Danke’ und verkniff es sich, die Nase zu rümpfen. Sie packte die Golatsche aus, stellte sie ohne abgebissen zu haben wieder auf den Tisch und erzählte ihm von dem Anruf.

‘Aufgepfeichnet’ sagte ihr Gegenüber und rieb sich die Hände. Die Semmel war bereits gegessen, die letzten Kauvorgänge zogen das Wort aber in Mitleidenschaft.
‘Kannst nicht runteressen bevorst was sagst? Außerdem schaust Du zuviel Simpsons mit deinen Kindern. Noch dazu wo dein Körperbau viel näher an dem von Homer ähnelt als dem dürren Mr. Burns.’

‘Meine Kinda schaun scho long nimma mit mir fern. De hom jetz ois auf ihre Handys, und de Simpsons san eana z’kindisch. Oba des is doch guat, won der Chines noch China gflogn is zum Begräbnis vo seina Muata und da Bua des nu net gwusst hat, is er jo net vermisst und de Soch is erledigt. Wos er nu am Brenner woit konn uns jetzt wuascht sei.’

‘Du willst doch nur pünktlich Schluss machen weilst wieder Asphaltstock schießen gehst. Aber irgendwas is an der Sache oberfaul, warum fragt der Junge nicht erst seine Mutter, wo der Papa steckt sondern kommt gleich zu uns und überredet dich zu einer Vermisstenanzeige? Ich war ja nicht dabei, aber Du hast doch gsagt dass der ziemlich durch den Wind war, oder nicht?’

‘Du kannst jo nu amoi mit dem Buam redn wennst so vü Zeit host, oba für mi is der Fall derweil erledigt, i hob nu a boa Berichte zum schreibn und donn geh i hoam.’

‘Zu deinen Kumpanen meinst du wohl, aber okay, ich hab heut auch keine Zeit mehr, am Nachmittag is eine kurzfristig angesetzte Einsatzbesprechung für den Designcenter-Einsatz mit einem von der Cobra, da muss ich hin und erfahrungsgemäß zieht sich das. Die hörn sich so gerne reden und sind ja soo gscheit, diese Elitewuzzis. Dabei kommen höchstens ein paar von Greenpeace demonstrieren, und mit denen werden wir auch ganz alleine fertig. Hat sich ja nicht großartig geändert die Vorgehensweise der Demonstranten in letzter Zeit, aber klar brauchts zum Schutz der Bonzen martialische Spezialeinheiten, uns Normalopolizisten traut man scheinbar nicht mehr allzu viel zu.’

Schließlich nahm Cordula die Topfengolatsche in Angriff und Dobcinsky schaltete wieder auf Ö3 um, wo der Wetterbericht ein nassen Kälteeinbruch in wenigen Tagen ankündigte, was ihn zu einem leisen Fluch veranlasste, der seiner rheumatoiden Arthritis geschuldet war.

Obwohl es schon halb Sechs war fühlte Cordula beim Verlassen des Polizeipostens unangenehme Feuchtigkeit am ganzen Körper, die Abendluft war schwül und über ihrem Kopf bedeckte ein weißer Schleier teilweise den Himmel, während ihr die Abendsonne auf den Rücken schien. Sie hatte nur eine neue Schicht Deodorant aufgetragen, als sie von der Uniform in ihre Privatkleidung geschlüpft war, duschen würde sie erst zu Hause.
Der Vermisstenmeldung hatte sie noch das Gesprächsprotokoll des Anrufs von Frau Phuong hinzugefügt, ließ die Akte aber auf ihrem Schreibtisch liegen, das Vorgefallene kam ihr doch allzu seltsam vor. Morgen früh würde sie vor ihrem Außeneinsatz beim Designcenter den Dobby noch motivieren, die Aussage zu überprüfen, der plötzliche Abflug des urplötzlich von seinem Sohn vermissten Herrn nach China musste sich ja leicht überprüfen lassen.

