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Diktatur des Proletariats oder … Erklärung gesucht?

62 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: China, Demokratie, Stalin ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
claudius140 Diskussionsleiter
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Diktatur des Proletariats oder … Erklärung gesucht?

16.08.2022 um 12:48
@sacredheart
@navi12.0
@navi12.0
@paranomal
@Narrenschiffer
@taren
@parabol


Bei Betrachtung der letzten Beiträge fiel mir etwas ein das ich erst vor 20-30 Jahren kennen lernte.Niucht in der Schule.

Nämlich der sogenannte Jesuiten-Staat in Südamerika.Der wäre doch ein passendes Modell.
Allerdings war er auch nicht von Dauer.
Da das Thema ziemlich umfangreich behandelt wird, verlinke ich hier mal die Google-Übersichts-Seite nach den Suchworten Jesuitenstaat in Süd-Amerika.
Da kann sich dann jeder interessierte nach Gusto aussuchen was er will.Schon der Wiki-Eintrag ist meiner Meinung nach nicht umfassend genug:

https://www.bing.com/search?q=jesuitenstaat+in+s%c3%bcdamerika&qs=UT&pq=jesuitenstaat+&sk=HS1&sc=2-14&cvid=69E38F05C93A4B5C8249C6D229B2289E&FORM=QBLH&sp=2

Noch ein Beispiel:
Meine Schwester lebt jetzt über 40 Jahre in Akersberga am Rande von Stockholm.
Sie kennt also die ganze Entwicklung dieses Musterstaates von dem unser Lehrer im Gemeinschafts-Kunde-Unterricht immer geschwärmt hat.
Mit dem Musterstaat Schweden ists vorbei.Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber sie hält mich immer auf dem Laufenden.
Die Alten werden vernächlassigt, keiner will mehr Polizist werden.Schiessereien unter ausländischen Jugendgangs, minderjährige Killer wegen der Noch-Straffreiheit, einmal die Woche ein Polizistenmord.
Wer von den Schweden kann zieht aus den okkupierten Vorstädten weg usw usw.
Die Mütter der jugendlichen Ausländer-Gangs gehen gegen ihre eigenen Kinder auf die Strasse.
Ich bin zwar kein Ausländer-Feind, aber was zu viel ist ist zu viel.
Dabei ist meine Schwester auch gebürtige Deutsche die mit einem Schweden 2 Söhne hat.
Fazit:
Das schwedische Modell ist auch gescheitert.

@claudius140

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16.08.2022 um 13:02
@claudius140

Das wäre ein passendes Modell für was noch mal?
Das grundsätzliche Bestreben der Jesuiten war die Bekehrung der Einheimischen zum Christentum. Nicht beabsichtigt war die Verbindung von vorgefundenen Stammesstrukturen mit den Gemeinschaftsstrukturen eines europäischen Ordens zur fruchtbaren Begegnung zweier Kulturen, um ein Vorbild zu schaffen für eine wegweisende künftige Gesellschafts- oder Staatsordnung. Hierzu fehlte der Ansatz der wirklichen Emanzipation der Einheimischen. Auf diese Weise waren und blieben die Rollen verteilt: Die Einheimischen verblieben auf der Stufe der Abhängigen.
Quelle: Wikipedia: Jesuitenreduktion

Das waren immerhin die Ureinwohner Südamerikas, deren Leben gut funktionierte, bis die Weissen kamen. Und die wurden da eingepfercht, zum Christentum getrieben und standen unter der Aufsicht und Herrschaft der Jesuiten. Und ganz nebenbei wurden sie von 'Unserer Heiligen Mutter Kirche' auf eine Weise bestohlen, die in der Weltgeschichte einmalig ist.
Die erste Schiffsladung mit im Auftrag der Kirche von Pizarro gestohlenem Gold war vier mal so viel wert wie die Bank von England.

