Fragwürdige Massenhysterien

Hallo zusammen,
dies soll ein Sammelthread bezüglich ungewöhnlicher bzw. fragwürdiger Massenhysterien werden.

Hier habe ich euch mal drei Beispiele dafür:

- Das Tanganjika Lachen

Im Januar 1962 fingen drei junge Mädchen aus einem Internat in Tansania urplötzlich an, unkontrolliert zu lachen. Sie lachten stundenlang und konnten damit einfach nicht aufhören. Das Lachen breitete sich zwischen den Kindern soweit aus, dass selbst der Schulbetrieb eingestellt werden musste.
Einige Kinder nahmen die Lach-Epidemie sogar mit nach Hause zu ihren Familien.
Im Mai gab es bereits 217 gemeldete Fälle, am häufigsten davon betroffenen waren schulpflichtige Kinder. Im Juli verstummte plötzlich das Gelächter.
In fünf Monaten schloss dieser Vorfall 14 Schulen mit rund 1.000 Fällen des Dauerlachens.

- Ärger mit den Nonnen

1844 berichtete der Medizinhistoriker Justus Hecker von einer Massenhysterie, die Nonnen zum miauen brachte. An einem französischen Kloster habe erst eine Nonne, dann von Tag zu Tag mehr der anderen Nonnen zu Miauen begonnen. Schließlich hätte das gesamte Kloster täglich mehrere Stunden zu festen Zeiten gemauzt - bis die vom unheimlichen Katzenlärm beunruhigten Anwohner ihnen Soldaten auf den Hals hetzten, die sie unter Waffengewalt zur Einstellung der Tiergeräusche zwangen.


- Zu Tode getanzt

Als bekanntester Ausbruch der Tanzwut gilt die Tanzepidemie von Straßburg im Jahr 1518. Im Juli des Jahres begann eine Frau Troffea, wie wild auf der Straße zu tanzen. Innerhalb einer Woche schlossen sich ihr 34 andere an, nach einem Monat tanzten bereits um die 400 Menschen wie besinnungslos durch die Straßen. Einige starben an Erschöpfung.

Die Stadtväter versuchten, das Tanzen durch Tanzen zu heilen - sie ließen eine Tanzbühne aus Holz errichten und bezahlten Musiker dafür, die Tanzenden mit ihrem Spiel weiter anzufeuern. Historiker führen die Epidemie auf eine Massenhysterie infolge einer Hungersnot in der Region zurück.

Quelle: http://www.spiegel.de/fotostrecke/bizarre-epidemie-fotostrecke-107199-7.html

Ich freue mich auf eure Beiträge =)

Von diesen Fällen habe ich auch schon oft gehört. Als ich noch jünger war und zum ersten Mal den Begriff 'totlachen' gehört habe, erzählte mir meine Mutter von der Lachhysterie in Tansania. Danach musste ich immer, wenn jemand sagte, er habe sich totlachen können, an diesen 'Fall' denken müssen. :)

Persönlich erlebt habe ich so etwas ähnliches auch schon. Ein schiefgelaufenes Chemie-Experiment während meiner Schulzeit brachte viele meiner Klassenkameraden dazu, Symptome einer Vergiftung bzw. Reizung zu erleben. Seltsamerweise waren davon nach einiger Zeit auch Schüler aus anderen Klassen betroffen, die den Krankenwageneinsatz beobachteten, allerdings mit der Substanz bzw. dem Dampf nicht in Berührung gekommen waren. Das waren überwiegend jüngere Schüler.

