Allgemeinwissen gibt es das noch? Was passiert in unseren Schulen?

@Rho-ny-theta

Rho-ny-theta schrieb:In dem im Artikel genannten Beispiel wird das so geregelt, dass man die Eltern um Geld erpresst - damit hat man aber auch das Problem erledigt, dass die "falschen" Kinder da rein kommen, für Kinder aus Nicht-Akademiker-Doppelverdiener-Haushalten ist der Spaß einfach zu teuer.

Ich dachte das wäre im Subtext mitgeschwungen :) Klar ist das zu teuer! Damit der ganze Spaß überhaupt was bringt in diesem System braucht man so ca. einen Betreuer auf zwei Schüler.
Und es werden nur Eltern ihre Kinder auf so eine Schule schicken, die es sich leisten können und die solchen Ideen offen gegenüberstehen. Die also ihre Werte schon ihren Kindern vermittelt haben, die an so einer Schule wahrscheinlich besser zurechtkommen als jemand, der unfreiwillig von einer öffentlichen Schule auf so eine Anstalt geschickt wird. Ein Experiment, wie gesagt. Wäre ich ganz böse, würde ich mit einem mehrklassigen (nicht im Sinne von Schulklassen) Schulsystem anfangen, was ja jedermann gerne abgeschafft hätte. Solche Privatschulen sind aber auch nichts anderes, da dort nur Menschen mit dem nötigen Kleingeld und einer gewissen Bildung ihre Kinder anmelden wollen würden.

@mightyrover

So wird das da geregelt:

Das Schulgeld wird individuell nach Selbsteinschätzung festgelegt. Dazu treffen sich alle Eltern vor Beginn des anstehenden Schuljahres. Auf diesem Treffen wird das Jahresbudget offen gelegt und die Eltern geben jeweils anonym an, wie viel sie als monatliches Schulgeld bezahlen können. Reichen diese Schulgeld-Zusagen zur Deckung der Kosten noch nicht aus, werden alle Eltern in einer weiteren Runde gefragt, ob sie ihre Zusage etwas erhöhen können. Dies wird solange wiederholt, bis der Haushalt gedeckt ist.



Im Durchschnitt ergibt sich derzeit ein Schulgeldbetrag von ca. 190 Euro monatlich (bei einer Spannbreite von ca. 100 bis 350 Euro pro Kind und Monat).

http://www.kapriole-freiburg.de/deutsch/fakten/finanzierung/ (Archiv-Version vom 05.08.2015)

Wenn ich also 2 Kinder in dem Laden unterbringen will, muss ich jedes Jahr im Extremfall 8200€ über den Tisch schieben, wohlgemerkt zusätzlich zu Spenden und Mitarbeit an div. Schulaktionen, die ausdrücklich vorausgesetzt wird. Lass es im Jahr mit Schulmaterial für 2 Kinder 10.000€ sein. Da kommt über 9 Jahre einiges zusammen.

@Rho-ny-theta

Und bei dem Betrag ist es noch nicht mal sicher, ob mein Kind dort was lernt :D Wenn es einfach keine Lust hat, macht das ja nichts an so einer Schule.. Wie eine teure Kita..

@mightyrover

Bei der konkreten Ausgestaltung ist es eher sicher, dass es nix lernt. Lies dir mal die Seite durch, stellenweise erschreckend:

Wer sich die Aufzählung der Aktivitäten an der Kapriole aufmerksam durchliest, erkennt schnell: Die so genannten „Kulturtechniken“ - Lesen, Schreiben, Rechnen - begegnen den Kindern in der Kapriole auf Schritt und Tritt von Anfang an.



Sei es, weil bei der Frühstücksvorbereitung überschlagen werden muss, wieviele Äpfel in Achtel geschnitten werden müssen, damit alle 50 Kinder ein Stück bekommen (und wie verteilt man bitte den Rest gerecht?), oder weil beim Kochen ein Rezept für vier Personen natürlich nicht für 25 Kinder reicht oder weil es Diskussionen darüber gibt, ob der grüne Raum größer ist als der blaue – das lässt sich ja abmessen. Und wenn ein Kuchen sehr gut geschmeckt hat, soll vielleicht das Rezept aufgeschrieben werden, und zwar so, dass die Eltern es auch lesen können. Wie gut, dass es Leute – Erwachsene und erfahrenere Kinder - gibt, die schon wissen, wie das geht und die den Lernenden bei Dingen, die sie ausprobieren wollen, Unterstützung geben oder ihnen zu schwierige Aufgaben abnehmen.

Ein wichtiger Ansporn sich z.B. mit Schriftsprache auseinanderzusetzen, kann auch die an der Kapriole gelebte Demokratie sein: Versammlungspunkte oder –protokolle lesen, Ankündigungen schreiben, Eingaben ans Justizkommitee (s.u.) oder Anträge an die Versammlung verfassen usw.