Sie ging die paar Meter zur Straßenbahnstation Remise Kleinmünchen und stieg dort in eine bereits recht volle Garnitur ein. Die Gerüche, die ihr in die Nase stiegen ließen darauf schließen, dass nicht viele vor dem Nachhauseweg noch Zeit für eine Übertünchung des Körpergeruchs gehabt hatten. An der Mozartkreuzung stieg sie aus und holte sich bei der Nordseefiliale eine Portion gebratenen Seelachs mit Petersilerdäpfeln und ließ sie sich die Mahlzeit einpacken. Die paar hundert Meter zu ihrer Altstadtwohnung legte sie im Laufschritt zurück, jetzt war es wegen dem Schwitzen eh schon egal, und immer zwei Stufen auf einmal nehmend rannte sie die Treppen in den 3. Stock hoch. Als sie die Wohnungstür öffnete, wartete dahinter schon Moritz, der zur Begrüßung ihre ausgestreckte Hand abschnüffelte und sich dann sogleich für das Sackerl mit dem Abendessen in der Styroporverpackung zu interessieren begann. ‘Ksch, Moritz, lass mich rein. Kriegst ja gleich den Fressen.’ verscheuchte sie den aufdringlichen Kater und konnte endlich ihr Heim betreten. Sie atmete kurz durch, öffnete das Wohnzimmerfenster, stellte das Abendessen schon mal in die Mikrowelle, richtete Moritz seine Abendration Feuchtfutter her und verschwand ins Badezimmer.

Moritz verschlang genüßlich sein Futter, während Frauchens Stimme aus dem Bad zu vernehmen war:

‘<a href="Youtube: Wanda (A) - Bologna
Wanda (A) - Bologna
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
">Tante Ceccarelli hat in Bologna Amore gemacht</a>! Amore, meine Stadt.
Tante Ceccarelli hat einmal in Bologna Amore gehabt! Bologna, meine Stadt.’
Obwohl es sich für seine Katzenohren natürlich ganz anders anhörte.

Nach dem Duschen – auf FM4 hatte sie mal wieder einen Song von Wanda gehört und lauthals mitgesungen, obwohl diese Band in letzter Zeit ziemlich gehypt worden war, hatte sie sich noch nicht daran sattgehört und sie war auch schon mal auf einem Konzert gewesen – hatte sie das Hungergefühl fürs Erste übertaucht und holte ihr Smartphone aus der Handtasche. Keine neuen Whatsapp-Nachrichten bis auf ein lustiges GIF von ihrer Mutter – die hatte seit zwei Jahren auch ein Handy und konnte dank eines Enkels, Cordulas Neffe Linus, einigermaßen damit umgehen – und überlegte kurz, ihrer Freundin in Kiel auch eine Nachricht zu schicken. Sie entschied sich aber dagegen, weil sie nach einem schweigsamen Nachmittag lieber ein wenig quatschen wollte und wählte die Nummer von Helga.



‘<a href="Youtube: STUCK MOJO - Not Promised Tomorrow (OFFICIAL VIDEO)
STUCK MOJO - Not Promised Tomorrow (OFFICIAL VIDEO)
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
">If I close my eyes will I rise</a>?
If I don’t that won’t be no surprise
I live my life like my last
Learned many lessons but I have to laugh
Because your not…
…Promised…Tomorrow!’