Das andere Erlebnis hatte ich ebenfalls während der Schulzeit. Zum Abschluss des Schuljahres hatte meine Klasse eine Schulübernachtung, bei der wir auch eine Mutprobe durchführten. Wie man als Jugendlicher so ist, hatten einige Mädels sich gedacht, sie könnten schaurige Legenden erzählen und den anderen Angst machen. Eine diese Geschichten handelte von einem toten Mädchen, welches angeblich auf der Schultoilette wohnt, und das nur zum Vorschein kommt, wenn man es drei mal beim Namen nennt (ähnlich wie bei Bloody Mary). Eine meiner Klassenkameradinnen tat dies dann, stellte sich alleine in die Toilettenräume und rief den Namen. Plötzlich kam sie hysterisch herausgelaufen, find furchtbar an zu weinen und erzählte von dem Mädchen, das sie angeblich gesehen hatte. Nach und nach fingen auch viele andere Mädchen aus meiner Klasse zu weinen an und konnten sich kaum beruhigen.

Diese Art Massenhysterie ist natürlich häufig vertreten bei Jugendlichen. In dem Alter lässt man sich noch sehr schnell von etwas begeistern und mitziehen, erst recht wenn es die eigene Peer-Group betrifft. Aber auch Erwachsene können sich davon nicht lossagen.

Begeisterte Anhänger eines Fußballclubs im Stadion - alle jubeln, schreien, juchzen, feuern an. Das reißt viele mit, auch jene, die eigentlich keine Fußballfans sind. ;)

Das ist ein sehr interessantes Thema wie ich finde.
Man könnte vermuten, dass besonderes Gruppen mit starken Zwängen oder strengen Verhaltensregeln zu so was neigen. Die Nonnen kommen ja mit zwei Beispielen vor (miauen und beißen). Gut möglich, dass sich über Jahre ein Druck aufbaut, der sich in solchen Massenhysterien dann entlädt.

Die Ausprägungen solcher Hysterien sind wohl auch kulturspezifisch und geschlechterspezifisch:

http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/fremdekulturen.html

bluebutterfly schrieb:dies soll ein Sammelthread bezüglich ungewöhnlicher bzw. fragwürdiger Massenhysterien werden.

frage zum spektrum: soll es nur um ungewöhnlich bis komische oder auch um ernste bis traurige massen- und/oder gruppen-hysterien gehen?

stanmarsh schrieb:Das ist ein sehr interessantes Thema wie ich finde.

ja. ist aber auch nicht einfach, mit dem begriff und seiner geschichte.

zum hysterischen mann ...

Der hysterische Mann
Lange Zeit hielt man die Hysterie für eine ausschließlich weibliche Krankheit. Sprachgeschichtlich kommt das Wort von "hystéra”, dem griechischen Ausdruck für "Gebärmutter”. Immer gab es freilich schon Stimmen, die auch Männer für hysterie-fähig hielten, Sigmund Freud zum Beispiel ...

http://www.deutschlandfunk.de/der-hysterische-mann.700.de.html?dram:article_id=79221

hm ...

Will man den Problemen ernsthaft zu Leibe rücken, wird man um eine seriöse Psychotherapie nicht herumkommen. Grundsätzlich rät der Münchner Psychoanalytiker freilich, der hysterischen Symptomatik mit Humor und gutmütiger Ironie zu begegnen. Im Tragischen das Heitere zu sehen, kennzeichnet bekanntlich den Weisen.

aber es soll ja um massenhysterien gehen.



ich sah mal im tv was über rodolfo valentino, der blieb mir so im kopf, fällt mir zuerst dazu ein.

Massenhysterie unter den weiblichen Fans, der Scheich, der Latin Lover, Sexsymbol und Weltruhm - all das bedeutete Rodolfo Valentino. Autorin: Isabella Arcucci

http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/2308-rudolfo-valentino-latin-lover-100.html

ah, hier besser:

Rudolph Valentino war wohl der erste Star des 20. Jahrhunderts, der regelrechte Massenhysterien auslöste.

http://www.deutschlandfunk.de/der-superstar-der-stummfilmaera.871.de.html?dram:article_id=127434

"Ich hasse Valentino! Alle Männer hassen Valentino."

"Ich hasse seinen Orientfimmel; ich hasse sein romantisches Gesicht."