So lassen sich die Kulturtechniken gar nicht vermeiden, ihre Wichtigkeit für das Zusammenleben in der Kapriole und in unserer Gesellschaft ist offensichtlich und niemand verlässt die Schule ohne sie gelernt zu haben.



Allerdings gibt es in unserem Konzept keine Vorgaben, zu welchem Zeitpunkt sich die Kinder und Jugendlichen mit welchen Aspekten des LesenSchreibenRechnens beschäftigen müssen oder wann sie etwas Bestimmtes können sollen.

http://www.kapriole-freiburg.de/deutsch/vortr%C3%A4ge/lesen-schreiben-rechnen/ (Archiv-Version vom 20.01.2015)

Nach dem Konzept lernt man vielleicht noch Prozentrechnung, aber kein Kind wird sich freiwillig mit abstrakterer Mathematik oder Physik beschäftigen, da man die im Alltag nicht wirklich sieht oder braucht.

@mightyrover

Ach und denke nicht, dass mit den bis zu 3500€ pro Kind und Jahr Schluss sind - Fronarbeit ist auch noch angesagt:

Eltern sorgen für die Funktionsfähigkeit der Gebäude und sind in verschiedensten Arbeitsgruppen (Schulhaus, Materialien, Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising, Finanzen und Buchhaltung, Untervermietung, ...) aktiv, um den Schulbetrieb zu ermöglichen. Einige Eltern engagieren sich mit ihren speziellen Fähigkeiten bei Angeboten im Schulalltag (z.B. Zeichenkurse, Tanzangebot, Hörspiele, Filmprojekt).



Pro Familie sind ca. 90 Stunden Elternarbeit pro Schuljahr zu leisten. Alleinerziehende bringen etwa 60 Stunden ein.

http://www.kapriole-freiburg.de/deutsch/fakten/elterninitiative/ (Archiv-Version vom 05.08.2015)

Wenn wir mal als Stundenlohn nur irgendwas um die 10€ ansetzen, sind das nochmal fast 1000€ jährlich an unentgelticher Arbeit.

@Rho-ny-theta

Rho-ny-theta schrieb:Nach dem Konzept lernt man vielleicht noch Prozentrechnung, aber kein Kind wird sich freiwillig mit abstrakterer Mathematik oder Physik beschäftigen, da man die im Alltag nicht wirklich sieht oder braucht.

Da stimme ich dir vollkommen zu. Klingt eher nach Kindergarten, was die dort machen. Will garnicht wissen, wie da der "Unterricht" nach der Unterstufe aussieht. Stark finde ich, wie da die nächste Generation Protestbürger geschult wird :D Anträge und Ankündigungen schreiben, Angaben ans Justizkommitee (was auch immer das sein soll), Versammlungsprotokolle lesen, usw. Ziemlich naiv, was die dort unter "Kulturtechniken" verstehen. Was die Arbeit der "Elterninitiative" angeht: Hat was von Sekte finde ich. Gegenseitig auf die Schulter klopfen, wie toll und alternativ man doch ist und sich dabei ausnutzen lassen.

@mightyrover

Unterricht gibts da nicht, die Kinder sollen sich gegenseitig was beibringen.

Sekte trifft es ganz gut, wenn die Kids nämlich verblöden, sind per Definition die Eltern schuld:

Immer wieder ist die Kapriole für Eltern aber auch eine große Herausforderung – müssen sie sich doch von ihren eigenen schulischen Lernerfahrungen verabschieden und ertragen, dass ihr Kind einen ihnen größtenteils unbekannten Weg des Lernens einschlägt. Zweifel treten auf, wenn das Kind sich nicht mit Schreibschrift beschäftigen will oder wenn die Lernerfolge nicht abrufbar sind wie eine aufgesagte Einmaleins-Reihe. „Lernt mein Kind denn wirklich was?“ fragen sich die meisten Eltern zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer „Kapriole-Laufbahn“.

Manche Kinder (besonders, wenn sie von einer anderen Schule wechseln) brauchen viel Zeit, um ihren individuellen Umgang mit der Freiheit an der Kapriole zu finden und schlagen dabei manchmal Wege ein, die ihre Eltern schwer mitgehen können. Außerdem ist das Leben mit einem „respektvoll behandelten Kind“ oft anstrengend. Wer sich sicher ist, ernst genommen zu werden, fordert sein Recht ein, unüberhörbar und teilweise penetrant. Auch das Kompromisse-Schließen und Andere-Berücksichtigen muss ja erst gelernt und geübt werden. Von den Kindern und von den Eltern.