Neben allen andere Verbrechen der Kirche würde selbige für mich erst dann wieder exisiteren, wenn sie die Ureinwohner Amerikas komplett mit Zinsen für diesen Diebstahl über Jahrhunderte entschädigt hat und zwar den gesamten Betrag.

Also ich halte es nicht für eine positive Gesellschaftsutopie, eine gut funktionierende Gesellschaft seiner Werte zu berauben und die Mitglieder dann durch überlegene Waffengewalt (und durch die Dezimierung durch die Pocken) in solche Gebilde zu zwängen und ihnen noch die Religion der Plünderer aufzudrängen.

Und in der europäischen Romantisierung des einfachen Lebens 'der Indianer' wird immer gerne übersehen, dass dieses würdevolle einfache Leben für sie schlicht postapokalyptisch war.


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claudius140 Diskussionsleiter
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16.08.2022 um 13:43
@sacredheart
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Das waren immerhin die Ureinwohner Südamerikas, deren Leben gut funktionierte, bis die Weissen kamen. Und die wurden da eingepfercht, zum Christentum getrieben und standen unter der Aufsicht und Herrschaft der Jesuiten. Und ganz nebenbei wurden sie von 'Unserer Heiligen Mutter Kirche' auf eine Weise bestohlen, die in der Weltgeschichte einmalig ist.
Die erste Schiffsladung mit im Auftrag der Kirche von Pizarro gestohlenem Gold war vier mal so viel wert wie die Bank von England.
Das gehörte bei Missionaren und Eroberern schon immer zusammen.Man muss sich nur den Protz in den Kirchen anschauen.
Alles eine Frage der Motivation.Und das "Wichtigste", es gab als Bonus auch ein paar Seelen zu retten.Was ist schon etwas Gewalt und Tod gegen das ewige Paradies?
Es gibt noch heute IDIOTEN die sich dafür in die Luft sprengen.Es wartet ja da Paradies und 72 Jungfrauen oder so.

Der Jesuitenstaat ist auch nicht an sich selber untergegangen.
Soweit ich mich erinnere hatte sogar der damalige Papst die Finger drin.
Und Päpste und andere religiöse Gruppierungen hatten auch immer Probleme mit derr SJ.
Heute ist eine der SJ sogar Papst.
Worauf das für mich hinausläuft, ALLE Staaten und Organisationen dieser Welt haben ihre Vorschriften und Gesetze.
Der Punkt ist aber ob sie sich auch daran halten?
Das gilt nicht nur für Diktaturen.Und es betrifft vor allem immer die OBEREN.

Die Römer zB wollten ja nicht nur das Land, sondern auch ihre Gesetze und ihre Kultur weiter geben.
Und ich denke das ist ihnen ganz gut gelungen.Allerdings an erster Stelle auch mit Gewalt.

@claudius140


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16.08.2022 um 16:01
Zitat von paranomalparanomal schrieb:sacredheart schrieb:
Das ist ja beim Kapitalismus (wenn man ihn so nennen will) bzw bei einer Marktwirtschaft anders, die haben sich ja evolutionär entwickelt

Äh nein, siehe "ursprüngliche Akkumulation". Die Geburt des Kapitalismus war ein Gewaltakt.
Das ist aber auch nur eine marxistische These, die man nicht als historische Wahrheit hinstellen darf. Man kann den Kapitalismus sehr wohl als evolutionär entstanden auffassen, wie dies z.B. Max Weber tut. Nur weil Marx ein paar regional begrenzte Beispiele für Raub liefert, kann man diesen noch lange keine großen systembildenden Effekte zuschreiben.


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Diktatur des Proletariats oder … Erklärung gesucht?

