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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

133 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Polizei, Gericht, Strafverfahren ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 20:39
Das Aussageverweigerungsrecht ist das Recht eines Beschuldigten, in Strafverfahren keine Angaben zu dem zur Last gelegten Sachverhalt machen zu müssen.


'Mein' erster Fall bei Allmy war der Doppelmord Horchheim. In dem Prozess schwieg die Angeklagte. Immer wieder wurde betont, dass dies ihr gutes Recht sei, und auch dass sie lügen dürfe, meist noch mit dem unsäglichen Zusatz "bis sich die Balken biegen".
Und damit habe ich zugegebenermaßen ein Problem.
Wo im richtigen Leben kann man denn das Blaue vom Himmel runterlügen, ohne dass dies negative Konsequenzen hat, wenn die Wahrheit ans Licht kommt?

Ja klar, es heißt dann immer: Der Anwalt hat das Schweigen empfohlen. Was in etwa so viel zu bedeuten scheint, als habe es der Papst höchstpersönlich angeordnet. Jedenfalls wird erwartet, dass man gefälligst in Ehrfurcht erstarren und um Gottes willen bitteschön nicht nachfragen soll. Uuuuh, pssssst ... der Anwalt hat es empfohlen!! Wie praktisch. Vergleichbar mit: Ich darf nicht mehr arbeiten, der Doktor hat mir jede Anstrengung verboten.
Aber es muss doch die Nachfrage erlaubt sein: WARUM hat er es denn empfohlen?
Man stelle sich das mal bildlich vor. Man ist WIRKLICH UNSCHULDIG, ist also die Person, die eventuelle Unstimmigkeiten am besten aufklären könnte, und dann soll man nichts sagen dürfen?? Ja, glaubt einem der eigene Anwalt etwa nicht? Habe ich ihn nicht überzeugen können? Möchte ich mich vor Gericht von einem Menschen vertreten lassen, der an meiner Unschuld zweifelt? Und macht sich bei aller Juristerei nicht auch ein Richter solche Gedanken, er kann sein normales Menschsein doch auch nicht vollkommen ausblenden?

Der Angeklagte "könnte sich womöglich in Widersprüche verwickeln". Ja wo sollen die denn herkommen? Wenn er die Wahrheit sagt, dann kann es vielleicht mal ein paar Lücken oder Korrekturen geben, aber doch keine riesigen Abweichungen. Im Gegenteil, ein völlig klarer Ablauf, bei dem immer wieder die gleichen Worte verwendet werden, spricht eher dafür, dass es auswendig gelernt ist.

Der Anwalt Dr. Adam Ahmed sagte mal in einem Interview, Schweigen sei die beste Verteidigung. Und wenn ich mir die Liste seiner schweren Jungs so anschaue, dann kann ich gut verstehen, dass er nicht möchte, dass die ihren Mund aufmachen. Frisch frisiert und in ihrem besten Anzug sitzen sie wie brave Lämmchen da und schweigen - was für eine bizarre Vorstellung.

Ach ja, selbstverständlich bedauert man es nach der Verurteilung, dass man geschwiegen hat, so auch im Fall Darsow, eigentlich hätte man ja viel lieber ausgesagt. :P:

Ebenso im Mordfall Böhringer:
Bence habe sich damals ohnmächtig gefühlt, gedacht, ihm glaube sowieso niemand, sagt Swartzberg. "Es war ein Fehler, dass wir uns damals so verschlossen gegeben haben", sagt auch Mate Toth.
Sind wir doch mal ehrlich: Wenn jemand monatelang in Untersuchungshaft kommt und wenn auch dem Haftprüfungsantrag nicht stattgegeben wird, ja dann muss doch schon eine Menge gegen den Angeklagten vorliegen und dann spricht mathematisch gesehen einiges dafür, dass er es eben auch gewesen ist. Und wenn dann ein Anwalt zum Schweigen rät, dann liegt der Grund dafür ja wohl auf der Hand.

