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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

312 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Amtsdeutsch, Sprachkunst, Srechkunst ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

02.08.2021 um 17:04
@paxito

Beispiel: Es wird ein Widerspruch gegen einen Hartz-4-Bescheid eingelegt. Die Person die den Widerspruch einlegt führt an, dass sie mehr Geld erhalten müsse und bittet damit um Überprüfung des Bescheides.

Das Jobcenter überprüft dann im Rahmen dessen den Bescheid und stellt fest, dass die Person tatsächlich WENIGER Geld bekommen müsste. Das wäre allerdings eine "Verböserung", da der Widerspruch dann dazu geführt hätte, dass die Person weniger Geld bekommen würde. Dass ein Widerspruch aber einen Nachteil für eine Person herbeiführt, ist so nicht gewollt und eine "Verböserung" im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist nicht möglich - das heisst, es würde dabei verbleiben, dass die Person zu viel Geld erhält.

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02.08.2021 um 20:23
Zitat von KlaatuKlaatu schrieb:Das liegt wohl daran, dass die "Mühlen der Ämter" so furchtbar langsam mahlen. Sogar so langsam, dass sie Schimmel ansetzen.
Nicht wirklich, die Wikipedia kennt drei mögliche Herleitungen:

  1. Herleitung von Simile, einem in der österreichischen Monarchie gebräuchlichen Musterentscheid (von lateinisch similis „ähnlich“). Mit Hilfe dieses Standard-Vordrucks ließen sich ähnlich lautende Anliegen schematisch und zügiger erledigen; Beamte, die nur nach Muster vorgingen, wurden als „Similereiter“ bezeichnet. Die Verwendung des Terminus simile für das „schimmelmäßige“ immer gleichartige Zitat von Vorgaben ist aber bereits seit der Hochromanik dokumentiert und spiegelt sich zum Beispiel in architektonischen nahezu einheitlichen Gestaltungsvorgaben für Kirchen und Klöster als auch in Handschriften wider.
  2. Aus dem schweizerischen Sprachgebrauch: „auf dem obrigkeitlichen Schimmel herumreiten“ – im 19. Jahrhundert wurden amtliche Akten in der Schweiz von berittenen Amtsboten zugestellt.
  3. Bezeichnung für den Schimmelpilz auf alten Aktendeckeln beziehungsweise für den Staub auf alten Akten, der wie Schimmel aussieht. Für dieses Benennungsmotiv ist offenbar noch nie ein Beleg bekannt geworden.
Quelle: Wikipedia: Amtsschimmel

Die Herleitung über das "Simile" halte ich für sehr überzeugend, das entspricht dann ungefähr dem ebenfalls bekannten "Schema F"
Umgangssprachlich wird von Schema F gesprochen, wenn etwas bürokratisch-routinemäßig, stereotyp, mechanisch oder gedankenlos abläuft. Der Ausdruck geht zurück auf die Vordrucke für die im preußischen Heer nach 1861 vorgeschriebenen so genannten Frontrapporte, auszufüllende Berichte über den Bestandsnachweis der vollen Kriegsstärke. Diese Vordrucke waren mit dem Buchstaben F gekennzeichnet. Bei der Kontrolle der Truppenstärke musste diese genau mit den Angaben im Vordruck übereinstimmen.
Quelle: Wikipedia: Schema F


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02.08.2021 um 22:40
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Ein immer noch mal auftretender Klassiker:

'Rauchen und offener Feuer sind feuerpolizeilich strengstens untersagt.'

Ich frage mich schon, wer wohl in einem Parkhaus ein offenes Feuer macht, aber das mag ja noch angehen.
Wer ist die Feuerpolizei?

Und vor allem: Was ist der Unterschied zwischen 'untersagt', 'streng untersagt' und 'strengstens untersagt' ?
Und warum überhaupt 'untersagt'? Das Wort benutzt doch kein richtiger Mensch.

