Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi Kulac 2014
15.04.2014 um 17:48Anzeige
Das Geständnis von Ulvi Kulac war der Tatrekonstruktion der Ermittler in weiten Teilen sehr ähnlich. Erst Jahre nach dem Urteil wurde bekannt, dass die Polizei Kulac mit einem möglichen Szenario konfrontiert hatte. Das ist ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens. In mehreren Vernehmungen habe Kulac die Vermutungen der Polizisten in seine Aussagen übernommen.Quelle: http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/mordfall-peggy-dritter-prozesstag-100.html (Archiv-Version vom 18.04.2014)
"Ich hatte den Eindruck, er wollte unsere Erwartungshaltung bedienen."
Ein Polizist über Ulvi Kulacs Geständnis
Teilweise habe Kulac in den Vernehmungen "sehr widersprüchliche" Angaben gemacht, erläuterte der Beamte vor dem Landgericht Bayreuth. Schließlich legte der geistig Minderbegabte vier unterschiedliche Geständnisse ab. Er konnte dem Ermittler zufolge weder richtig lesen noch schreiben und hatte Probleme mit Jahreszahlen und Zeitangaben.
"Für ihn dauerte alles immer zehn Minuten, ohne zu wissen, wie lange diese Zeitspanne tatsächlich ist."
Ein Polizist über Ulvi Kulacs Geständnis
Die Polizisten im Zeugenstand konnten sich an viele Details aus den Vernehmungen nicht mehr erinnern. Entgegen einer Aktennotiz war das Aufnahmegerät während Kulacs Geständnisses nicht defekt, sondern wurde erst gar nicht aufgebaut. Angeblich wäre das zu umständlich gewesen und hätte das Geständnis gestört, sagte ein Polizist nun vor dem Bayreuther Landgericht aus. In seiner Zeugenaussage bestritt ein Polizist, psychischen Druck auf Kulac ausgeübt zu haben, um ihm ein Geständnis zu entlocken. Ein anderer Beamter sagte aus, es habe keine Absprache mit dem V-Mann Peter H. gegeben.
Gutachter als Zeuge
Bei der Befragung eines weiteren Polizeibeamten stellte sich heraus, dass Kulac während seiner Vernehmungen sehr leicht beeinflussbar war. So soll er laut Aktenvermerken oft die Worte der Ermittler wiederholt haben. Auch Zeit- und Ortsangaben brachte er immer wieder durcheinander. Kulacs Verteidiger hatte eine Absprache zwischen den Polizisten und dem V-Mann vermutet.
Laut Michael Euler (32), Anwalt von Ulvi K., entspricht das Geständnis vom 2. Juli 2002 exakt einer „Tathergangs-Hypothese“ der Kripo, sein Mandant habe nur die Erwartungshaltung seiner Vernehmer befriedigt.Quelle: http://www.bild.de/news/inland/prozess/peggy-gutachter-haelt-ulvi-fuer-schuldig-35526540.bild.html
Kröber, der noch am heutigen Prozesstag aussagen soll, wischt diesen Einwand beiseite: Die vielen blumigen Details des Geständnisses hätten Ulvi K. nicht suggeriert werden können.
Ulvi K., sagt Kröber, berichte sehr anschaulich von einem Stein, über den Peggy gestolpert sei, und von ihrem Schulranzen, der beim Sturz über den Kopf des Mädchens nach vorn geflogen sei. Die Vorstellung, dass man einem nicht alkoholisierten Menschen einen Mord einrede, obwohl er zu diesem Zeitpunkt beim Holzhacken war, könne er sich nur als „Kino-Stoff“ vorstellen, sagte Kröber.
Beamte: Es gab keinen Druck auf Ulvi K.
Auch ein LKA-Beamter, der am Dienstagmorgen als Zeuge vernommen wurde, bestritt Druck auf Ulvi K.: „Ich weiß nicht, wie es zu solchen Vorwürfen kommt“, sagte Roman M. (42). Man habe eine angenehme Vernehmungsatmosphäre geschaffen und dem Verdächtigen sogar Zigaretten und Essen erlaubt. „Wir haben versucht, keine Reaktion zu seinen Schilderungen zu zeigen, damit wir nicht auf ihn einwirken.“
Zudem habe Ulvi K. schon zehn Monate zuvor gestanden, dass Peggy vor ihm geflohen sei – er habe sich bei ihr für den schweren sexuellen Missbrauch vier Tage zuvor entschuldigen wollen. Überdies hätten Alibi-Zeugen für die tatkritische Zeit am 7. Mai ab 13.15 Uhr teilweise falsche Angaben gemacht oder sich nicht mehr erinnern können.
Einen Punktsieg errang der Anwalt von Ulvi K. aber bei der Befragung von Kriminalhauptkommissar Klaus O. (58).
Bei Klaus O. hatte sich 2001 ein Mit-Patient von Ulvi K. aus dem Bayreuther Bezirkskrankenhaus gemeldet und angeboten, dem Verdächtigen ein Mord-Geständnis zu entlocken – wenn er im Gegenzug Vollzugslockerungen erhalte. Peter H. sei nicht gezielt auf Ulvi K. angesetzt worden, sagte Klaus O.
In einem anderen Totschlags-Verfahren vor dem Landgericht Hof hatte Peter H. allerdings ebenfalls als Hauptbelastungszeuge ausgesagt. Der Angeklagte sprach damals von Notwehr. Euler: „In diesem Verfahren sagte Peter H., der Angeklagte habe ihm im Bezirkskrankenhaus anvertraut, dass das Opfer ihm schon länger auf die Nerven gegangen sei und er es habe abstechen wollen.“
Diese Aussage von H. sei unwahr gewesen – dennoch sei der Angeklagte zu elf Jahren und Sicherungsverwahrung verurteilt worden
Fall Peggy: Neue Zweifel am Geständnis von Ulvi KulacQuelle: http://www.nordbayern.de/region/fall-peggy-neue-zweifel-am-gestandnis-von-ulvi-kulac-1.3581211
Der Angeklagte kann die Zeit nicht einschätzen - 16.04.2014 07:56 Uhr
BAYREUTH - Im neuen Prozess um den Mord an der neun Jahre alten Peggy sind weitere Zweifel am Wahrheitsgehalt eines früheren Geständnisses des Angeklagten aufgekommen. Dem geistig Behinderten Ulvi Kulac wurden demnach von den Ermittlern mehrere Angaben regelrecht in den Mund gelegt.