Wenn ich etwas zu sagen hätte, dann müssten Angeklagte spätestens vor Gericht die an sie gestellten Fragen beantworten. Bei der Verhaftung ist es ja noch einzusehen, dass "was man jetzt sagt, vor Gericht gegen einen verwendet werden darf". Aber nachdem man sich mit dem eigenen Verteidiger monatelang auf die Verhandlung vorbereiten konnte, muss es doch möglich sein, den Mund aufzumachen. Schließlich soll der Richter sich ja ein Bild von dem Menschen machen können, der da vor ihm sitzt, es geht doch um dessen Leben.
Hach, den Herren Anwälten ginge dann aber der A... auf Grundeis, denn es käme ein Haufen Arbeit auf sie zu, ihre Schützlinge gezielt zu briefen und trotzdem Angst vor unvorhersehbaren Situationen haben zu müssen. Vorbei wäre es mit ihrem selbstgefälligen Auftreten, mit den vorher so schön zurechtgelegten Floskeln und den juristisch ausgefeilten Formulierungen.

Ich würde also das Aussagen vor Gericht voraussetzen, ohne es positiv oder negativ zu werten, da man ja nicht weiß, ob es die Wahrheit ist. Schweigen hätte dementsprechend negative Folgen, bei nachgewiesenen Lügen käme noch mal ne Schippe drauf. Und hilft jemand durch seine Aussagen, erspart den Hinterbliebenen dadurch Kummer, weil er den Verbleib der Leiche bekannt gibt oder erspart dem Steuerzahler teure Ermittlungen, gäbs entsprechend ein Bonbon, wie die Sanktionierung jeweils aussehen sollte, müsste halt noch ausgearbeitet werden.

Btw, weiß jemand, ob in den immer wieder gern herangezogenen Fehlurteilen (Harry Wörz, Monika de Montgazon, Horst Arnold) seitens der Angeklagten auch geschwiegen wurde?

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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:04
Was du forderst, ist nicht viel weniger als die Abschaffung des Rechtsstaats. Man muss einen Täter für die Tat bestrafen, gewiss, aber man kann ihn nicht für die Tat bestrafen und zusätzlich dafür, dass er sie nicht zugibt (was er eben tut. wenn er lügt oder von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht).
Denn das nicht Zugeben ist ein Verhalten, das vermutlich ein Großteil der Menschen in so einer Situation ebenfalls an den Tag legen würden, da sich kaum jemand freiwillig harten Bestrafungen aussetzt. Fast jeder will in der Not seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Wenn diese Reaktion aber für einen Großteil der Menschen normal ist, kann sie kein Verbrechen sein und ist damit nicht strafwürdig.
Vielleicht gibt es ja Heilige. Aber nur wenige. Wenn mich die Polizei anhält und fragt, ob ich auf meiner Urlaubsreise irgendwo einmal zu schnell gefahren bin, dann sage ich jedenfalls auch "Nein!", selbst wenn ich wüsste, dass ich die Geschwindigkeit irgendwo übertreten habe. Eine normale, menschliche Reaktion. Das kann man nicht unter Strafe stellen.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:19
@muscaria Ich seh schon, das Thema lässt dich nicht los. Hast es ja schon in einem anderen Thread zur Sprache gebracht und @Rick_Blaine hat es gut erklärt. Aber es gibt schon einen Thread der sich mit juristischen Dingen befasst ;)

Jura, Kriminologie und Kriminalistik


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:22
Ach ja, und noch was: Erstens ist das Thema in "Kriminalfälle" wohl falsch aufgehoben, passt vielleicht besser in "Politik".

Und zweitens geht mir dieses Primat von Sicherheit und Verbrechensaufklärung gegen den Strich. Natürlich ist das Aufklären von Verbrechen wünschenswert, aber bitte nicht um jeden Preis. Lieber einmal ein unaufgeklärtes Verbrechen als ein Unschuldiger verurteilt. Denn in einem Staat, der Menschen verurteilt, deren Verbrechen nicht erwiesen sind, möchte ich zumindest nicht leben.

Wir sind 70 Jahre (zumindest im Westen!) sehr gut mit diesen Prinzipien gefahren und es besteht jetzt nicht der allergeringste Anlass, die Rechtsstaatlichkeit, alle rechtsphilosophischen Prinzipien über Bord zu werfen.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:26
Zitat von MenedemosMenedemos schrieb:Man muss einen Täter für die Tat bestrafen, gewiss, aber man kann ihn nicht für die Tat bestrafen und zusätzlich dafür, dass er sie nicht zugibt
Aber wird nicht genau das bereits durch die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses getan?


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:27
Und dann machst Du es zukünftig wie vor etlichen hundert Jahren, die vermeintlichen Täter werden gefoltert um zu gestehen und dann als Hexen verbrannt.