16.08.2022 um 19:01
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Gute Frage. Wenn ich darauf hier in einem Beitrag erschöpfend antworten könnte, wäre ich ein Jahrhundertgenie.
Allerdings ist auch ein Punkt der Natur des Menschen, er fügt sich und passt sich der Umgebung an. Die letzten 2000+ Jahre waren für eine Mehrheit der Menschen von Minimalismus und harter Arbeit geprägt. Die Konsumorientierung und der aktuelle Lebensstandard sind eine relativ kurze Periode der Menschheit. Wir befinden uns in einer Notsituation, nicht so offensichtlich als wenn ein Asteroid auf uns zukommt aber mit genauso unabsehbaren Folgen. Wer heute geboren wird und 80 Jahre alt werden sollte, der dürfte schon mitten drin sein. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann stehen die Chancen gut das wir die Demokratie, unseren Fortschritt und zu großen Teilen unser Leben verlieren werden.


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17.08.2022 um 09:07
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Das ist aber auch nur eine marxistische These, die man nicht als historische Wahrheit hinstellen darf.
Das gilt in der Geschichtswissenschaft als gesichert. Marx selbst hat sich ja bei seinen Recherchen auf historische Dokumente gestützt. Die entsprechenden Gesetze zur Einhegung sind ja ebenfalls existent.
Zitat von navi12.0navi12.0 schrieb:Aber die poolitisch-ökonomischen Rahmenbedingungen nicht.
Das ändert aber nichts an der ökonomischen Funktion von Wertpapieren.
Zitat von navi12.0navi12.0 schrieb:Es gab kaum einen Schutz für Arbeiter, kaum Organisationen, kaum Lobbys, die die Interessen des Proletariats breitflächig vertraten. Das ist heute anders - und nur deshalb hat der Arbeiter heute die Möglichkeit an den Erträgen des Kapitals zu partizipieren, und selbst zum Investor mit all seinen Vor- und Nachteilen zu werden.
In einem sehr beschränkten Rahmen findet das statt, ja. Mit dem angestrebten Kollektiveigentum an Produktionsmitteln hat das dennoch wenig zu tun.
Zitat von navi12.0navi12.0 schrieb:Der Punkt ist, dass die Rahmenbedinungen im heutigen Kapitalismus viel viel ... viel besser sind, als man es sich zur Zeit des aufkeimenden Sozialismus erträumen konnte.
Dem würde ich auch gar nicht widersprechen. Es geht bei der Thematik auch eigentlich um nach wie vor ungelöste Grundkonflikte.
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Den allermeisten Menschen steht ihr eigenes Ich relativ nahe, dann kommen vielleicht Frau oder Mann und Kinder, dann Verwandte, Freunde, Bekannte, Mitglieder irgendeiner verbindenden Gruppe
Wenn man in diesem Punkt einige westliche und östliche (vor allem ostasiatische) Kulturen vergleicht, dann gibt es da große Unterschiede, die vor allem auch durch religiöse und ethische Vorstellungen geprägt zu sein scheinen. Zwar gab es im Feudalismus hier mehr Parallelen zum (beispielsweise) konfuzianistischen Gesellschaftsmodell, doch spätestens mit der Aufklärung hat sich das geändert. Vor allem der Blick aufs Individuum und die angestrebte Eigennützigkeit scheint demnach keine historische Konstante zu sein.


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17.08.2022 um 12:36
Zitat von paranomalparanomal schrieb:Wenn man in diesem Punkt einige westliche und östliche (vor allem ostasiatische) Kulturen vergleicht, dann gibt es da große Unterschiede, die vor allem auch durch religiöse und ethische Vorstellungen geprägt zu sein scheinen.
@paranomal

Klar, wenn ich noch 458 Wiedergeburten vor mir hätte, könnte ich das Elend auch leichter ertragen.

Wir können halt nicht mehr hinter die Aufklärung zurück, auch wenn es praktisch ist, wenn die Leute ein gutes Leben erst nach dem Tod erwarten.


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17.08.2022 um 21:11
Zitat von paranomalparanomal schrieb:Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:
Das ist aber auch nur eine marxistische These, die man nicht als historische Wahrheit hinstellen darf.