Es ist mucksmäuschenstill im Schwurgerichtssaal des Bayreuther Landgerichts, als der beisitzende Richter Jochen Götz aus Vernehmungsprotokollen zitiert. "Was haben Sie gemacht, als Peggy hingefallen war und blutete? Ich hätte ihr ein Pflaster gegeben. Ich hätte versucht, die Wunde mit einem Taschentuch abzuwischen", sagte demnach Polizist R. zu Ulvi Kulac.
Prompt antwortete Ulvi, er habe nach einem Pflaster gesucht, aber keines dabei gehabt. Dann habe er zum weinenden Kind gesagt: "Indianer kennt keinen Schmerz.". "Ich hatte den Eindruck, er wollte unsere Erwartungshaltung bedienen", schildert Polizeihauptkommissar M. dem Gericht.
Er war im Februar 2002 mit sechs weiteren Beamten aus ganz Bayern nach Hof beordert wurde, um die zweite Sonderkommission "Peggy" zu unterstützen, die auf Hochdruck arbeitete. M. war eigentlich Computerspezialist, jetzt wurde er im Auftrag von Soko-Leiter Wolfgang Geier zusammen mit Kollege R. auf Kulac angesetzt.
Kulac ist nach dem Verschwinden der neunjährigen Peggy am 7. Mai 2001 in Lichtenberg dutzende Male vernommen worden, in 16 Vernehmungen hatte der damals 23-Jährige bestritten, etwas mit dem Mord an der Kleinen zu tun zu haben. Nur dass er sie vergewaltigt haben will, sagte er den Beamten bereits am 6. September 2001. Es sei so etwa "drei Wochen vor ihrem Verschwinden gewesen, nur nicht in diesem Jahr!"
Der geistig behinderte Kulac hatte keinen Zeitbegriff. Alles dauerte bei ihm "immer zehn Minuten", sagt Polizist M., egal wie lange er dafür wirklich brauchte. Ulvi hatte Angst vor der Polizei - und vor dem Gefängnis. "Da kommen die Mörder hin", sagte er mehrfach. Trotzdem legte er am 2. Juli 2002 erstmals ein Geständnis ab: Er hatte Peggy umgebracht, als er sich bei ihr für den Missbrauch vier Tage vorher entschuldigen wollte, Peggy sich aber von ihm losriss, schrie, stolperte, hinfiel, sich wieder aufrappelte, davonlief, er sie einholte, umdrehte, sie bäuchlings hinschmiss und ihr Nase und Mund zu hielt, bis sie tot war. Ermittler M. hörte nur noch die letzten Worte dieses stockend vorgetragenen Geständnisses - von einem Nebenzimmer aus.
Vor 13 Jahren verschwand die Schülerin Peggy in Oberfranken spurlos, ihre Leiche wurde nie gefunden. Als ihr Mörder wurde 2004 der geistig eingeschränkte Ulvi Kulac verurteilt. Ab 10. April steht er wieder vor Gericht.
Denn eigentlich war die Vernehmung bei der Polizeidirektion in Hof längst beendet gewesen, Ulvi Kulac hatte den Polizisten wieder nichts Brauchbares berichtet, sein Anwalt war bereits zu einem anderen Termin aufgebrochen und er sollte zurück ins Bezirkskrankenhaus Bayreuth gebracht werden. Da plötzlich öffnete er sich dem Beamten H. So halten es die Akten fest. H. gehörte gar nicht zur Soko Peggy. Er sollte nur die Fahrdienste übernehmen - und Ulvi die Angst vor der Polizei nehmen. Denn H. kam aus Lichtenberg und kannte Ulvi, man traf sich beim Bier in der Wirtschaft, die Ulvis Eltern betrieben, und war "per Du". H. spielte die Rolle des väterlichen Freundes. Der Polizist betonte, er sei nie bei einer Vernehmung dabei gewesen. Auf dem Weg zum Auto fragte er Ulvi an diesem Tag beiläufig: "Hast Du auch die volle Wahrheit gesagt?" Da soll Ulvi den Kopf schräg gelegt, gelächelt und "nein" gesagt haben. H. führte seinen Schützling zurück ins Vernehmungszimmer, die Tonbänder waren aber schon abgebaut.
Und so gestand Ulvi schließlich den Mord ohne seinen damaligen Anwalt, ohne elektronische Dokumentation, nur diesem Polizisten. Später wandelte er die Geschichte ab, schmückte sie aus. Er nannte auch Bekannte, die angeblich die Leiche weggeschafft hatten. Doch die Frau und der Mann hatten ein wasserdichtes Alibi. Und eine Leiche gab es am besagten Ort auch nicht. Der heute pensionierte Polizist H. widersprach im Zeugenstand, er habe Ulvi mit den Worten "Du bist nicht mehr mein Freund, wenn Du nicht die Wahrheit sagst", damals unter Druck gesetzt. Doch Ulvis jetziger Anwalt Michael Euler nahm ihm das nicht ab, versuchte mehrfach, dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern.
Waffe an den Kopf gehalten?
Dem überraschten Gericht legte Euler eine eidesstattliche Versicherung eines Lichtenberger Bürgers vor. Dieser Mann schildert, wie ihm Polizist H. in Uniform, aber in betrunkenem Zustand, in einer Gastwirtschaft die Dienstwaffe an den Kopf gehalten habe. H., der mit seinem Rechtsbeistand erschienen war, wies diese Anschuldigung zurück. Doch musste er mehrfach Erinnerungslücken im Fall Peggy einräumen.
Das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy hat am 10. April vor dem Landgericht Bayreuth begonnen. Der Prozess wird wiederaufgenommen, weil unter anderem ein wichtiger Belastungszeuge eingeräumt hatte, falsch ausgesagt zu haben.