Glaubst Du wirklich, die Welt wird dadurch sicherer? Die raffiniertesten und abgefeimtesten werden dennoch weiter lügen und gar keine Hemmungen mehr haben.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:28
Zitat von CariettaCarietta schrieb:Hast es ja schon in einem anderen Thread zur Sprache gebracht und @Rick_Blaine hat es gut erklärt.
Sorry, aber ich wurde darum gebeten, es in einem eigenen Thread zu thematisieren.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:29
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Aber wird nicht genau das bereits durch die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses getan?
Das ist allerdings eine bedenkenswerte Überlegung. Habe ich mich auch schon öfters gefragt. Ganz sauber/konsequent erscheint mir das auch nicht.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:35
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Sorry, aber ich wurde darum gebeten, es in einem eigenen Thread zu thematisieren.
Oh, dann entschuldige bitte. Ist mir nur so spontan in den Sinn gekommen, dass es so einen ähnlichen Thread hier schon gibt. Ich finde diesen ganzen juristischen Kram auch oftmals schwer nachvollziehbar und verstehe deine Intention.


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Taggi ehemaliges Mitglied

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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 21:36
Hat das nicht überwiegend damit zu tun, dass damit eine gewisse Einsicht und Übernahme der Verantwortung für die Tat seitens des Täters angenommen werden kann bzw angenommen wird und deswegen nicht ganz so hart bestraft wird wie wenn der Täter mauert, ihm die Schuld aber nachgewiesen werden kann?


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

27.03.2016 um 22:00
@muscaria
Ich bin da ganz deiner Meinung... spätestens im Prozess sollte der Beschuldigte alle Fragen beantworten. Selbst ein geladener Zeuge hat nicht das Recht die Aussage zu verweigern, es sei denn er ist Verwandter, warum muss also jeder aussagen außer die Person, die es betrifft. Manche Rechte, die es gibt, sind in meinen Augen nicht sinnvoll, sie schützen maximal den Täter, wie man leider auch schon öfter erlebt hat. Wie du schon sagst, ein Beschuldigter, der unschuldig ist kann doch nur die Wahrheit sagen, der wird sich auch in nichts verstricken.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 02:19
Das absolute Recht der Verweigerung der Aussage eines Beschuldigten, das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, oder wie es auch konkret genannt wird, ist ein Recht, dass sich seit Jahrhunderten in allen modernen Rechtssystemen findet. Bereits im römischen Recht existiert es in bestimmten Formen, also bereits seit mindestens 1500 Jahren. Im Mittelalter verschwand es zeitweise, wie nahezu alle modernen Errungenschaften des römischen Rechts, was ja auch massgeblich dazu beigetragen hat, dass man vom "finsteren Mittelalter" gesprochen hat.

Nach den schrecklichen Erfahrungen im Mittelalter hat die Kirche das Recht wieder ausdrücklich im kanonischen Recht kodifiziert (c. 1744 u. 2194) und säkulare Rechtssysteme, wie z.B. die amerikanische Verfassung von 1789 (5. Zusatzartikel) haben es ebenfalls kodifiziert. Heute spricht man bei diesem Recht von einem "Kern des Rechtstaats" und es findet sich in allen modernen Rechtssystemen wie dem deutschen Grundgesetz, der europäischen Menschenrechtskonvention usw.

Das gleiche Prinzip wird manchmal umgekehrt formuliert: "Der Staat (die Obrigkeit, die Anklage...) muss die Schuld beweisen, der Angeklagte braucht nicht seine Unschuld zu beweisen."

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint das Aussageverweigerungsrecht dann auch verständlicher: im modernen Rechtsstaat hat allein die Anklage die Pflicht, jeden Anklagepunkt zu beweisen, ein Angeklagter, der ja bis zum Urteil als unschuldig anzusehen ist, braucht in keiner Weise am Verfahren gegen sich selbst mitzuhelfen.

Gäbe es dieses Recht nicht, wäre dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet.

Daher stimme ich hier @Menedemos im Prinzip zu.

Die hier im thread unterschwellige Unterstellung, es seinen die "Anwälte," die jeden Angeklagten zum "Schweigen" auffordern, um sich damit die Arbeit leichter zu machen ist natürlich Unsinn. Erst einmal kann jeder Angeklagte aussagen, gegen seinen Willen kann das niemand verhindern, auch sein Anwalt nicht. Manchmal ist es auch durchaus sinnvoll auszusagen, aber das muss die Verteidigung im Einzelfall prüfen.