In solchen – und anderen – Fällen ist es hilfreich, möglich und erwünscht, sich mit anderen Eltern und dem pädagogischen Team auszutauschen und sich Unterstützung zu holen. Es ist immens wichtig, dass die Eltern Vertrauen in die Arbeit der Lehrer/innen haben und in die Fähigkeit ihres Kindes, seinen Weg selbstbestimmt gehen zu können.

In regelmäßigen Abständen bereitet das Team Elternabende zu pädagogischen Themen vor. Es besteht außerdem immer die Möglichkeit Einzelgespräche und Hospitationen mit anschließender Reflexion zu vereinbaren. Zweimal im Jahr findet das „Eltern-Team-Forum“ statt, wo aktuelle Fragen und Probleme geklärt werden können.

http://www.kapriole-freiburg.de/deutsch/fakten/lernende-eltern/ (Archiv-Version vom 05.08.2015)


Ich hätte ganz ehrlich gesagt auch Bedenken, Jungs und Mädels in der Pubertät den ganzen Tag im Prinzip unbeaufsichtigt und ohne Beschäftigung irgendwo im Wald zusammenzupferchen...

Rho-ny-theta schrieb:wenn das Kind sich nicht mit Schreibschrift beschäftigen will oder wenn die Lernerfolge nicht abrufbar sind wie eine aufgesagte Einmaleins-Reihe. „Lernt mein Kind denn wirklich was?“ fragen sich die meisten Eltern zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer „Kapriole-Laufbahn“.

Allein hier schrillen schon die Alarmglocken bei mir. Eine Schule, in der die Eltern sich laut Beschreibung der Schule selbst garantiert fragen, ob ihre Kinder dort was lernen? Oh man..

Erbärmlich finde ich auch das hier:

http://www.kapriole-freiburg.de/deutsch/konzept/ (Archiv-Version vom 20.01.2015)

Schaut mal, was unter dem Link "Lesen, Schreiben, Rechnen" steht. Ohne Worte.

@mightyrover

mightyrover schrieb:Schaut mal, was unter dem Link "Lesen, Schreiben, Rechnen" steht. Ohne Worte.

Das hatte ich vorhin schon zitiert :D

@mightyrover

Der einzige Lichtblick bei dem Käse ist, dass der Abschluss, wenn es nicht nur das international nicht anerkannte "Eudec-Diplom" werden soll, an einer echten Schule abgelegt wird, also nixmehr mit Chichi. Ob die Kids da eine Chance haben, steht auf einem anderen Blatt.

Also ich muss unsere Generation verteidigen die immer als "dumm" und "desinteressiert" angeprangert wird.
Ich habe letztes Jahr meine Ausbildung im Technischen bereich abgeschlossen und muss zurückblickend sagen das unser Berufsschuleunterricht total langweilig und von unseren Lehrern, selbst bei sehr interessanten Themen, heruntergeleiert wurde. So nach dem Motto hauptsache sie bestehen die Prüfung.
Ebenso in den "Ausbildungs"betrieben. Dort wurde auch nur auf die Zahlen geschaut wieviel der Azubi heute abgearbeitet hat. Von Ausbildung hat man nichts gespürt.

Troz all dem habe ich mich für viele Sachen begeistern können denen ich in meiner Freizeit nachgehe.

Unsere Welt verändert sich täglich (vorallem im Technischen bereich).
Das da ein normalsterblicher Mensch mit dem lernen nicht hinterher kommt ist doch kein Wunder. Trozdem wird es von unserer Gesellschaft verlangt alles zu wissen.
Da wundert es mich nicht das Burnout zur Alltagskrankheit gehört.

Ich behaupte unsere Generation ist gebildeter als vor 70 Jahren. Denn wir haben einen großen Vorteil und das ist die Informationsverfügbarkeit die es vor dem Internet so nicht gab.

@Rho-ny-theta

Hatte ich nicht gesehen :) Der Abschnitt über lernende Eltern ist höchst Aufschlussreich. Nach dem Motto: "Beruhigt euch, euer Kind macht euch das Leben zu Hölle und ist schwierig, weil es respektvoll behandelt wird und sein Recht einfordert". Trotzdem soll da später ein an die Gesellschaft angepasster junger Mensch herauskommen. Ich weiß ja nicht.

Rho-ny-theta schrieb:Der einzige Lichtblick bei dem Käse ist, dass der Abschluss, wenn es nicht nur das international nicht anerkannte "Eudec-Diplom" werden soll, an einer echten Schule abgelegt wird, also nixmehr mit Chichi. Ob die Kids da eine Chance haben, steht auf einem anderen Blatt.