Euler lieferte sich mit den beiden Staatsanwälten Sandra Staade und Daniel Götz immer wieder Wortgefechte, weil den Anklägern die Vorwürfe gegen die Ermittler, sie hätten Vernehmungen mit Ulvi absichtlich so arrangiert, dass sein Anwalt nicht dabei sein konnte, sichtlich zu weit gingen. Nur in dem Punkt, Ulvi könne die flinke Peggy kaum eingeholt haben, stimmten sie zu: "Ulvi sagt selbst: ,Wenn ich renne und laufe, muss ich erst einmal stehen bleiben", äußerte Sandra Staade.
Schließlich hatte Euler eine weitere Überraschung parat. Er verlas das Schreiben eines Rechtsanwaltskollegen in Halberstadt. Darin äußerte dieser den Verdacht, Zeuge Peter H. habe nicht nur Ulvi zu Unrecht belastet, sondern auch seinen Mandanten, der elf Jahre Haft wegen Totschlags erhalten hatte. Peter H. hatte kurz vor seinem Tod zugegeben, die Geschichte, Ulvi habe ihm den Mord an Peggy gestanden, frei erfunden zu haben, um Hafterleichterungen zu erhalten.
Dieser Artikel wurde am 16. April um 7.52 Uhr aktualisiert
Fall Peggy: Neue Spuren im FokusQuelle:
Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den geistig Behinderten Ulvi K. geht es am Montag um die Ermittlungsergebnisse der vergangenen beiden Jahre.
Der als Peggys Mörder verurteilte Ulvi K. (Mitte), Nebenklägerin Susanne K. (r), Mutter von Peggy, und deren Rechtsanwältin Ramona Hoyer im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth. Foto: dpa
Bayreuth. Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den geistig Behinderten Ulvi K. wegen Mordes an der neunjährigen Peggy stehen am Montag neuere Ermittlungsergebnisse im Mittelpunkt. Als Zeuge ist der Leiter der Ermittlungsgruppe geladen, die den Fall seit knapp zwei Jahren nochmals untersucht. Peggy verschwand am 7. Mai 2001 im oberfränkischen Lichtenberg spurlos. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Ulvi K. war 2004 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Im November rückte ein Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt ins Visier der Ermittler. Der 29-Jährige war ein enger Freund von Peggys Familie und räumte bei seiner Vernehmung laut Staatsanwaltschaft einen „Austausch von Zärtlichkeiten“ mit der Schülerin ein. Der Mann sitzt wegen sexuellen Missbrauchs an seiner Tochter in Haft. Er soll sich außerdem an seiner Nichte vergangen haben, die im selben Haus wie Peggy wohnte. Der Mann muss sich deswegen in Kürze erneut vor Gericht verantworten. Im Fall Peggy gab es gegen ihn jedoch bislang keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklage.
Der Fall Peggy muss unter anderem neu aufgerollt werden, weil ein Belastungszeuge eingeräumt hatte, beim ersten Prozess vor zehn Jahren falsch ausgesagt zu haben. (dpa)
Fall Peggy: Neue Zweifel an Ulvi Kulac' SchuldQuelle: http://www.nordbayern.de/region/fall-peggy-neue-zweifel-an-ulvi-kulac-schuld-1.3619791
Ermittler ist sich nicht sicher, ob Peggy überhaupt getötet wurde - vor 53 Minuten
BAYREUTH - Im Wiederaufnahmeverfahren um den geistig behinderten Ulvi Kulac (36) wegen Mordes sagt nach einer Osterpause Ralf Behrendt aus: Der ehemalige Leiter der Soko I hält es für denkbar, dass Peggy Knobloch noch lebt.
Am 7. Mai 2001 kam Peggy von der Schule nicht mehr nach Hause, seither gilt sie als vermisst. An jenem Tag, es war sein 51. Geburtstag, begann Ralf Behrendt zu ermitteln.
Er leitete damals die erste Soko, die nach der vermissten Neunjährigen fahndete - eine Mordermittlung ohne Tatort, Sachbeweise und Leichnam. Heute, so Ralf Behrendt an diesem vierten Verhandlungstag vor dem Landgericht Bayreuth, sei er noch nicht einmal sicher, ob Peggy Knobloch überhaupt getötet wurde.
Der Kriminalhauptkommissar ist mittlerweile pensioniert, am Dienstag feiert er seinen 66. Geburtstag. "Die große Frage für mich lautet, ob Peggy noch lebt oder nicht“, sagt er im Zeugenstand. Und: „Ich kann nicht einmal ausschließen, dass Frau Knobloch selbst mit dem Verschwinden ihrer Tochter zu tun hat“, sagt der Kommissar a. D., "denn ich weiß nicht, was passiert ist“.
Polizei ließ Kinderausweis für Peggy ausstellen
So "facettenreich“ und "vielfältig“ sei der Fall, dass nach Peggys Verschwinden selbst eine dubiose Nachricht auf das Handy von Susanne Knobloch und der Hinweis auf 50.000 Mark ("Das ist viel Geld, überlege es Dir“) nicht zum Tagesgespräch der Ermittler wurde.
Die Nachricht stammte von Susanne Knoblochs damaligem Lebensgefährten, dem Türken Erhan Ü. Sie waren schon ein "besonderes Paar“; erinnert sich Behrendt, "in dieser Beziehung gab es auch Gewalt“. Die Telefonate beider wurden damals überwacht, und in einem dieser Gespräche drohte Ü. an, dass er Peggys Schwester entführen und Susanne Knobloch umbringen würde.
Allein derartige Hinweise, die eine Entführung des Mädchens in die Türkei nahe legen, füllten bereits damals eine ganze Akte in dem umfangreichen Verfahren, ein Team von sechs bis acht Ermittlern folgte der Spur in die Türkei. Vor einer Reise an die türkische Mittelmeerküste ließ die Polizei sogar einen Kinderausweis für Peggy Knobloch ausstellen - um im Fall einer gemeinsamen Rückfahrt mit dem Kind auch Papiere zu haben, so Behrendt. Doch die Spur führte in eine Sackgasse.
Das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy hat am 10. April vor dem Landgericht Bayreuth begonnen. Der Prozess wird wiederaufgenommen, weil unter anderem ein wichtiger Belastungszeuge eingeräumt hatte, falsch ausgesagt zu haben.