Kopfschüttelnd näherte sich Josef Dobcinsky der Gestalt im Rollstuhl, die da an der nach der Abendstoßzeit ansonsten verlassenen Straßenbahnhaltestelle mit geschlossenen Augen und kleinen schwarzen Hörern in den Ohren headbangend die Arme bewegte als sei er ein Schlagzeuger in voller Fahrt und nicht gerade leise unverständlichen – naja, mangels eines besseren Wortes – Gesang absonderte.
Mit einer raschen Bewegung zupfte er ihm die Hörer aus den Ohren und begrüßte ihn ‘Hallo Gerd, wieder amoi versunkn in deina Musikwöd?’
‘Verdammt Joe, Du sollst mi doch net so schrecken, oide Haut. Samma startklar?’
‘Sicha, loß uns a weng trainieren.’
Gerhard Steinbrecher, wegen seiner Fortbewegungsart auch als rollender Stein bekannt, war ein guter Freund von Dobby, obwohl er fast 15 Jahre jünger war. Einst selber Polizist, war er nach einer nur kurzen Karriere seit einem Unfall mit dem Dienstmotorrad querschnittgelähmt. Sie hatten sich schon vor dem Unfall gekannt und Josef hatte ihn ein wenig unter seine Fittiche genommen, nachdem einschneidenden Erlebnis war er ihm auch in der schlimmsten Zeit beigestanden und die beiden hatten sich von Kollegen zu Freunden entwickelt. Immer wieder wollte er Gerd dazu überreden, weiter bei der Polizei im Innendienst zu arbeiten, in der Kriminalabteilung hätte sich sicher eine Stelle für ihn finden lassen, war er doch ein helles Köpfchen und mit ein wenig Fleiß und Fortbildung wäre einer Fortsetzung seiner Berufslaufbahn nicht viel im Wege gestanden, doch Gerd genoß seither seine Unabhängigkeit, konnte er doch von der Invaliditätspension gut leben und fettete sich sein Einkommen noch mit dem gelegentlichen Verkauf von Teilen der Ernte seiner kleinen Indoor-Hanfplantage in einem besonderen Raum seiner großzügigen Wohnung auf. Da er beste Verbindungen hatte und auch manche seiner Ex-Kollegen den Geschmack seiner Züchtung zu schätzen wussten brauchte er keine unverhoffte Razzia fürchten, und er hatte eine topmoderne Ausstattung, die keine auffälligen Gerüche nach außen dringen ließ, woraufhin es auch keinen Grund für Misstrauen seitens der Nachbarn gab.

‘Wer als letzter bei der Sportanlage ist zahlt ein Bier.’ sagte Gerd und rollte los.
‘Unfair!’ rief Joe und setzte seinen Körper, der schwerer war als sein Freund und dessen Rollstuhl zusammen, schnaufend in Bewegung.

...

Moritz saß erwartungsvoll vor der Couch während sein Frauchen ein Stück von der Zeitung abriss und zu einem Kügelchen zusammenrollte. Wieder einmal fragte sie sich, warum sie noch immer ein Tageszeitungsabo hatte, obwohl sie selten mehr als die Titelseite las. Sie schnipste das Teil in Richtung Gang und Moritz flitzte hinterher und begann es kreuz und quer über den Parkettboden zu scheuchen. Auf die Fernsehnachrichten konnte sie sich nicht konzentrieren, vergeblich versuchten Nadja Bernhard und Rainer Hazivar ihr die vermeintlich wichtigen Ereignisse des Tages zu erzählen.

In Gedanken war sie schon bei ihrer Freundin Helga in Kiel, spontan hatte sie diese übers Wochenende zu sich eingeladen und sie hatte schon einen Flug nach Hamburg gebucht, war zwar nicht billig aber wenn es schon mal einen Direktflug von Linz gab konnte sie sich wenigstens den Umweg mit dem Zug zum Flughafen Wien-Schwechat sparen.
Eigentlich wollte sie das lange Wochenende – sie hatte am Donnerstag und Freitag endlich zwei Tage Urlaub nehmen können, nachdem sie den ganzen Sommer über im Dienst gewesen war, Schicksal der Kinderlosen in einem Land, wo die Schulen immer noch für 9 Wochen ihre Pforten schlossen – schön gemütlich ausschlafen und regenerieren und ansonsten hauptsächlich nichts tun, aber das ging bei ihrer Freundin mit kleinen Abstrichen wohl auch, Helga war eh eine Gemütliche.