Allerdings kann man nicht den Kuchen behalten und gleichzeitig essen: wenn sich ein Angeklagter zur Aussage bereit erklärt, muss er auch zu Fragen Stellung nehmen, die vielleicht unangenehm sind. Und das ist der Punkt: Selbst wenn ein Unschuldiger die Wahrheit sagen würde, können die Umstände manchmal so sein, dass die Aussage ihn in den Augen des Gerichts negativ setzen könnte. Und genau das soll durch das Aussageverweigerungsrecht verhindert werden.

Entscheidend ist aber, dass man durch das Recht die Aussage zu verweigern, nicht gezwungen werden soll, seine Unschuld zu beweisen.

Beispiel: Oskar wurde am 24. März gegen 22 Uhr durch einen Schlag mit einem Masskrug auf den Hinterkopf am Rande des Englischen Gartens umgebracht.

Zenzi, seine ehemalige Freundin, wird von Polizei und Staatsanwaltschaft des Mordes verdächtigt und angeklagt. In Wirklichkeit aber war Theodor der Mörder, der sich zwei Tage vor der Tat mit Oskar gestritten hatte, was aber niemand bemerkt hatte und deshalb ist Theodor auch ganz und gar nicht auf dem Radar der Polizei.

Gegen Zenzi spricht, dass Oskar vor einer Woche mit ihr Schluss gemacht hatte und sie als eifersüchtig bekannt ist.

So: im existierenden System braucht Zenzi nichts sagen. Der Staatsanwalt muss nun darlegen, warum die anderweitig bewiesenen Tatsachen, wie ihre Eifersucht konkret diesen Mord beweisen soll. Das ist sehr schwierig, denn der StA kann keine Zeugen erbringen, dass Zenzi an jenem Abend im englischen Garten war, usw.

Nehmen wir aber einmal an, Zenzi müsste aussagen. Und nehmen wir einmal an, Zenzi wäre wirklich an jenem Abend im englischen Garten gewesen, etwas, was die Polizei bisher nicht weiss. Sie hat zwar Oskar dort gar nicht gesehen, aber sie war zur Tatzeit nur wenige hundert Meter entfernt.

Der StA fragt also nun: Zenzi, wo waren Sie am Tatabend um 22 Uhr? Zenzi muss wahrheitsgemäss antworten: im Englischen Garten. Wo genau? In der Nähe des chinesischen Turms. ...

Ha, sagen die Richter in dem Moment in Gedanken: na also. Sie war in der Nähe des Tatorts. Wie wahrscheinlich ist es, dass 1. ein unbekannter Täter den Oskar überfällt? 2. eine eifersüchtige Ex-Freundin ihrer Wut mit einem Masskrug Ausdruck verliehen hat?

>>>Diese erzwungene Aussage macht Zenzi nun schwer verdächtig. Nun liegt es plötzlich an ihr, zu beweisen, dass ein anderer, Theodor, Oskar umgebracht hat. Nur, wie soll sie das tun? Sie hat nicht die Mittel, die der Staat hat, sie hat keine Polizei die nun ausschwärmen kann und Zeugen suchen kann usw.

Hier sieht man jetzt, warum es ein Aussageverweigerungsrecht gibt.

Sicher, wenn Zenzi wirklich die Täterin gewesen wäre, und nicht aussagen muss, dann kann es theoretisch sein, dass die StA die Schuld nicht beweisen kann und Zenzi freigesprochen werden müsste.

Aber die Frage ist: wollen wir lieber riskieren, dass eine Unschuldige verurteilt wird, oder dass ein Schuldiger davonkommt? Bisher war die Antwort des Rechtstaates klar.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 03:53
@muscaria

Wie stellst du dir denn die praktische Umsetzung dieser Aussagepflicht vor? Wie willst du jemanden, der partout nicht aussagen will, aus welchen Gründen auch immer, zur Aussage zwingen? Folter wäre eine Methode, aber in dem Fall könnte man sich auch gleich den ganzen Prozess sparen. Mit solchen Methoden katapultiert man sich automatisch wieder ins Mittelalter zurück.

Ansonsten hat @Rick_Blaine den Sinn dieses Angeklagtenrechts meiner Meinung nach sehr treffend beschrieben.