Knobloch machte Soko auf Kulac aufmerksam
Susanne Knobloch habe die Soko I bereits kurz nach Peggys Verschwinden auf Kulac aufmerksam gemacht - denn der geistig behinderte Mann hatte sich immer wieder an kleinen Jungen sexuell vergriffen, seit September 2001 ist er deshalb in der Psychiatrie untergebracht.
Im April 2004 bestätigte das Landgericht Hof diese Vorwürfe und das damalige Urteil hält auch fest, dass er Peggy Knobloch vergewaltigte. Um sein dunkles Geheimnis zu wahren, so das erste Urteil gegen ihn, tötete er das Mädchen. Die Basis des Richterspruchs: Ein mehrfach widerrufenes Geständnis des geistig behinderten Ulvi Kulac.
Er wurde auf Grundlage eines Gutachtens zu seiner Glaubwürdigkeit verurteilt - dabei ist es das vornehmste Recht des Angeklagten, im Strafprozess zu schweigen. Selbst die Lüge ist gestattet. Doch Psychiater Hans-Ludwig Kröber kam zu dem Schluss, dass Kulacs Schilderungen wahr sind - und so wandte sich das Gutachten als Beweismittel gegen den Angeklagten.
"Merkwürdige" zeitliche Angaben von Kulac
Auch Ralf Behrendt ist bis heute überzeugt: "Das ist erlebte Geschichte, was der Angeklagte geschildert hat.“ Doch dies belege nicht zwangsläufig ein wahres Geständnis - ganz im Gegenteil. Kulac schilderte bereits früher in einem anderen Zusammenhang, dass Peggy einmal vor ihm ausgerissen und dabei hingefallen sei. Ein Erlebnis, das er später verwendete, um seinen angeblichen Mord anschaulich zu schildern.
"Merkwürdig“ fand der damalige Chefermittler auch die zeitlichen Angaben von Kulac, später fand er heraus, dass Kulac die Uhr nicht lesen konnte. Auch hatte der geistig-behinderte Mann den Tatag als "sonnig“ beschrieben, doch Peggy verschwand an einem regnerisch-trüben Tag.
Die Soko 1 hatte 21.812 Datensätze und 4017 Spuren, doch im Januar 2002 beendete sie ihre Arbeit ergebnislos, einen Täter konnte sie nicht präsentieren. Im Februar wurde, damals durch den bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) die Soko II eingesetzt. Zunächst flammte die Türkei-Spur wieder auf, dann verfestigte sich der Verdacht gegen Ulvi Kulac.
Schüler wollen Peggy nach ihrem Verschwinden gesehen haben
Die Soko II ging davon aus, dass Peggy am 7. Mai 2001 zwischen 13 und 14 Uhr getötet wurde. Doch: ein damaliger Schüler-Lotse will Peggy damals gegen 15. 30 Uhr am Marktplatz in Lichtenberg bemerkt haben.
Und zwei damalige Mitschüler Peggys wollen das Mädchen noch Stunden nach ihrem mutmaßlichen Verschwinden gesehen haben. Demnach soll sie gegen 19 Uhr aus einem roten Mercedes, angeblich mit einem tschechischen Kennzeichen versehen, gestiegen sein.
Aus Sicht des Verteidigers Michael Euler könnten diese Aussagen die Indizienkette gegen Ulvi Kulac reißen lassen. Doch zu hören ist an diesem Verhandlungstag von einem der damaligen Mitschüler auch, dass "die Geschichte mit dem roten Auto“ nur ein Gerücht aus der Schule gewesen sei
Der Leiter der neuen Ermittlungsgruppe, Klaus Müller, sagte: "Wir gehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Peggy nicht mehr lebt."Quelle: http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/4695042/vier-maenner-stehen-unter-verdacht.html
Der genetische Fingerabdruck des Mädchens sei in Datenbanken gespeichert und werde seit 13 Jahren immer wieder im In- und Ausland abgeglichen - ohne jegliche Treffer. Laut Müller gibt es neben Ulvi K. mittlerweile drei weitere Tatverdächtige: Eine Spur brachte die Ermittler auf einen Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt. Der 29-Jährige sitze derzeit wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter in Haft. Er habe eingeräumt, sich auch an seiner Nichte mehrmals vergangen zu haben. Auffällig daran ist, dass die Nichte im gleichen Haus wie Peggy wohnte. In der Haftzelle des 29-Jährigen fand die Polizei ein Foto Peggys.
Er habe sehr heftig reagiert, als ihm das Bild abgenommen worden sei, sagte Müller.
Der Mann streite vehement ab, etwas mit dem Verschwinden Peggys zu tun zu haben. Er habe lediglich Kuscheln mit Peggy auf dem Sofa eingeräumt. Seine Alibis für den 7. Mai hätten sich mittlerweile alle als falsch erwiesen, betonte Müller. Auch der Halbbruder des Mannes habe kein Alibi. Tatverdächtig sei außerdem ein Lichtenberger, der ebenfalls bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde. Sein Haus liegt nur wenige Schritte von der damaligen Wohnung Peggys entfernt. Eine Durchsuchung seines Grundstücks im Frühjahr 2013 verlief ergebnislos. Der Mann habe kein Alibi für den Tattag. "Der vierte Tatverdächtige bleibt nach wie vor Ulvi K. Er kann genauso der Täter sein wie die drei anderen", sagte Müller. Denn auch Ulvi K. könne kein Alibi vorweisen.
Der Leiter der Soko "Peggy 1" äußerte sich allerdings skeptisch zum Tatzeitpunkt. Die zweite Soko ging davon aus, dass Peggy zwischen 13 und 14 Uhr getötet wurde. "Am 7. Mai 2001 hat es geregnet. Ulvi K. sagte aber in seinem Geständnis, dass die Sonne schien und er ein T-Shirt trug, als er Peggy ermordet haben will", sagte der Chef der Soko "Peggy 1". Wenn Ulvi K. die Tat wirklich begangen habe, dann nicht am Nachmittag.
Ex-Verteidiger: Polizei hat Ulvi zweifach getäuschtQuelle: http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Ex-Verteidiger-Polizei-hat-Ulvi-zweifach-getaeuscht;art2388,3321048
Beim Bayreuther Peggy-Prozess hat Wolfgang Schwemmer, der frühere Verteidiger von Ulvi Kulac, energisch dementiert, seinen Mandanten im Stich gelassen zu haben.