Wie das Gesicht des Journalisten Dick Dorgan aussah, ist unbekannt. Bekannt wurde nur sein "Hate Song", erschienen Anfang der 20er-Jahre in einer amerikanischen Zeitschrift; das satirisch getarnte Manifest einer kollektiven gekränkten Männlichkeit, die ohnmächtig zuschauen musste, wie ihre Frauen einem parfümierten italienischen Gigolo verfielen.

ja, wie machte er das, der rodolfo?

Sein Lächeln, seine Bewegungen waren selbst in den wildesten Verführungsszenen von einer gewissen scheuen Unentschiedenheit, einer Ambiguität, die sich prächtig in die Unterstellung ummünzen ließ, er sei homosexuell.

schon iwie faszinierend :)

Es gibt Bilder des allzu pomadisierten Valentino, auf denen er reichlich ordinär, manchmal geradezu grob wirkt. Die meisten Fotos aber zeigen ein Gesicht von eindringlicher Sinnlichkeit. Es ist kein Wunder, dass dieser Mann bis heute die Fantasie aller Generationen anregt, dass seine Filmszenen mit modernen Popsongs unterlegt werden: dass die Legende nicht stirbt.

also das ist der film, mit dem ihm der durchbruch gelang, "die vier reiter der apokalypse".

und das wohl die berühmteste szene:

Rudolph Valentino 1921 Tango

Rudolph Valentino 1921 Tango

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da wurde aber die original musik verändert, steht in der videobeschreibung.

Massenhysterie kennen wir doch vom Boygroup-Konzert, Fussball-Finale oder Parteiaufmarsch.
Menschen können nun mal kollektiv ausrasten.

Das ist wirklich interessant, solche Phänomene zu verfolgen.

Ähnlich interessant ist die Tendenz von Frauen, so bis in die 20er Jahre hinein häufig in Ohnmacht zu fallen, was danach irgendwie genau wie das zu verabreichende Riechsalz aus der Mode kamen.

Einige dieser Geschichten kann man mit nicht erkannten Herzrhythmusstörungen oder Unterzuckerung erklären, allerdings liess auch dieses Phänomen wohl schon nach, bevor die kardiologische und diabetologische Versorgung der Bevölkerung besser wurde.

Doors schrieb:Menschen können nun mal kollektiv ausrasten.

ja aber normalerweise hören sie damit auch wieder direkt auf.

sacredheart schrieb:Ähnlich interessant ist die Tendenz von Frauen, so bis in die 20er Jahre hinein häufig in Ohnmacht zu fallen, was danach irgendwie genau wie das zu verabreichende Riechsalz aus der Mode kamen.

Soweit ich weiß hatte das mit der Mode zu tun die Korsetts wurden so fest geschnürt dass die Frauen nicht richtig durch atmen konnten.

@Syrah

Ist eine bekannte Erklärung. Allerdings wurden Korsetts, schon wegen Kosten und Aufwand nicht so flächendeckend getragen, wie manch ein Kostümfilm vermuten lässt.

http://www.spiegel.de/einestages/bizarre-epidemie-a-947338.html da steht dass bei der Lachepidemie auch erweiterte Pupillen und erhöhte Reflexe festgestellt wurden. Vielleicht doch eine Art Virus? Man hat zwar Blut untersucht und nichts gefunden aber damals war die Medizin ja nicht so weit wie heute. Ich tu mir schwer mir vorzustellen dass das ein psychologisches Phänomen gewesen sein soll.

sacredheart schrieb:Ist eine bekannte Erklärung. Allerdings wurden Korsetts, schon wegen Kosten und Aufwand nicht so flächendeckend getragen, wie manch ein Kostümfilm vermuten lässt.

Ja aber vielleicht sind sie auch nicht dauernd umgekippt sowie es in den Filmen immer gezeigt wird dass sie reihenweise aus den Latschen kippen.