In Holland würde da stehen: 'niet roken'.
Wart mal ab, Jung, wenn du ein Feuer im Parkhaus legst, wirst du die Feuerpolizei kennen lernen :) Die warten schon.


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

02.08.2021 um 22:59
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Wer ist die Feuerpolizei?
Feuerpolizei kommt als Ausdruck noch aus der frühen Neuzeit, bevor der Begriff "Polizei" für die Ordnungsbeamten reserviert war. Damals war "Polizei" noch allgemeiner und eher ein Synonym für "öffentliche Ordnung" bzw. "öffentliche oder herrschaftliche Aufsicht". Man sprach bei einem intakten Gemeinwesen von "guter Policey", die Ableitung aus der griechischen "Polis" ist offensichtlich. Findet sich neben der Feuer- oder Brandpolizei auch heute noch z.B. bei der Baupolizei, in manchen Bundesländern gibt es auch noch eine Gewerbepolizei.

Die heutige "Feuerpolizei" ist entweder bei der Feuerwehr oder dem Ordnungsamt angesiedelt und befasst sich mit der Brandprävention, z.B. durch Kontrolle von Brandschutzvorschriften, Orstbegehungen, Beratungs- und Planungsdienstleistungen oder auch Fortbildungsangebote.


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03.08.2021 um 05:09
@Peter0167
Ah, da rennst Du offene Türen bei mir ein. Da ich mich ja beruflich ständig auch mit deutschen Amtsschreiben befassen muss, ist mir dieses furchtbare "fussläufig" auch aufgefallen - seit etwa 5 Jahren, habe ich das Gefühl, taucht der Begriff immer wieder in amtlichen Schreiben auf. Woher er stammt - keine Ahnung, aber ich fand ihn von Anfang an grässlich. Ebenfalls sehr beliebt und ebenfalls recht neu: "zeitnah." Das Gegenstück, "zeitfern" habe ich noch nicht entdeckt, aber auch zeitnah ist einfach nur albern. Dennoch steht unter vielen emails, die ich z.B. vom Bundesverwaltungsamt erhalte, "mit der Bitte um zeitnahe Beantwortung" oder so etwas.

Insofern stimmt die Beobachtung: Amtssprache ist eine eigene Welt, und diese ist in ständiger Bewegung. Umgekehrt gibt es eben viele Begriffe, die in der heutigen Kommunikation verschwunden sind, aber durch ältere Dokumente noch gut belegt sind. Allfällig ist da so ein Beispiel.

Witzig wird es, wenn ich dann österreichische mit deutschen amtlichen Schreiben vergleiche. Dass in beiden Ländern die gleiche Sprache gesprochen wird, kann man an diesen schnell als Gerücht entlarven :)

Was die Silbe "Un-" angeht, das haben wir schon als Grundschulkinder gelernt: "Un-" bedeutet immer etwas Negatives: Unsinn, Unheil, Unterricht... :D :D


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03.08.2021 um 12:22
"Der Urlaub ist mit den Ferien abgegolten"

zitierte vor Jahren ein Lehrer im Bekanntenkreis aus seinem Arbeitsvertrag.


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03.08.2021 um 12:30
Ui, ich hatte mal nen Kollegen, der mir erzählen wollte, ich habe keine "Ferien", ich hätte "Urlaub".

Ich hab´s nachgeschlagen und dachte mir, das sagt viel über unsere Persönlichkeit aus:
Urlaub kommt von "erlauben" und "Ferien" kommt von Feiern.
Er meinte, nur Kinder haben "Ferien" ...


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03.08.2021 um 12:45
@Mr.Stielz

Die Lehrer die ich kenne, legen meist - zur Rechtfertigung ihrer langen Ferien - wert darauf, dass das keine Ferien wären, sondern unterrichtsfreie Zeit.

@DalaiLotta

Personaler kannst Du damit schon verwirren. Da geht man wohl davon aus, dass über das Nehmen von Urlaub selbst entschieden wird und Ferien wird da oft für Betriebsferien genommen, wäre also nicht vom Einzelnen wählbar.