Rainer MaierSo hatten einige Medien, unter anderem der Spiegel in seiner Online-Ausgabe, die Aussagen des früheren Soko-Leiters Wolfgang Geier interpretiert. Schwemmer bezeichnete Kulac als einen sehr schwierigen Mandanten, der nur selten seinen Rat angenommen habe. Vor allem wollte er nicht schweigen, obwohl es besser für ihn gewesen wäre. „Ulvi fühlte sich durch die Ermittlungen als wichtige Person“, erinnerte sich Schwemmer. Gegen seinen Rat habe er immer wieder an Vernehmungen ohne Anwalt mitgewirkt. Dies habe er nur mit den Worten „Doch, ich will aber“ begründet.
Nach dem Geständnis allerdings habe er seine Taktik geändert, sagte der Anwalt. Er habe tatsächlich gesagt, dass Ulvi alle Vernehmungen mitmachen solle. "Ich habe mir gedacht, er erzählt so viele Varianten, bis jeder merkt, dass das nicht stimmen kann.“ Eine Generalerlaubnis sei das allerdings nicht gewesen. Der Anwalt sagte, dass er damals den Eindruck gehabt habe, dass die Soko gezielt seinen Urlaub abgewartet habe, um eine Video-Rekonstruktion der Tat durchzuführen, gegen die er strikt gewesen sei
Vor seinem Geständnis sei Ulvi gleich zweifach getäuscht worden: Zum einen weil man ihm erzählte, dass auf seiner Arbeitskleidung ein Blutfleck von Peggy gefunden worden sei. Zum anderen habe man Ulvi, der sich vor dem Gefängnis fürchtete, erzählt, dass er auf jeden Fall im Bezirkskrankenhaus bleiben dürfe. Dem Geständnis habe er immer weniger geglaubt, da keinerlei Sachbeweise folgten. Schon damals sei er sich sicher gewesen: „Der Ulvi ist ein Märchenerzähler."
Schwemmer, der für seine Aussage von seinem früheren Mandanten von der Schweigepflicht entbunden worden war, bezeichnete den Fall Peggy als ein „Verfahren, das ich auf Dauer mit mit herumtragen werde.“ Im Hofer Prozess hatte er Ulvi Kulac gemeinsam mit dem Hofer Strafverteidiger Walter Bagnoli vertreten. Wörtlich sagte Schwemmer: „Es ist eine Katastrophe. Ein Kind ist weg und andere Eltern verlieren ihr Kind wegen eines Urteils.“ Das Hofer Urteil sei für ihn falsch gewesen. Wolfgang Schwemmer versicherte, dass er objektiv nichts zur Lösung des Falls betragen könne. Auch ihm habe Ulvi nichts erzählt, was das Verschwinden von Peggy Knobloch erklären könnte.
Der Anwalt kritisierte besonders den Umgang mit den Kinderzeugen, die Peggy Knobloch am Nachmittag des 7. Mai 2001 noch zu einer Zeit gesehen haben wollen, als sie Ulvi Kulac nach Überzeugung der Ermittler schon umgebracht hatte. Der Anwalt: „Das ganze Verfahren ist ein Drama. Da wurden Zeugen, die sich ganz sicher waren, immer wieder befragt, bis sie unsicher werden.“ Sinngleich äußerte sich wenig später ein junger Mann aus Lichtenberg, der den Ermittlern damals als Elfjähriger geschildert hatte, dass er Peggy noch in der Abenddämmerung des 7. Mai lebendig in Lichtenberg gesehen hatte.
Kröber gibt auf Nachfragen des Gerichts zu, dass es Ungereimtheiten in Kulacs Aussagen gibt, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind. Warum soll Kulac, seine Unschuld angenommen, detailliert von einer Verfolgung Peggys samt Sturz berichten, wenn sich die anschließende Tötung des Mädchens gar nicht ereignet hat? Kröber hat dafür zwar wissenschaftlich fundierte Ansätze, gibt aber zu, dass es schwierig ist, Kulacs Aussagen zu bewerten. In zentralen Punkten seien seine Angaben aber unnötig ausführlich und daher als real und erlebt anzusehen, so Kröber.Quelle: http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/mordfall-peggy-fuenfter-prozesstag-100.html (Archiv-Version vom 12.05.2014)
Die Staatsanwältin fragt Kröber, wie seine Aussage nach einer "hohen Wahrscheinlichkeit" der Richtigkeit des Geständnisses anzusehen ist. Kröber antwortet sinngemäß, dass es viele Details und schlüssige Folgehandlungen enthält. Sollte sich Kulac all das ausgedacht haben, so wäre das laut Kröber zwar möglich, aber die unnötig umständlichere Variante. Die naheliegendste Erklärung sei, dass Ulvi Kulac seine Schilderungen aus dem Geständnis tatsächlich erlebt hat. Kurzum: Er hätte mehrfach die Möglichkeit gehabt, sich auf seine Unschuld zu berufen. Er tat es nicht, sondern widerrief das Geständnis erst Monate später.
Wie glaubwürdig ist Kulacs Aussage, er habe lediglich gestanden, um seine Ruhe zu haben? Schließlich hat Kulac mehrfach gestanden, ausführlich ausgesagt und erst viel später widerrief er all das. Ein Polizist hat am Montag (05.05.14) korrekterweise angemerkt, dass Kulac nur das Mordgeständnis widerrufen habe, nicht aber den sexuellen Missbrauch. Laut Kröber kann Kulac auch katastrophale Ereignisse weitgehend unberührt schildern. Und ganz simpel ausgedrückt: Es sei bei den Vernehmungen angesichts seiner Minderbegabung für Ulvi Kulac immer einfacher gewesen, die Wahrheit zu sagen, anstatt sich in einem Lügengebilde zu verstricken, aus dem er nicht mehr herauskomme.
