Nationalsozialismus und die deutsche Kultur

Von Seiten nationalistischer und konservativer Kreise wird der allmähliche Niedergang des "Landes der Dichter und Denker" beklagt und die Ursachen sind auch schon längst ausgemacht: MTV und Multikulti. Durch eine Flut an neuen Einflussen und durch Kultur-Imperialismus sei unser Kulturgut hinweggefegt worden.

Allerdings bin ich da anderer Meinung.

Eine kleine Rückblende in die "goldenen Zwanziger". Deutschlands erste Republik steckt in der Krise, Details sind dem geneigten Leser sicherlich bekannt oder können nachgelesen werden.

Doch gerade diese schwierige Epoche ist gleichzeitig auch eine Blütezeit der modernen deutschen Kultur:
Unsere Kunst und unsere Literatur fanden internationale Anerkennung, der Deutsche Film hatte Weltgeltung. In dieser Zeit wurden in Deutschland mehr Filme gedreht, als in allen anderen europäischen Ländern zusammen und Babelsberg war ebenso ein Begriff wie Hollywood. Bücher wie Remarques "Im Westen nichts neues" wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und verfilmt.

Doch obwohl unser Kulturleben in der Welt Beachtung fand, war man in Deutschland gar nicht begeistert, denn diese neue Kunst war der Rechten zu links, zu undeutsch, zu jüdisch, zu entartet, zu international und noch sicherlich einiges mehr.
Allerdings beschränkte sich dieser Kulturkampf nicht nur auf die Feuilletons nationalistischer Zeitungen, auch wurden Filmvorführungen, Vernissagen und Theateraufführung von politischen Kampfgruppen massiv gestört.

Als die Nazis dann letztenendes die Macht übernahmen, wurde unsere künstlerische Avantgarde ins Exil getrieben oder in den KZs umgebracht. Die Bücher pazifistischer,linker und jüdischer Schriftsteller wurden verbrannt und die expressionistische Malerei in Deutschland faktisch zerstört.

Dieser unsägliche Aderlass ist meiner Meinung nach der eigentliche Grund für den Niedergang unserer Kultur, denn Heinz Rühmmann, Volksmusik und deutsches Kitschtheater a la "Stanglwirt" konnten in der Nachkriegszeit nicht wirklich diese Lücken fühlen oder gar in der heutigen Zeit Strahlkraft gegenüber anderen Kulturen ausüben.

Was meint ihr dazu?

@Obrien

Zunächst sollte man klären, was für den Einzelnen "Kultur" bedeutet ! Wenn ich die Worte meiner Oma richtig interpretiere, dann wollten sie damals gar nichts anderes, ausser Friede, Freude und Eierkuchen, nach all dem Leid, Zerstörung und der Entbehrung...jede Familie hatte Tote zu beklagen, da ist es durchaus nachvollziehbar, das deutsches "Brauchtum" nicht mehr in der Mode war, denn viele gaben sich selbst die Schuld für 12 Jahre Diktatur und Krieg in Europa, denn sie hatten es zugelassen und viele haben mitgewirkt...dann hat man einen "sympatischen" Sieger, die USA, spätestens nach der Luftbrücke für Berlin, waren diese wohl in den Herzen der Deutschen angekommen ! Vor allem die junge Generation hatte nicht unter den GIs zuleiden, so brannte sich ein Bild in die Köpfe der Jugend, was Coca Cola, Kaugummi, Rock 'n' Roll etc. erst richtig salonfähig machte. Amerika war "schick"...

Die Menschen waren mit einfachen Dingen zufrieden, diese ganze überzogene "Kultur" der 50er und 60er Jahre spiegelte meiner Meinung nach nur die Sehnsüchte der deutschen Bevölkerung wieder. Die Jugend rannte der USA hinterher, die Alten gaben sich mit Schnulzen und Schlagermusik zufrieden, ihrem ersten Auto, vielleicht sogar einem Ferseher, Urlaub, geregelte Arbeitszeiten. Man funktionierte nur, Verdrängung und Vergessen war die Tagesordnung für die Mehrheit...