Das gilt in der Geschichtswissenschaft als gesichert. Marx selbst hat sich ja bei seinen Recherchen auf historische Dokumente gestützt. Die entsprechenden Gesetze zur Einhegung sind ja ebenfalls existent.
Du meinst wahrscheinlich, dass die konkreten historischen Ereignisse, auf die Marx sich bezieht, geschichtswissenschaftlich verbürgt sind. Das ist unstrittig. Und mir ist bekannt, dass Marx ein akribisches Quellenstudium betrieb. In Zweifel ziehe ich lediglich, dass die spezifische theoretische Deutung dieser Ereignisse (→ Initialzündung für ein weltweit sich entfaltendes Wirtschaftssystem) als gültiges historisches Standardwissen angesehen werden kann. Sie bleibt m.E. marxistischer Glaube.

Marx geht exemplarisch vor, reiht ein Beispiel aus der englischen Geschichte ans andere, um sinngemäß zu argumentieren: Seht ihr, so ist der Unterschied zwischen Besitzenden und Besitzlosen zustande gekommen, und nicht – wie die Ökonomen behaupten – durch Leistung. Nun würde dir aber jeder Historiker genau so viele Beispiele für die gegenläufige These, dass Menschen durch Fleiß und Sparsamkeit zu Besitz gelangt und als Kapitalisten in den Produktionsprozess eingestiegen sind, heraussuchen können. Die von Max Weber beschriebenen Phänomene (die er als Belege für die Sparsamkeitsthese ins Feld führt) sind historisch genau so verbürgt wie die von Marx genannten.

Die Frage ist also: Konnte der Kapitalismus – wie Marx behauptet – tatsächlich nur deshalb entstehen, weil es ‚Expropriationen‘, Vertreibungen von Bauern etc. gab. Fakt ist, dass diese Vorgänge insofern rechtens waren, als die ‚Vertriebenen‘ zwar bislang Verfügungsrechte hatten, aber kein Eigentum. Sie hatten also schon vorher kein Eigentum bzw. die ‚Vertreiber‘ hatten welches! Man müsste die Frage nach dem Ursprung des Eigentums bzw. der materiellen Unterschiede also eigentlich weiter zurückverfolgen. Schon Schumpeter argumentiert in ähnlicher Weise gegen die Theorie (!) der ‚ursprünglichen Akkumulation‘.

Marx benötigt schlichtweg den Mythos einer ‚schmutzigen‘ Entstehung (den er dem einer ‚sauberen‘ Entstehung) gegenüberstellen kann, um sein Projekt moralisch zu legitimieren. Einem realistischen Historiker wäre dies wohl viel zu sehr ‚Entweder-Oder‘, und er würde mitnichten ausschließen, dass die Besitzlosigkeit vieler damaliger Menschen auf vergleichsweise geringeren Fleiß oder geringeres Geschick zurückzuführen war, oder darauf, dass sie alles ausgaben, was sie über den unmittelbaren Bedarf hinaus besaßen (während andere es eben ansparten). Indem Marx sich über diese Idee karikierend lustig macht („faulenzende, ihr alles und mehr verjubelnde Lumpen“), suggeriert er, so könne es nicht gewesen sein. Und diese einseitige Deutung darf m.E. nicht als geschichtlicher Fakt hingestellt werden.

Unser Ausgangspunkt war übrigens die Aussage von @sacredheart (der ich zustimme), Alternativen zur Marktwirtschaft seien im Gegensatz zu dieser stets am Reißbrett entworfene Kopfgeburten. Und in diesem Charakter liegt ihr Scheitern notwendigerweise begründet – wie auch dasjenige aller zukünftigen Konstruktionen einer besseren Welt. Komplexe Gesellschaften lassen sich nicht zentral steuern, sie sind keine Mechanismen. Entweder die Alternativen entwickeln sich evolutionär oder es bleibt bei der Marktwirtschaft.