Mehrere hartnäckige Nachfragen von Kulacs Verteidiger Michael Euler bricht das Gericht ab. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass Kröber nur die Aussagepsychologie Kulacs beurteilen soll. Äußere Umstände und Logiklücken seien nicht Teil von Kröbers Auftrag. Euler lässt nicht locker: "Warum soll er (Kulac, d. Red.) das sagen?" - "Diese Frage können Sie immer stellen", kontert Kröber. Manche Dinge seien eben rational nicht nachzuvollziehen, führt Kröber aus. Dass auch Täter sich nicht an die Kleidung des Opfers erinnerten, sei nicht ungewöhnlich.
Interessant: Kulacs Verteidiger hat die Ärzte seines Mandanten nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden. Das Gericht erfährt also nicht, wie die Mediziner seine Therapiefortschritte und sein derzeitiges Verhalten in der Forensischen Psychiatrie beurteilen. Das Gericht muss sich auf Akten und Aussagen von Gutachtern stützen, um Kulacs Verhalten und Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Die Fragen der Verteidigung drehen sich im Kreis, doch Kulacs Anwälte sehen in den Ausführungen Kröbers eine offene Flanke. Kapital schlagen können sie aus der Befragung aber nicht. Um 18.11 Uhr endet der fünfte Verhandlungstag. Morgen soll Peggys Mutter Susanne Knobloch befragt werden.
Ermittelt die Staatsanwaltschaft im Mordfall Peggy heimlich gegen deren Mutter Susanne Knobloch? Oder gegen den ehemaligen Lebenspartner der mittlerweile 41-Jährigen, den Türken Erhan Ü.? Offiziell gibt es kein Verfahren gegen die beiden.Quelle: http://www.welt.de/vermischtes/article127686409/Man-kommt-ins-Gruebeln-ist-da-was-dran.html
Doch hinter den Kulissen scheint die Staatsanwaltschaft sehr wohl eine Beteiligung der Mutter am Verschwinden des neunjährigen Mädchens für möglich zu halten und zu beleuchten. Dieser Eindruck kam jetzt während der Wiederaufnahmeverhandlung im Mordfall Peggy auf, und zwar offenkundig sehr zum Widerwillen der Staatsanwaltschaft.
Die Ankläger aus Bayreuth befürchten wohl, mögliche Mitwisser oder Täter aufzuschrecken durch allzu offenkundige Ermittlungen. Nun wurden die Staatsanwälte Sandra Staade und Daniel Götz zu dem Eingeständnis gezwungen, es gebe neben den offiziellen Verfahren gegen drei Tatverdächtige im Mordfall Peggy weitere "offene Ermittlungen". Ohne dass sie das direkt bestätigen wollten: Damit sind wohl die Mutter und ihr Ex-Freund gemeint.
Am Mittwoch tritt Peggys Mutter auf
Auch Ulvi K.s Anwalt Michael Euler hält die beiden für "konkret tatverdächtig", vor allem wegen einer SMS von Erhan Ü. an Susanne Knobloch. Darin hieß es im Januar 2002, mit 50.000 D-Mark könne man viel anstellen. Welchen Hintergrund diese Nachricht hatte, wurde nie ermittelt.
Nun stellt sich aber die Frage, ob und was Susanne Knobloch in dem Wiederaufnahmeverfahren überhaupt noch aussagt. Sollte sie befürchten müssen, sich selbst zu belasten, könnte sie die Aussage verweigern. Ihre Zeugenladung am Mittwoch wird mit Spannung erwartet.
Nach dem Verschwinden von Peggy am 7. Mai 2001 hatten die Ermittlungen keine Hinweise auf eine Beteiligung von Susanne Knobloch ergeben. 2004 wurde dann der geistig behinderte Ulvi K., heute 36, wegen Mordes an Peggy verurteilt, obwohl nie eine Leiche gefunden wurde. K. hat die lebenslange Freiheitsstrafe nie angetreten, sondern sitzt in der geschlossenen Psychiatrie von Bayreuth.
Ein Geständnis des Mordes hatte er zwar widerrufen, aber ein Gutachter hielt die Aussage dennoch für glaubwürdig. Der Verfasser der damaligen Analyse, der Berliner Psychiater Hans-Ludwig Kröber, hält Ulvi K. offensichtlich auch heute noch für den Mörder. 50 Minuten lang verteidigte er am Nachmittag vor Gericht seine damalige Bewertung, Ulvi K. müsse das von ihm im Geständnis Geschilderte tatsächlich erlebt haben, um es so detailreich und in verschiedenen Vernehmungen konstant wiederholen zu können.
Ein falsches Geständnis ist "denkmöglich"
Es sei höchst unwahrscheinlich, so Kröber, dass dem Angeklagten die Tat und ihre Umstände gewissermaßen "induziert" worden seien durch Fragen von Polizei und seines Anwalts Schwemmer. Am Ende kam er allerdings zu der von der Verteidigung erhofften Einschränkung, dass ein falsches Geständnis gleichwohl nicht auszuschließen sei.
Im "Lichte neuer Forschung" und nach der Einsicht von Akten, die er beim Prozess 2004 noch nicht gehabt habe, so Kröber, sei es "wissenschaftlich denkmöglich", dass es sich "um ein aussagepsychologisch recht gutes, aber falsches Geständnis" gehandelt habe. Damit ist dem Gericht das nötige Argument geliefert, Ulvi K. tatsächlich freizusprechen.
Dabei war es zuvor ausgerechnet Ulvi K.s ehemaliger Verteidiger Wolfgang Schwemmer gewesen, der so ganz nebenbei wieder Zweifel an der Unschuld des 36-Jährigen weckte.
Wo ist der grüne Vorhang geblieben?
Er nannte den Gastwirtsohn zwar wiederholt einen "Märchenerzähler", jemanden, der sich geschickt und durchaus glaubhaft die verrücktesten Geschichten zusammenspinnen konnte. Aber Schwemmer erinnerte sich zugleich auch fast schon demonstrativ an einen Besuch bei Ulvi K. zu Hause. Dabei sei ihm ein Foto an der Wand aufgefallen, auf dem ein grüner Vorhang zu sehen gewesen sei.
"Dieser Vorhang fehlte, man sah nur noch den grauen Schatten an der Wand. Da kommt man schon ins Grübeln: Ist da vielleicht doch was dran?" Die Anspielung war kaum verhohlen: Ulvi K. hatte in seinem widerrufenen Geständnis gesagt, er habe die Leiche von Peggy in einer grünen Decke weggeschafft. Zunächst hatte er als Helfershelfer einen Kumpel benannt, danach seinen Vater.