Deutsche Kultur war im Ausland verständlicher Weise weniger gefragt, als je zuvor, die ganze Welt zeigte mit dem Finger auf uns, also blieb man unter sich oder nahm die Kultur der Sieger an. Meiner Meinung nach wurde "Deutsch" erst wieder nach dem Fall der Mauer beliebt, zuvor waren wir doch nur der Puffer zwischen den Grossmächten, ein Schlachtfeld im Falle eines Krieges. Zuvor hatten es die Zeiten einfach nicht zugelassen, "Deutsch zu sein", wenn dann jetzt Rechte und Konservative rumjammern, kann ich das nicht nachvollziehen, denn so frei wie wir es jetzt sind, waren wir noch
nie ! Auch der Deutsche Film hat wieder Fuss gefasst, fast jedes Jahr ist zumindest ein Oscar für uns drin, oder bei dem Filmfestspielen in Cannes muss sich keine deutsche Produktion verstecken ! Oder deutsche Lebensmittel, wie z.B. Brot oder Wurst, finden in den USA und Canada grossen Anklang, "Deutsch" kann sich wieder sehen lassen, die Vergangenheit ist kein Hindernis mehr, um deutsche Kultur ins Ausland zu tragen ! Ich sehe eine positive Entwicklung :)

...würde jetzt gerne ausführlicher Schreiben, da mich diese Thematik interessiert, aber leider muss ich jetzt arbeiten...

Anhang: pr54083,1242710131,KH_RE_Broschure_Sammlung.pdf


Das habe ich noch vergessen :

@Obrien


Diejenigen, deren Ideale oder Vorbilder die "Asphaltkultur" ausgerottet haben, sind jetzt wieder diejenigen, die von "Überfremdung", "Kulturlosigkeit" und dergleichen schwafeln.

Glücklicherweise stellt "Kultur" für jeden etwas anderes dar. Für den einen ist es Schlingensief, für den anderen Big Brother, für den einen Stockhausen und für den anderen Bohlen. Hoffen wir mal, dass es so bleibt, und sich nicht irgendwelche Kulturwächter aufmachen, uns wider weiszumachen bzw. vorzuschreiben, was denn nun arteigene und was entartete Kunst oder Kultur sei.

@Doors

Doors schrieb:Diejenigen, deren Ideale oder Vorbilder die "Asphaltkultur" ausgerottet haben, sind jetzt wieder diejenigen, die von "Überfremdung", "Kulturlosigkeit" und dergleichen schwafeln.

kapier ich nicht, bitte mal in Langfassung.

@UffTaTa


Bereits in den "Goldenen Zwanzigern" zeichneten sich, nicht nur nationalsozialistische, sondern auch deutsch-nationale, völkische, konservative, klerikale "Kulturkritiker" durch ihre Angriffe auch vermeintlich "kulturlose Kultur", die so genannte "Asphaltkultur", wie sie in Grossstädten wie Berlin herrschte, aus.
Diese Kräfte jubelten später bei den Bücherverbrennungen, freuten sich über eine "arteigene" Kultur, begrüssten die Exilierung zahlreicher Künstler oder deren Schaffensverbote.


Eben jene nationalsozialistischen, deutsch-nationalen, völkischen, konservativen, klerikalen "Kulturkritiker" erleben wir heute wieder, wenn sie den Untergang Deutschlands, zumindest seiner Kultur durch "Überfremdung" oder "Entartung" beklagen.

Es sei an die Worte des Kardinal Meisner erinnert, die dieser nicht 1933 sprach, sondern 2007: "Dort, wo die Kultur von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet."
Oder, wie die NPD es schlichter ausdrückt: "Förderung deutscher Kultur und Beendigung der gezielten Umerziehung und Überfremdung durch Politik und Medien."
Auch die Linke beklagt gern schon mal die "Amerikanisierung der Kultur" oder deren "Kommerzialisierung".
Nicht wenige Muslime jammern über zu grosse Freizügigkeit der Kultur, sei es bei Allmy über kurze Röckchen oder in Berlin bei Idomeneo. Von dänischen Cartoons ganz zu schweigen.

Brüder, in eins reicht nun die Hände...

@Chris0815

Deutsche Kultur war im Ausland verständlicher Weise weniger gefragt, als je zuvor, die ganze Welt zeigte mit dem Finger auf uns, also blieb man unter sich oder nahm die Kultur der Sieger an.