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18.08.2022 um 10:22
@Rationalheld

Zumal es ja gar nicht 'die Marktwirtschaft' gibt, sondern es haben sich ganz unterschiedliche Varianten entwickelt, die auch nicht gegenseitig übertragbar sind.

Mir ist das so recht bewusst geworden immer wenn ich in Peru bin. Die haben zwar gerade einen kleptokratischen Sozialisten als Präsidenten, unter dem es dem Land natürlich schlechter geht, aber das Wirtschaftssystem ist Marktwirtschaft.

Die sieht aber ganz anders aus als unsere und funktioniert aus ihrer Entwicklung heraus.

Ca 55% aller Beschäftigungsverhältnisse sind inoffiziell. Das ist für uns unvorstellbar, aber es funktioniert dort, ohne ideal zu sein.
Die Armen dürfen sich als Kleinunternehmer betätigen. Formal müssten die auch ein Gewerbe anmelden, aber dieses Kleinunternehmertum wir toleriert. Und es wird angenommen. Ich war mal sehr überrascht, wie viele Leute bei den Wasserverkäufern an den Straßen von Lima anhalten, ein kleines Schwätzchen und dort relativ überteuerte Wasserflaschen kaufen. Das tun die mit Absicht aus sozialen Gründen. Und den ganzen Kram mit Rente und diversen Versicherungen haben die nicht in unserem Ausmaß. Das wird über Familie geregelt. Bei uns mit unserer Vereinzelungstendenz unvorstellbar.

Die Wirtschaft war 20 jahre lang wenig reguliert. Und dennoch haben die Kleinverdiener am Meisten von 15 Jahren Boom profitiert.

Es funktioniert aber wäre natürlich absolut nicht übertragbar. Und es funktioniert auch nur, weil es sich evolutionär entwickelt hatte.

Mal sehen, wie viel da sozialistische Schwachsinnsexperimente kaputt machen, bis der Präsident endlich weg ist.