An K.s damaligen Rechtsanwalt war zuletzt viel Kritik laut geworden. Unter anderem hieß es, er habe seinen Mandanten in Verhören mit der Polizei allein gelassen und sei in den Urlaub gefahren. Schlemmer versuchte das zwar mit allen Kräften zu widerlegen. Er zählte alle Gesprächs- und Betreuungstermine auf, die er mit K. oder dessen Familie gehabt hatte, berichtete von schwierigen Gespräche und dem Widerwillen des Beschuldigten, seinen Ratschlägen zu folgen. "Er hat immer wieder die Polizei angerufen, um auszusagen, weil er dabei das Gefühl hatte: ,Ich bin eine wichtige Person, ich bedeute was.'"
Die seltsame Verteidigungsstrategie
Wenn er K. dann zur Rede gestellt habe, warum er ausgesagt und sogar gestanden habe, sei die Antwort stets gewesen: "Weil ich das will." Schwemmer hatte sogar gleich zu Beginn, als er verpflichtet wurde, eine sogenannte Mandatsanzeige gemacht mit dem Inhalt: "Aufpassen, der Beschuldigte ist ein kranker Mensch. Es mag sein, dass er etwas aussagt, das nicht stimmt, aber ihn schwer in Probleme bringt."
Dennoch: Dass Ulvi K. damals nicht die beste aller Verteidigungen erhalten hat, dieser Eindruck bestätigte sich eher, als dass er widerlegt wurde durch Schwemmers Aussage. So hatte der Anwalt seinem Mandanten nach dessen Geständnis ausdrücklich erlaubt, weiterhin an Verhören teilzunehmen, auch wenn er selbst in Urlaub sei und ihn nicht betreuen könne. "Ich habe mir gedacht, dass die Ermittler dadurch, dass Herr K. immer neue und andere Geschichten erzählt, schon selbst drauf kommen, dass das Geständnis nicht stimmen kann."
Eine durchaus seltsame Verteidigungsstrategie – und eine, die Ulvi K. letztlich lebenslänglich beschert hat
Heute vor 13 Jahren verschwand Peggy Knobloch aus Lichtenberg. Bis heute fehlt von ihr jede Spur. Im Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi Kulac tritt Peggys Mutter als Nebenklägerin auf und heute soll sie als Zeugin vor dem Landgericht Bayreuth aussagen. Auch ihr ehemaliger Lebensgefährte Erhan Ü. ist geladen. Von ihm ist bekannt, dass er mit Peggy nicht zurechtkam, und auch mit Susanne Knobloch gab es Streit.Twitter Jörg Völkerling:
Bis heute haben Susanne Knobloch und Erhan Ü. nicht plausibel beantwortet, was es mit den mysteriösen SMS auf sich hat, die Ü. seiner damaligen Freundin am Neujahrsabend 2002 schrieb. Darin ist etwa von 50.000 D-Mark die Rede, mit denen man viel machen könnte. Merkwürdig: Dieser Betrag war von den Ermittlern als Belohnung für Hinweise auf Peggy ausgelobt. Außerdem erwähnte Ü., er wolle sich die Hände nicht dreckig machen. Wieso? Etwa eine Woche nach Peggys Verschwinden gab es noch eine SMS, abgeschickt angeblich von Ü.s Handy: "Ich habe meine Mama schon so lange nicht mehr gesehen." Auch dafür werden sich die Prozessbeteiligten interessieren. Ob sie plausible Antworten erhalten, bleibt abzuwarten.
Paukenschlag am sechsten Verhandlungstag!
Das Gericht glaubt nicht, dass die weiteren vorgesehenen Zeugen zur Aufklärung beitragen können. Da der Gutachter Hans-Ludwig Kröber in seinem neuen Gutachten nicht mehr ausschließen kann, dass Ulvi Kulac das Geständnis erfunden hat, kann er quasi nicht für schuldig befunden werden. Das Gericht regt an, die Beweisaufnahme abzuschließen.
Um 9 Uhr soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Dann wollen die Beteiligten beraten, ob Susanne Knobloch und Erhan Ü. noch gehört werden sollen. Es könnte ein kurzer Verhandlungstag werden. Wenn alle einverstanden sind, könnte es mit den Plädoyers weiter gehen.
Die Reporter haben sich um den Justizsprecher versammelt, während sich die Prozessbeteiligten beraten. Ulvi Kulac sitzt ganz alleine auf der Anklagebank und verfolgt das hektische Treiben ohne erkennbare Regung.
Kulacs Anmwälte sind wieder im Saal. Nun kommt es auf die Staatsanwaltschaft an. Nur wenn sie zustimmt, kann das Verfahren abgekürzt werden.
Auf den Pressebänken herrscht allgemeine Unruhe. Alle wollen wissen, wie es nun weitergeht.
Kulacs Unterstützer diskutieren angeregt. Der Freispruch ist greifbar nah.
Die Vertreter der Staatsanwaltschaft sind noch nicht zurück im Saal.
Jetzt kehren die Prozessbeteiligten zurück. Es kann weitergehen.
Überraschend will Richter Eckstein die Beweisaufnahme im Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi Kulac bereits heute abschließen. Alles deutet auf einen Freispruch für Kulac hin. Neben dem Geständnis gebe es bis heute keinen einzigen Sachbeweis dafür, dass Ulvi Kulac Peggy ermordet hat.
Ein wichtiger Grund für diese Einschätzung des Gerichts sei das neue Gutachten von Psychiater Hans-Ludwig Kröber. Der sagte gestern, er könne nicht mehr ausschließen, dass Ulvi Kulac damals ein falsches Geständnis abgelegt hat. Außerdem hält das Gericht auch die Aussagen der Kinderzeugen für glaubwürdig, die Peggy nach dem angeblichen Tatzeitpunkt noch in Lichtenberg gesehen haben wollen.