@Syrah

Filme überspitzen natürlich schon. Aber auf Antikmärkten zB findet man recht oft und in größerer Zahl Riechsalzfläschchen. Daher scheint das Problem damals zumindest so präsent gewesen zu sein, dass man Vorsorge getroffen hatte.

Aber epidemiologische Daten habe ich natürlich keine.

War vielleicht auch einfach angesagt am Riechsalzfläschen zu schnuppern.

Aus dem Reiche der Faustkämpfer:

Gretchen:

Nachbarin! Euer Fläschchen!

(Sie fällt in Ohnmacht.)

Ein recht umfassender SPIEGEL-Artikel zum Thema von 1965, als man noch "Negermädchen" schrieb. :D

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46275023.html

"Sexuelle Bedrängnis" also kann ich mir nicht wirklich vorstellen dass das der Grund war genauso wenig wie Freud es darstellte. Dann doch eher eine Art Panikattacken vielleicht.

- Die Tourette-Epidemie von New York

Beim Tourette-Syndrom ist der Körper unkontrollierbaren Bewegungen und Ausrufen unterworfen. Es ist eine seltene neuropsychiatrische Erkrankung mit vorwiegend genetischem Ursprung. Umso seltsamer war im Jahr 2011 ein Ausbruch des Tourette-Syndroms an einer New Yorker Schule. Nachdem mehrere Kinder Tourette-ähnliche Symptome zeigten, machten sich die Eltern sorgen, dass es sich um eine Art Nervengift handeln könnte, dass durch die Schulkorridore irrte.

Bei näheren Untersuchungen wurde aber nichts dergleichen entdeckt. Stattdessen gingen Experten von einer Massenhysterie aus, die zwar echte Symptome hervorrief, die aber nichts mit dem eigentlichen Tourette-Syndrom zu tun hatten.

Rätselhaftes "Kopfnicksyndrom" in Uganda

Eine mysteriöse Krankheit breitet sich weiter im ostafrikanischen Uganda aus. Mehr als 3.000 Kinder und Jugendliche leiden bereits unter dem sogenannten Kopfnicksyndrom.

http://sciencev2.orf.at/stories/1693129/index.html (Archiv-Version vom 07.03.2017)

@sacredheart
Ich frage mich in wie weit da die Erwartungshaltung eine Rolle spielt. Also wenn die Gesellschaft (inklusive der Frauen) zB glaubt, dass es für Frauen typisch sei schnell emotional überlastet zu sein und in Ohnmacht zu fallen, ob es dann nicht dadurch auch passieren kann dass es eintrifft. Man hat ja rausgefunden dass das Schmerzempfinden oder sogar die Intelligenz (sprich in dem Fall eher die Kompetenz Intelligenz einzusetzen) variiert, wenn Versuchspersonen etwas suggeriert wird. Da spüren die plötzlich weniger Schmerzen weil gesagt wird dass das Wasser in das die ihre Hände stecken diesmal nicht so heiß sei obwohls dieselbe Temperatur hat, oder sie agieren intelligenter, weil man ihnen sagt intelligent zu sein und das unterbewusst irgendwie die Sicherheit stärkt.
Das Bild der Frau als empfindliches Mauerblümchens das oft in Romanen anzutreffen war war vor allem im 19. Jh. sehr populär und die meisten Leser damals waren Frauen, weil Männer oft Geld anschaffen mussten, daher kams zu diesen ganzen Groschenromanen und Liebesschmonzetten, die damals die Theken füllten. Mittelalterromane enthalten Frauen häufiger als Kriegerinnen, Märtyrerinnen oder Hexen und anderen stärkeren aber negativen Personen die man als Femme Fatale umschreiben könnte.

@bluebutterfly

Hier die englische Doku über den Fall der Teenager in der New Yorker Schule.

The Town that Caught Tourette's

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@Luke.Skywodka Danke für das Video 😊