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 12:50
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Die Lehrer die ich kenne, legen meist - zur Rechtfertigung ihrer langen Ferien - wert darauf, dass das keine Ferien wären, sondern unterrichtsfreie Zeit.
Ugh, das haben wir an der Uni auch immer zu hören bekommen: Das seien keine Semesterferien sondern lediglich "vorlesungsfreie Zeit"


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03.08.2021 um 13:13
Hier mal ein paar schöne Funde aus dem Netz:


nicht lebende Einfriedung ... Zaun

raumübergreifendes Großgrün ... Baum

Beelterung ... Pflegefamilie vermitteln

Lautraum ... Diskothek

Einachsiger Dreiseitenkipper ... Schubkarre

Anleiterbarkeit ... Möglichkeit, eine Leiter an ein Fenster zu lehnen

Luftverlastung ... Hubschraubertransport

Personenvereinzelungsanlage ... Drehkreuz

Grüngutsammelplatz ... Komposthaufen

Bedarfsgesteuerte Fußgängerfurt ... Ampel

Lebensberechtigungsbescheinigung ... Stammbuch

Bestallung ... Vormundschaft


Mein Favorit ---> Beelterung. Das tut doch schon beim lesen weh :(


Oder das hier: Raufutter verzehrende Großvieheinheit --> DDR-Deutsch für Rind ab 500kg


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 13:32
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Raufutter verzehrende Großvieheinheit --> DDR-Deutsch für Rind ab 500kg
Stimmt nicht. Die großvieheinheit ist eine größeneinheit für ökologische berechnungen und die RGV bezieht sich auf tiere, die rauhfutter verzehren... rinder, schafe, ziegen, pferde.... So entspricht eine milchkuh 1,5GV und 1,5 RGV, ein schaf hingegen entspricht 0,1GV und 0,07RGV.


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03.08.2021 um 13:46
@gastric

Naja, ich hab mir das nicht ausgedacht, nur übernommen. Hab aber mal Wiki gefragt, und die sagt:
Weiterhin schreibt das Wörterbuch Sprache in der DDR von Birgit Wolf:

„rauhfutterverzehrende Großvieheinheit
Kurzf.: RVE Wortverbindung, die nichts weiter als ‚Kuh‘ bedeutete und die ein hervorragendes Beispiel für sprachliche Entgleisungen der DDR-Bürokratie abgab. Allerdings drang sie nie in die Allgemeinsprache ein, sondern fristete nur in offiziellen Statistiken ihr Dasein. Eine Großvieheinheit entsprach 5000 kg Lebendmasse, d. h. die Nutztiere wurden nicht zahlen-, sondern gewichtsmäßig erfaßt.“[13] (Auch in der DDR entsprach eine GV natürlich nicht 5000 kg, sondern 500 kg Lebendmasse.)
Wikipedia: Raufutter verzehrende Großvieheinheit#Populäre Rezeption

Könnte man schon so deuten, dass eine Großvieheinheit (GV) 500kg entsprach, und wenn die GV dann auch noch Raufutter bevorzugt, wird aus der GV eine RGV. :D

So oder so, ich bekomme davon Kopfaua (KA) :)


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03.08.2021 um 13:59
@Peter0167
Ja GV sind aufs gewicht angelegt. 1GV = 500kg, 0,5GV = 250kg, 0,1GV = 50kg. Das ganze system wird heute noch angewendet.

Die RGV bezieht sich wiederrum darauf, wieviel rauhfutter vertilgt wurde. Rinder haben einen sehr hohen rauhfutteranteil (umrechnungsfaktor 1), schafe bspw einen geringeren (man kann mit faktor 0,7 rechnen). Sprich ein 50kg schaf entspricht 0,1GV und 0,07RGV. Damit könnte man jetzt berechnen, wieviele schafe auf eine weide je nach beweidungssystem gestellt werden können. Wird eine weide extensiv bewirtschaftet, dann sind weniger GV/ha sinnvoll, als bei intensicher bewirtschaftung. Bspw 1GV/ha statt 3GV/ha oder anders ausgedrückt 10 schafe vs 30 schafe bzw eine milchkuh vs 3 milchkühe.