Die Staatsanwaltschaft verzichtet ebenfalls auf die Vernehmung weiterer Zeugen. Kulacs Verteidiger, Rechtsanwalt Euler, hingegen hat trotz der Entscheidung des Gerichts auf die für heute vorgesehene Vernehmung von Peggys Mutter, Susanne Knobloch bestanden. Weitere zwei Entlastungszeugen, die Kulac damals ein Alibi gegeben haben, möchte er noch hören. Das offizielle Urteil wir mit großer Sicherheit kommende Woche fallen.
Carolin Muenzel / MAIN-POST
8:32
Der 6. Verhandlungstag beginnt mit Zeugen, die Ulvi K.s Tagesablauf am 7. Mai bestätigen könnten. Unter anderem der Mann, bei dem er am Tag von Peggys Verschwinden zum Holzmachen war.
8:52
Vorsitzender Richter Michael Eckstein erklärt, dass die Kammer eine weitere Beweisaufnahme nicht für erforderlich hält. Jetzt müssen Staatsanwaltschaft und Rechtsanwälte Entscheiden, ob sie dem zustimmen. 10 Minuten Beratungspause
9:06
Wird die Beweisaufnahme wirklich geschlossen, könnte das Urteil schon nächste Woche fallen - nicht wie geplant am 2. Juni
9:07
Verteidiger Michael Euler sagt, er will auf jeden Fall noch die heute geladenen Zeugen, inklusive Peggys Mutter, hören.
Martin Haehnlein BR:Twitter Jörg Völkerling:
Der Münchner Psychiater Prof. Norbert Nedopil sagt aus. Er hat Kulac untersucht und soll seine Fantasiebegabung beurteilen.
Kulacs Intelligenz liegt Neopil zufolge im sehr problematischen IQ-Bereich zwischen 60 und 70. Solche Personen wüssten durchaus, dass man bestimmte Dinge nicht tun dürfe.
Bei einem Test zeigte sich, dass Kulac in einem vorgelegten Farbklecks alle möglichen Tiere erkannte und trotz seiner offensichtlichen Unwissenheit immer weiter machte, offenbar in der Hoffnung, irgendwann richtig zu "raten".
Bei vorgelegten Bildern sollte Kulac berichten, was ihm dazu einfällt. Erstaunlicherweise habe er ganz plausibel klingende Geschichten erzählt, die er auch am nächsten Tag wiederholte. Zwar hätten die Erzählungen nicht den Kern der Sache betroffen, aber Kulac habe diese unbefangen und bedenkenlos vorgetragen.
Nedopils Fazit: Kulac sei fantasiebegabt und könne Dinge auf den ersten Blick glaubhaft darlegen. Darüber hinaus sei er lernfähig. Auf Unstimmigkeiten in seinen Erzählungen angesprochen, habe er die Gutachter angestrahlt und zugegeben, dass er die Antwort eigentlich gar nicht wisse.
Um 10.15 Uhr soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Dann soll Susanne Knobloch aussagen.
Peggy habe ich öfter verletzt, berichtet Susanne Knobloch auf eine entsprechende Frage des Gerichts.
Die rätselhaften SMS spricht sie von sich aus an. Sie stockt und spricht mit belegter Stimme, mehrere Sätze fängt sie an, ohne diese zu beenden.
Ihre Befragung wird unterbrochen, weil die Zeugenaussage eines Ermittlers eingeschoben wird. Zur Sprache kommt eine der rätselhaften SMS. So wurde am 7. Juni 2001, also vier Wochen nach Peggys Verschwinden, eine Nachricht von Ü.s Handy an eine Bekannte geschickt: "Ich habe meine Mama schon so lange nicht mehr gesehen."
Die Polizei schlussfolgert, dass sich das nicht auf Peggy bezogen hatte, sondern auf Ü.s Eltern. Diese seien Ende Mai 2001 für vier bis sechs Monate in die Türkei gereist. Und auch für eine weitere SMS hat der Ermittler eine Erklärung parat: "Mit 50.000 kann man viel machen auf dieser Scheißwelt", hatte Ü. geschrieben. Schlussfolgerung der Ermittler: Ü.s Schwägerin habe eine Imbissbude übernommen und in diesem Zusammenhang eine Abschlagszahlung von 50.000 Mark geleistet. Weitere Überlegungen hätten die Ermittler nicht angestellt, berichtet der Polizeihauptkommissar. Dann geht es mit der Befragung von Susanne Knobloch weiter.
Susanne Knobloch geht davon aus, dass es sich bei den 50.000 Euro um ein "Kopfgeld" ihres ehemaligen Lebensgefährten Erhan Ü. handelte, um sie zu töten. Zwischen dem Paar habe "die Luft gebrannt", berichtet sie. Der 7. Mai 2001 sei ein denkbar schlechter Tag gewesen. Sie habe private Probleme gehabt, Peggy habe nicht in die Schule gehen wollen, es sei neblig, dießig und regnerisch gewesen. "Der Tag war Scheiße", fasst Susanne Knobloch zusammen. Zur Aufklärung können auch die Nachfragen von Rechtsanwalt Euler nicht beitragen.
Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Plädoyers am Dienstag, 13. Mai.
Das Urteil soll am Mittwoch, 14. Mai verkündet werden.
Mit Tamtam hatte Anwalt Euler angekündigt,Peggys Mutter zu "Tatverdacht" zu befragen - doch nach wenigen Minuten hatte er Pulver verschossen
Er hängte sich vor allem an SMS von Knoblochs Ex-Verlobten auf, "mit 50000 Mark könne man viel machen". Er deutet das als Lösegeld für Peggy
Susanne Knobloch erklärte es aber als "Kopfgeld", als Drohung ihres Ex - er habe gesagt, wenn er sie nicht haben könne, dann keiner
Auch verheulte Augen am Tag von Peggys Verschwinden erklärte sie: Sie habe Probleme mit Verlobtem gehabt, habe das nicht ausblenden können
Zwei, drei Wochen zuvor habe er sie von einem Vaterschaftstest informiert, wonach er nicht der Vater von Peggys Schwester sei
"Das ganze war ein Scheißtag": So erinnerte sich Susanne Knobloch an den 7. Mai vor 13 Jahren.
Das Gericht hat nun die Beweisaufnahme geschlossen. Am 13. Mai wird plädiert. Am 14. Mai sei das Urteil im Laufe des Tages zu erwarten.