Konni, was war das denn für ein Name? Helga war ein wenig ins Schwärmen gekommen, ihr Chef musste irgendwas Besonderes an sich haben, sie hatte es wohl gut erwischt mit der Stelle in der Gerichtsmedizin in Kiel, wo sie seit zwei Jahren Dienst tat.

Aber wofür stand Konni? Konrad? Konstantin? Korbinian vielleicht, diesen Namen kannte sie von den Rosenheim Cops, aber sie bezweifelte ein wenig dass jemand im echten Leben so hieß. Oder Kornelius? Dem Namen ihrer Schwester – sonderlich kreativ waren ihre Eltern bei der Namenswahl für die beiden Töchter nicht gewesen – in männlicher Form war sie auch noch nie begegnet. Außer als Nachname, es gab da diesen nicht gar so bekannten Austropopper Peter Cornelius, als Kind hatte sie ungefragt Radio Oberösterreich über sich ergehen lassen müssen, und da hatte sich ein veritabler Ohrwurm festgesetzt, der sich ab und zu ins Bewusstsein drängte. ‘Du entschuldige i kenn di‘, ein schrecklich banales Stück Musik.
Zum Glück lenkte Moritz sie von diesem Gedanken ab, der mit dem Kügelchen im Maul auf die Couch sprang und es vor ihr fallen ließ, bereit für eine neue Runde.

Sie würde bald schlafen gehen, morgen stand die Bewachung des EU-Treffens auf dem Plan, und insgeheim war sie froh, dass die Kollegen von der Cobra ihnen den Rücken frei halten würden.

...

‘Und was wird jetzt aus meinem Bier?’
‘Nächsts Moi, Gerd, hot heit net soin sei. I muaß morgn den Posten quasi allane schupfn, de meistn Kollegen san beim Gipfötreffen. Am Freitag trink ma oans, vasprochn.’ Dobcinsky verabschiedete sich mit festem Händedruck und stieg in die Straßenbahn.
Gerhard überquerte die Gleise und wartete auf eine Garnitur der Linie 2. Dann würde er halt alleine noch ein Flascherl auf dem Balkon seiner Wohnung in der Solar City köpfen. Oder doch drinnen, es begann zu tröpfeln. Er sah auf die Anzeigetafel, die seine Bim in 6 Minuten ankündigte. Da das Tröpfeln zu einem ordentlichen Regenguss anschwoll stellte er sich beim Haltestellenhüttel unter.

Schon sehr seltsam was ihm Joe von diesem Chinesenwirt erzählt hatte. Nachdem sie die anderen Mitglieder der Stock-Cops, die auch an den ASKÖ-Vereinsmeisterschaften teilnahmen, verlassen hatten – Dobby und der Stein betrieben den Sport nicht ernsthaft, spielten mit den anderen Polizisten nur öfters eine Partie und kamen ganz selten bei Meisterschaftsspielen zum Anfeuern mit -
kamen sie kurz nach 20 Uhr frisch geduscht vor dem Klubhaus zusammen und Dobby hatte vorgeschlagen, statt 2 Euro für 2 Flaschen Gösser in die Vereinskasse zu werfen lieber frisch Gezapftes bei einem Chinesen in der Nähe einzunehmen. Gegen diesen ungewöhnlichen Anfall von Großzügigkeit hatte Gerd nichts einzuwenden, und auf dem Weg dorthin schilderte ihm sein Freund was vorgefallen war, gestern die Vermisstenmeldung vom Junior, heute der Anruf der Frau, dass alles nur ein Missverständnis gewesen sei und Mr. Phuong wegen eines Trauerfalls heute morgen nach Peking abgeflogen war. ‘Reden wohl nicht viel miteinander, dass der Sohn das erst so spät erfahren hat, aber sowas kommt in den besten Familien vor,’ hatte Gerd lapidar angemerkt. ‘Lässt sich ja leicht überprüfen, ein Anruf beim Papa reicht.’
Und genau das wollte Dobby nebenbei von Frau Phuong erledigt haben, während sie sich ein kühles Blondes schmecken ließen.