VOR dem Krieg war deutsche Kultur in aller Munde und damit meine ich nicht kitschiges Volkstheater oder Volksmusik, sondern die deutschen Künstler der moderne waren am Puls der Zeit, waren zum Teil Vordenker, waren Avatgarde.
Nur waren viele dieser deutschen Künstler Juden, Pazifisten, Marxisten oder auf sonstige Art und Weise "undeutsch" und wurden getötet oder ins Exil vertrieben. Ihre Werke wurden verbrannt.

Denn Kultur lebt nicht nur von der Vergangenheit oder dem Brauchtum und auch nicht von deutscher Wurst, sondern sie lebt von denen, die eine Kultur verändern und weiterentwickeln.
Diese Schicht wurde vernichtet.
In diese Lücke sprang dann die Kultur der Siegermächte, denn vom pompösen Nazikitsch hatten die Menschen die Schauze voll, was noch blieb war die seichte Abendunterhaltung a la Heinz Rühmann.

Heute kristallisiert sich wieder etwas wie eine Avantgarde heraus, aber die macht die CDU natürlich nicht zu ihrer Leitkultur, denn sie ist ja schon wieder zu international;)

@Obrien

In den Fünfzigern stand der Jugend verständlicherweise der Sinn eher nach Rock'n'Roll als nach Marschmusik.

Natürlich haben die Nazis eine große kulturelle Lücke hinterlassen,nach der Zensur, den Pogromen etc und nach dem Krieg im zerstörten Vaterland war mit kultur nicht mehr viel los. Außerdem kann ich mir vorstellen das erstmal alles deutsche von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt bzw. zwiespältig betrachtet wurde.

Man orientierte sich halt an den Siegermächten und deren Kultur...die immerhin Freiheit versprachen. Aber in den letzten Jahrzehnten ist deutsche Kultur auch qualitativ wieder besser geworden...auch wenn Internationale Bedeutung nur selten gegeben ist.

@Doors

Genau diesen Schrunz meine ich, wenn ich sage:wertlose Ackerkultur von geradezu besinnungslos machender Bedeutungslosigkeit! Das trifft den Geschmack konservativer Geister, während das:

https://www.msu.edu/~mittman/dix-grstadt.jpg

in ihren Augen "entartet" war.

Bilder wie das von doors gezeigte, sollen uns inspirieren?Das soll unsere Leitkultur sein? Deutsche Volkstümelei? Nein, die Nazis haben der deutschen Kultur ihre Seele geraubt und so den Nährboden für ihr Verschwinden in der heutigen Zeit bereitet.

@AntiMaxim

Außerdem kann ich mir vorstellen das erstmal alles deutsche von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt bzw. zwiespältig betrachtet wurde.

Das was übrig war schon, wie der röhrende Hirsch ;)

Aber in den letzten Jahrzehnten ist deutsche Kultur auch qualitativ wieder besser geworden...auch wenn Internationale Bedeutung nur selten gegeben ist.

Ja und leider hierzulande viel zu wenig wahrgenommen wird.

Obrien schrieb:Bilder wie das von doors gezeigte, sollen uns inspirieren?Das soll unsere Leitkultur sein? Deutsche Volkstümelei? Nein, die Nazis haben der deutschen Kultur ihre Seele geraubt und so den Nährboden für ihr Verschwinden in der heutigen Zeit bereitet.

Tja was übrig geblieben ist lässt sich darauf reduzieren:















Zumindest wenn man einen Ausländer fragt kommt garantiert eins davon was er mit Germany verbindet.

@Chris0815
@Obrien

Ich denke mal, daß es hier hauptsächlich um die Hochkultur geht, denn selbige ist es, die von den Nazis unterdrückt und reglementiert wurde. Das profane war ja, wie man an den billigen Revuefilmen der Nazis sehen kann, durchaus erwünscht.

Aber jene Hochkultur, die ihren Impetus aus historischen und aktuellen Themen zog, wurde von den Nazis gnadenlos unterdrückt. Als diese 12 Jahre vorbei waren, zeigte sich auch sofort wieder, zu welchen Leistungen die deutsche Intelligenzia fähig war (Gruppe47, Arno Schmidt, Karl Krolow).