GV macht die ganze rumrechnerei einfacher, da von tierart unabhängig.


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:02
Klingt ja fast so, als würde das heute noch verwendet. Bei Wiki klang das eher danach, dass es nur in Statistiken Anwendung fand, und selbst da galt es als "sprachliche Entgleisung".


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:19
@Peter0167
Zumindest die GV wird heute noch verwendet. Die RGV ist tatsächlich eher eine präzisierung und diese wird in der tat (wenn überhaupt) nur rudimentär genuzt. Analog dazu gibt es in den alpen den stoß. Dort ist dann pro alm festgelegt, mit wievielen stoß die alm bestoßen werden darf. Eine ausgewachsene kuh ist ein stoß, auf drei rinder kommen 2 stöße und ein pferd mit 1/2/3 jahren kommt auf 1/2/3 stöße. Will man die verwirrung perfekt machen, dann kann man noch erzählen, dass der stoß noch in füße eingeteilt wird.... so entspricht ein voller stoß dem bedarf einer kuh = 4 füße, ein einjähriges rind hingegen bekommt 0,5 stöße oder aber 2 füße....

Und gehen wir in die schweiz, dann wirds nochmal verwirrender, denn da ist der normalstoß definiert als großvieheinheit, die während 100 tagen gesömmert wird. Argh.


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:36
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Mein Favorit ---> Beelterung. Das tut doch schon beim lesen weh
Gibt es auch die "Bekinderung"?


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:38
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Gibt es auch die "Bekinderung"?
Das ist ebenfalls eine Beelterung, nur aus Sicht der Eltern. :D


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:42
Zitat von Peter0167Peter0167 schrieb:Das ist ebenfalls eine Beelterung, nur aus Sicht der Eltern
Dann muss man der Lebensabschnittsgefährtin den Beelterungsvorgangsversuch vorschlagen?


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Amtsdeutsch - Perlen der Sprechkunst

03.08.2021 um 14:46
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Dann muss man der Lebensabschnittsgefährtin den Beelterungsvorgangsversuch vorschlagen?
Ganz genau, und bei diesem Wetter geht das sogar unter dem raumübergreifenden Großgrün, direkt neben der nicht lebenden Einfriedung.


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03.08.2021 um 16:04
Zitat von Paradigga2.0Paradigga2.0 schrieb:Statt das gegnerische Kfz. aufgrund der engen Verkehrsverhältnisse zu rammen, hätten Sie anhalten und den sich fehlverhaltenden Fahrzeugführer des gegnerischen Kfz. auf sein Fehlverhalten hinweisen sollen, so dass er dieses ändern könne."
Den Satz halte ich für etwas redundant :|
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Sind Unkosten teurer als Kosten?
Wollte klugscheißen, aber die Antwort wurde mir vorweggenommen :cry:
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Aus meiner Sicht wird Unmenge anders verwendet als Menge. Eine Unmenge ist ja meistens eher unerwünscht oder wird synonym für 'unerwartete Menge' oder 'unangemesse Menge' verwendet, während das auf eine Menge nicht zutreffen muss.
Interessant ist das Wort "Untiefe". Es Wort hat zwei gegenteilige Bedeutungen.
Zitat von Mr.StielzMr.Stielz schrieb:Der Urlaub ist mit den Ferien abgegolten"
"abgegolten" ist auch so ein Wort, dass mir öfters untergekommen ist.
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Personaler kannst Du damit schon verwirren. Da geht man wohl davon aus, dass über das Nehmen von Urlaub selbst entschieden wird
:klugmaul: Wird es eigentlich nicht. Ein Urlaub muss beantragt und bewilligt werden.


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