Das Restaurant war schon in Sichtweite auf der anderen Straßenseite. Gerd blieb stehen. Im Schein der Straßenbeleuchtung hatte in einer Seitengasse etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Hinter einem großen weißen Van, nur von hier schräg gegenüber sichtbar, stand ein schwarzer Sportwagen.

‘Geile Maschin, Oida!’ entfuhr es ihm. Das Assoziationen an einen modernen Kampfjet erweckende Fahrzeug passte ungefähr so gut in diese etwas schäbige Gegend wie ein Polizeipferd in eine Großstadt im 21. Jahrhundert.
‘Hmm, wos is?’
‘Schau mal da rüber, ich denk das ist ein Lamborghini Aventador Coupé, in freier Wildbahn kriegt man die nicht oft zu Gesicht. Wolln wir ihn uns genauer anschaun?’
‘Aber nur kurz, es is scho spät.’

Bevor sie sich entschieden hatten, ob sie weiter zur nächsten Ampel oder nochmal zurück zur letzten Gehsteigabschrägung gehen sollten, um die Wiener Straße zu überqueren, öffnete sich die Pforte ihrer Abenddestination und heraus kamen zwei asiatisch aussehende Männer in Anzügen. Der größere, ein ungewöhnlich bulliger Glatzenträger hatte dem anderen die Türe aufgehalten und eilte ihm nun voraus, genau auf die Seitengasse mit dem Sportwagen zu, und tatsächlich, er öffnete die Fahrertür, welche geräuschlos nach oben schwenkte und schloß sie wieder, nachdem der kleinere Typ, der, obwohl die Sonne schon vor etwa einer Stunde untergegangen war, eine kleine, stark getönte runde Brille trug. Und einen Hut mit einem weißen Band um die Krempe, den er vorm Einsteigen abnahm. Dann umrundete er das Fahrzeug und nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
Die Lichter gingen an und, ungewöhnlich geräuscharm für einen Sechseinhalbliter V12-Zylinder, setzte sich die Flunder in Bewegung. Als das Auto vor ihnen in die Hauptstraße einbog konnten sie das Nummernschild erkennen, der Wagen war in der Schweiz zugelassen.

‘Unglaublich.’
‘Jo, wie sich die Typen in de floche Schüssl einigfalten ham, do kinnans froh sei dass net recht groß worn.’
‘Na, ich mein, dass so jemand aus einem unscheinbaren Restaurant hier an der Wiener Straße kommt, für den ist ja der Golden Palace noch deutlich zu billig, um dort zu essen, dabei gibts kein besseres Chinarestaurant in Linz. Was zum Geier treibt so einer bei einem 08/15-Chinesen in Kleinmünchen?’
‘Vielleicht a reicher Onkel aus da Schweiz auf Kondolenzbesuch?’
‘Fragen wir halt.’
‘Schaut net guat aus, de hom derweil zuagsperrt.’ Während Gerd dem Wagen nachgesehen hatte, hatte Joe bemerkt dass im Restaurant die Lichter ausgegangen waren. Sie gingen zur Ampel und überquerten die Straße. Zugesperrt, obwohl laut der Tafel mit den Öffnungszeiten eigentlich bis 22:00 geöffnet war. Dobcinsky wollte nicht läuten und die Trauerfamilie stören, er würde an einem anderen Tag einen Kollegen vorbeischicken um die Geschichte mit dem Flug nach Peking überprüfen zu lassen.
‘ I geh jetzt hoam.’
Der inzwischen schon recht durstige Gerd schaute ungläubig zu ihm hoch.

Und so kam es, dass die beiden an diesem Abend doch kein gemeinsames Bierchen mehr genießen konnten.
Quelle: stone1, Erstveröffentlichung auf https://scienceblogs.de/bloodnacid/