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18.08.2022 um 11:31
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Und mir ist bekannt, dass Marx ein akribisches Quellenstudium betrieb. In Zweifel ziehe ich lediglich, dass die spezifische theoretische Deutung dieser Ereignisse (→ Initialzündung für ein weltweit sich entfaltendes Wirtschaftssystem) als gültiges historisches Standardwissen angesehen werden kann. Sie bleibt m.E. marxistischer Glaube.
Eine Theorie oder These, die durchaus empirisch unterfüttert ist.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Seht ihr, so ist der Unterschied zwischen Besitzenden und Besitzlosen zustande gekommen, und nicht – wie die Ökonomen behaupten – durch Leistung.
Komisch, dass du hier diese Distinktion aufmachst. Marx war ebenfalls Ökonom und hat bei seinen wirtschaftshistorischen wirtschaftstheoretischen Arbeiten mit deutlich weniger fragwürdigen Grundannahmen gearbeitet als viele liberale Theoretiker. Gerade diese Erklärung über den Faktor "Leistung" wirft ja mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Da je nach Kontext damit ganz unterschiedlich quantifizierbare Faktoren gemeint sein können. Zudem klärt diese Herleitung nicht die Frage, wie die Produzierenden überhaupt an das dafür nötige Kapital kamen.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Die Frage ist also: Konnte der Kapitalismus – wie Marx behauptet – tatsächlich nur deshalb entstehen, weil es ‚Expropriationen‘, Vertreibungen von Bauern etc. gab. Fakt ist, dass diese Vorgänge insofern rechtens waren, als die ‚Vertriebenen‘ zwar bislang Verfügungsrechte hatten, aber kein Eigentum. Sie hatten also schon vorher kein Eigentum bzw. die ‚Vertreiber‘ hatten welches! Man müsste die Frage nach dem Ursprung des Eigentums bzw. der materiellen Unterschiede also eigentlich weiter zurückverfolgen. Schon Schumpeter argumentiert in ähnlicher Weise gegen die Theorie (!) der ‚ursprünglichen Akkumulation‘.
Schumpeter verteidigt eigentlich nur die übliche Mär vom ökonomischen Verdienstadel. Zudem argumentiert er so, als seien die Enteigner schon immer (in quasi sozialdarwinistischer Manier) Überlegen gewesen und hätten damit in vorherigen gesellschaftlichen Formationen Erfolg gehabt. Dabei übersieht Schumpeter jedoch, dass die bis dato existente feudale Ordnung (wenn auch unterbrochen durch verfassungsrechtliche Versatzstücke) sich nicht dadurch auszeichnete, dass die soziale Hierarchie sich anhand von Leistungkriterien strukturierte. Viel entscheidender waren das Erbrecht und das ständische Denken, welches im Kern religiös motiviert war. So zu tun als wäre die Enteignung von Allgemeineigentum durch die Mächtigen Ausdruck eines verdienten Naturrechts, ist ja fast schon faschistoid.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Marx benötigt schlichtweg den Mythos einer ‚schmutzigen‘ Entstehung (den er dem einer ‚sauberen‘ Entstehung) gegenüberstellen kann, um sein Projekt moralisch zu legitimieren. Einem realistischen Historiker wäre dies wohl viel zu sehr ‚Entweder-Oder‘, und er würde mitnichten ausschließen, dass die Besitzlosigkeit vieler damaliger Menschen auf vergleichsweise geringeren Fleiß oder geringeres Geschick zurückzuführen war, oder darauf, dass sie alles ausgaben, was sie über den unmittelbaren Bedarf hinaus besaßen (während andere es eben ansparten). Indem Marx sich über diese Idee karikierend lustig macht („faulenzende, ihr alles und mehr verjubelnde Lumpen“), suggeriert er, so könne es nicht gewesen sein. Und diese einseitige Deutung darf m.E. nicht als geschichtlicher Fakt hingestellt werden.
Marx weist mit seinem Spott ganz gezielt darauf hin, wie zynisch und ideologisch die Erklärung über individuelle Leistungsbereitschaft oder Befähigung ist. Vor allem eine stringent historische Betrachtung kann die feudalen Vorbedingungen ja nicht einfach ignorieren. Der Transformationsprozess in die bürgerliche Gesellschaftsformation führte ja keinesfalls zu einem "Schleier des Unwissens". In liberalen Kreisen scheint auch heute noch die sehr romantische Vorstellung von einer durch das Aufkommen des Kapitalismus gänzlich restrukturierten Gesellschaft vorzuherrschen. Es ist nicht Marx, der hier nicht weit genug zurückdenkt, sondern es sind gerade die Schumpeters dieser Welt, die die Reflektion über historische Vorbedingungen zugunsten einer (zum eigenen Weltbild passenden) Grundannahme opfern.
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Komplexe Gesellschaften lassen sich nicht zentral steuern, sie sind keine Mechanismen. Entweder die Alternativen entwickeln sich evolutionär oder es bleibt bei der Marktwirtschaft.
Deswegen gibt es ja auch dezentrale Ansätze, die ganz ohne Parteien und Politbüros auskommen.


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Diktatur des Proletariats oder … Erklärung gesucht?

18.08.2022 um 11:48
Zitat von paranomalparanomal schrieb:Deswegen gibt es ja auch dezentrale Ansätze, die ganz ohne Parteien und Politbüros auskommen.
@paranomal

Halte ich in größeren Gesellschaftsgebilden auch für so gut wie unmöglich.

Aktuell produzieren Firmen ja das, was sie verkaufen können, sprich der Markt regelt, ob ich Falthandys herstelle oder Papyrusrollen.
Ich kann zwar auch Papyrusrollen produzieren, aber nicht sehr lange.

Wenn ich diesen Anreiz des Verkaufens, sprich des Gewinns wegnehme, welchen habe ich denn dann?