So weit war ich noch nicht, aber gut das zu hören. Glaube ganz ehrlich nicht, dass die meisten Kinder von dieser Schule an einer öffentlichen Schule eine Chance haben. Denn die kommen von einer Schule, wo ihnen das Lernen nicht beigebracht wird. Ein Schüler der zum Abi machen die Schule wechselt ist doch heillos von Lerntempo und Stoffpensum überfordert, wenn er vorher jahrelang irgendwelchen lustigen Kommitees oder Theatergruppen beigewohnt hat und Schule so viel Spaß gemacht hat, weil es ja keine Zwänge gab.

War da letztes Jahr nicht irgendwas in der Zeitung, wonach eine gesamte Abiklasse einer alternativen Privatschule samt und sonders durch die Prüfung gefallen ist?

@mightyrover

Besonders heikel ist, dass die da auch Schüler mit geistigen und sonstigen Behinderungen aufnehmen. Ich weiß aus Erfahrung, dass die schon mit Einzelbetreuung teilweise sehr schwierig sein können, in dem Wirrwarr dort gehen die garantiert völlig unter.

@Rho-ny-theta

Ich stelle mir gerade vor, wie ein Absolvent dieser Schule mit EUDEC-Diplom in der Tasche seine Ausbildung zum Industriemechniker antritt :D Der fällt doch aus allen Wolken, wenn er mit der Realität der Arbeitswelt konfrontiert wird. Wenn ein "Ja, aber.." das letzte ist, was ein Ausbildungsleiter hören möchte.

Was die Inklusion angeht, die ist auch an öffentlichen Schulen trotz relativ Intensiver Betreuung schon schwer genug. Ob die da ein vernünftiges Konzept haben wage ich zu bezweifeln.

@mightyrover

Fassen wir zusammen: die Schulform ist nix.

@Rho-ny-theta

Agree!

azzmazter schrieb:den aktuell diskutierten Tweet einer Schülerin

Hier habe ich mich echt gefragt, wer ist denn diese Schülerin oder wen kennt sie, dass gerade ihr Tweet nun diese Debatte auslöst? Als hätte sie da irgendeine Weltneuheit formuliert, die noch nie zuvor jemand im Netz geäußert hat. Wie oft wurde denn schon über genau das diskutiert - schon etliche Male.


Ich kann es derweil nur bestätigen. Aus der Schule habe ich so gut wie nichts Brauchbares für das "praktische Leben" mitgenommen / mitnehmen können. Lediglich ein geringes Maß an politisch-gesellschaftlicher Bildung - wobei, ich glaube, selbst die habe ich größtenteils von woanders. Möchte das in meinem Fall aber nicht ausschließlich auf das Schulsystem schieben. Für vieles fehlten mir persönlich damals einfach Auffassungsgabe / Reife / Interesse. ;-)

Mir fällt gerade ein, wir hatten mal sowas wie Bewerbungstraining in der Schule. Wenigstens etwas.

Oh, und dass ich einige Jahre Latein hatte, ist beim Lernen anderer Sprachen, aber auch beim Verständnis manch hochgestochenen, fremdwörterdurchsetzten deutschen Texts sowie im medizinischen Bereich ganz hilfreich. :-)

Rho-ny-theta schrieb:Wenn ich also 2 Kinder in dem Laden unterbringen will, muss ich jedes Jahr im Extremfall 8200€ über den Tisch schieben, wohlgemerkt zusätzlich zu Spenden und Mitarbeit an div. Schulaktionen, die ausdrücklich vorausgesetzt wird. Lass es im Jahr mit Schulmaterial für 2 Kinder 10.000€ sein. Da kommt über 9 Jahre einiges zusammen.

Gute Bildung kostet eben Geld.
Ist dieses EUDEC Diplom nicht dieses Homescholling?

@Yotokonyx

Wenns gute Bildung wäre, könnte man das ja noch einsehen, aber die Kinder werden dort halt alleingelassen und das war's.

Das Eudec-Diplom wird von dieser Schulform vergeben, bringt dir aber nix, weil niemand es anerkennt.

Rho-ny-theta schrieb:Wenns gute Bildung wäre, könnte man das ja noch einsehen, aber die Kinder werden dort halt alleingelassen und das war's.

Das ist doch der Traum eines jeden Kindes, in der Schule zu sein aber nichts tun zu müssen.

Rho-ny-theta schrieb:Das Eudec-Diplom wird von dieser Schulform vergeben, bringt dir aber nix, weil niemand es anerkennt.

Wofür machen es dann die Eltern? Sie geben unnötig Geld dafür aus, wenn es eh nicht anerkannt wird. Das ist umsonst verschwendete Zeit. Da sollten die Eltern lieber das Geld dafür ausgeben das Kind extra Unterricht in wichtigen Fächern zu geben.