Dann produziere ich einfach, was mir am angenehmsten ist, wenn ich ohnehin keinen wirtschaftlichen Anreiz habe. Ich baue also zB Kastanienmännchen. Das geht aber am Bedarf vorbei.

Also wird dann wohl doch irgendwo zentral Bedarf festgestellt werden müssen und auch festgelegt werden, wer den deckt.
Und schon sind wir wieder bei Kolchose und Kombinat.


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18.08.2022 um 12:09
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Dann produziere ich einfach, was mir am angenehmsten ist, wenn ich ohnehin keinen wirtschaftlichen Anreiz habe. Ich baue also zB Kastanienmännchen. Das geht aber am Bedarf vorbei.
Erinnert mich an alte DDR-Zeiten. Solch Zeug war unproblematisch zu kaufen. 1000 andere Sachen leider nicht. Das man solchen Schrott hergestellt hat weil er am leichtesten zu produzieren war, ganz unabhäbgig vom Bedarf natürlich, ist ein erhellender Gedanke


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18.08.2022 um 12:12
@Lupo54

Soweit ich weiss, wurde in der DDR ja schon zentral festgelegt, was produziert wurde und was nicht. Von daher ist es wohl nicht nur dem Willen 'der Arbeiter und Bauern' entsprungen.

Da dürfte wohl eher der Gedanke gewesen sein, dass zu produzieren, wofür man de Ausgangsprodukte leicht und ohne Devisen bekommt, um damit den Werktätigen Ersatz für das zu geben, was sie wirklich haben wollten oder brauchten.


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18.08.2022 um 14:05
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Soweit ich weiss, wurde in der DDR ja schon zentral festgelegt, was produziert wurde und was nicht. Von daher ist es wohl nicht nur dem Willen 'der Arbeiter und Bauern' entsprungen.
@paranomal


Paranomal redet von dezentralen Ansätzen, Ihr kommt mit den zentralen Ansätzen und tut so, als wäre das die Argumentation.

Was genau daran nicht verständlich ist, das auch eine Gesellschaft die im Besitz der Mitarbeiter ist, profitabel arbeitet damit deren Gesellschafter, eben die Arbeiter, mehr Geld in der Tasche haben, verstehe ich nicht.

Bei dem dezentralen Ansatz der Vergesellschaftung geht es ja eben darum das die Mitarbeiter alle zum gleichen Teil am Profit beteiligt sind und dadurch motivierter sind und dadurch eben die Menschen den Profit bekommen die auch am Produktionsverlauf beteiligt sind.

Warum Ihr bei dem Ansatz nun mit DDR kommt? Keine Ahnung, Nebelkerzen?


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18.08.2022 um 14:10
@cejar
Zitat von cejarcejar schrieb:Bei dem dezentralen Ansatz der Vergesellschaftung geht es ja eben darum das die Mitarbeiter alle zum gleichen Teil am Profit beteiligt sind und dadurch motivierter sind und dadurch eben die Menschen den Profit bekommen die auch am Produktionsverlauf beteiligt sind.
Und die haben dann auch das Grundkapital aufgebracht, um überhaupt eine Produktion beginnen zu können? Die kaufen dann erst mal ein passendes Industriegrundstück usw?

Wenn alle beteiligt sind, müssen ja auch alle die grundsätzliche Investition zusammen tragen und zB auch die üblichen 1-2 Jahre Durstrecke, bis ein Unternehmen profitabel wird, nicht nur kein Gehalt bekommen, sondern jeden Monat etwas dazugeben.

Und wer am Gewinn beteiligt wird statt eines Festgehaltes, wäre dann ja auch an Verlusten genau so beteiligt.

Ok, kenne nur keinen 'Arbeiter oder Bauern', der das mitmachen würde.

Oder soll der Staat jeweils die Grundinvestitionen leisten? Dann bliebe die Frage 'Wovon denn?'
Na klar, die Reichen enteignen, davon kauft der Staat den Armen dann Fabriken oder übernimmt sie.

Das wäre ja auch nur eine erneute Marktwirtschaft mit einer eingeschobenen Phase der Enteignung.


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Diktatur des Proletariats oder … Erklärung gesucht?

18.08.2022 um 14:16
Zitat von sacredheartsacredheart schrieb:Und wer am Gewinn beteiligt wird statt eines Festgehaltes, wäre dann ja auch an Verlusten genau so beteiligt.

Ok, kenne nur keinen 'Arbeiter oder Bauern', der das mitmachen würde.
Verstehe diese Argumentation nicht. Die abhängig Beschäftigten tragen doch auch das Risiko, durch Lonverzicht, Arbeitslosigkeit bis zum Hausverkauf und Hartz IV.


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18.08.2022 um 14:21
...wenn ich mir die Schlecker- und Wirecard-Bankrotteure ansehe haben die mehr Möglichkeiten ihr Risiko zu minimieren.


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18.08.2022 um 14:23
@hidden

Wenn zB Lidl 3 Monate rote Zahlen schreiben würde, würden die Angestellten doch trotzdem ihr Gehalt bekommen.

Wenn aber die Firma im gleichteiligen Besitz der Angestellten wäre, schlagen Verluste ja im selben Monat ungefiltert durch, ok Gewinne auch. Aber das Thema Festgehalt wäre damit durch.

Und wenn ein betrieb im gleichteiligen Besitz der Arbeiter wäre, bliebe ja auch noch die Frage, von wo denn wohl das Startkapital kommen soll.

Wenn es die gleichteiligen mitbringen müssen, dann können sie das doch heute schon tun, hindert sie doch keiner dran.


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18.08.2022 um 15:04
@sacredheart

Gerade bei heutigen Großfirmen erübrigt sich die Frage des Kapitals doch längst. Nehmen wir Mal BMW als Beispiel da durch Kuhnert seinerzeit aufgebracht. Die Kapitalgeber haben längst ein x-faches des eingebrachten Kapitals wieder herausbekommen. Was spricht dagegen die Belegschaft mehr am Gewinn zu beteiligen.

Grundsätzlich spricht bei der dezentralen Lösung ja überhaupt nichts dagegen, Kapitalgeber auch zu "entlohnen", aber aktuell ist es so das Kapitalgeber wesentlich höher "entlohnt" werden als diejenigen die die Arbeit verrichten, dh Kapital ist höher gewichtet als die Arbeit die tatsächlich verbracht werden muss. Und genau darum gehtvl es ja, das Arbeit und Kapital in ein Gleichgewicht gebracht werden.


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18.08.2022 um 15:31
@cejar

BMW ist ja nun ein Beispiel für Vieles.

Erst mal ein gutes Beispiel für Funktionieren der Marktwirtschaft.

Da kam 1959 ein Herr Quandt, der voll ins persönliche Risiko ging, um eine völlig rückständige Firma, die tot im Wasser lag, in Teilen zu kaufen. Das hätte ein Totalverlust wie Borgward werden können.

Selbst ihr strahlender Stern, das wunderschöne 507 Coupe, bot technisch biedere Hausmannskost.

Dann ging es steil bergauf und es war am Ende eine mehr als gute Investition.

Hätte der genauso investiert, wenn er die MA zB hälftig zu beteiligen gewesen wären? Sicher nicht.

Es ist auch ein Beispiel, dass 'die breite Masse' sehr wohl profitiert, denn seit 1959 haben große Mengen Menschen ganz gutes Geld verdient. Bei BMW verdienen die MA ohnehin gutes Geld.

Und natürlich kann nicht jemand daherkommen, auch kein Klein Kevin und allen Investoren verkünden, sie müssten Anteile an die Belegschaft abgeben. Da gibt es auch keine Rechtsgrundlage für.

BMW ist kein Beispiel dafür, dass Mitarbeiter nicht von ihrer Firma profitieren.


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