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tic ehemaliges Mitglied

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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 10:39
wenns keine/kaum Beweise gibt ist es von Vorteil wenn der vermeintliche Täter schweigt.

sagt er was könnte er sich unter umständen selbst verraten, widersprüchliches sagen und allein daraus seine Glaubwürdigkeit untergraben.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 12:59
Ich verstehe nicht, warum hier einige das Mittelalter bemühen. Das Recht zu Schweigen hätte ein Beschuldigter doch auch weiterhin! Es stünde für ihn jedoch nun zur Disposition, ob er die Vorteile einer Aussage für sich in Anspruch oder eben die Nachteile der Verweigerung in Kauf nimmt.
So jedoch darf geschwiegen und, noch schlimmer, es darf gelogen werden, ohne dass dies irgendwelche Folgen hat. Was dann im Endeffekt zum mittlerweile schon standardmäßigen großen Schweigen auf der Anklagebank führt.

@Rick_Blaine
Zenzi darf also behaupten, dass sie sich den Film in der Spätvorstellung angeschaut hat. Daraufhin werden mit großem Aufwand die Kinobesucher dieses Abends gesucht und befragt, niemand von ihnen hat Zenzi gesehen. Und die zuckt bloß mit den Schultern: Pech gehabt, einen Versuch war's wert, Konsequenzen ihrer falschen Angaben braucht sie ja nicht zu befürchten.

Ich gebe dir recht, Ausnahmefälle, bei denen das Schweigen angeraten wäre, gibt es mit Sicherheit. Ob das auf Zenzis Beispiel zutrifft? Nur ihr Aufenthalt im Englischen Garten ohne weitere Indizien dürfte doch nicht für eine Verurteilung ausreichen.
Aber vielleicht überzeugen mich solche Überlegungen ja mehr, wenn sie nicht an fiktiven, sondern an realen Fällen erfolgen.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 12:59
@Rick_Blaine
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Allerdings kann man nicht den Kuchen behalten und gleichzeitig essen: wenn sich ein Angeklagter zur Aussage bereit erklärt, muss er auch zu Fragen Stellung nehmen, die vielleicht unangenehm sind.
Das habe ich hier, meine ich, in einigen Fällen schon anders gelesen. In dem Fall Dagmar E. wurden m.W. manche Fragen von den aussagenden Angeklagten nicht beantwortet. Auch in dem Fall "Geschwistermord in Gütersloh" hat der Angeklagte nach meiner Erinnerung nicht auf alle Fragen geantwortet.
Ich meine das hier noch öfter in Prozessberichten gelesen zu haben, dass der Angeklagte ankündigt, auf Fragen des Richters, nicht jedoch auf die des Staatsanwalts oder der Nebenklage antworten zu wollen. Im NSU-Prozess läuft es wohl auch so.


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Taggi ehemaliges Mitglied

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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 13:58
@muscaria: aber genau was du vom Rechtssystem forderst, wird doch in der Praxis so gehandhabt. Ein geständiger, kooperativer Täter erhält in der Regel ein etwas milderes Urteil. Der nichtgeständige Täter wird also härter bestraft.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 14:19
Jemand der sich in Widersprüche verwickelt, muss nicht zwingend ein Täter sein, er kann auch einfach eine schlechte Erinnerung haben oder nervös sein. Und jemand der auf der Anklagebank sitzt und schweigt, kann dennoch unschuldig sein.
Wenn Polizisten einen schwierigen Fall zu knacken haben, kann es schon auch mal sein, dass sie sich aus Jagdinstinkt "verbeißen" und auf jemanden treffen bei dem ein paar ungünstige Parameter zusammenlaufen, die einen Verdacht ergeben.

Daher ist es eigentlich schon sehr richtig, dass es auch einen Schutz für den Beschuldigten gibt (der ja in juristischer Sicht nicht der Täter ist) und er sich nicht selbst belasten muss. Nicht zu Unrecht heißt es ja "Alles was sie nun sagen, kann gegen sie verwendet werden".
Abgesehen davon kann man jemand nicht dazu zwingen zu sprechen und schon gar nicht die Wahrheit zu sagen. Das wurde zwar oft versucht und meistens ist das dann eine Form von Folter oder Gewaltanwendung und die Ergebnisse entsprechen oft nicht der Wahrheit.

Schließlich gibt es ja sogar falsche Geständnisse und das öfters als man denkt. In den USA zwar häufiger als in Europa wegen der aggressiveren Verhörmethoden und generell der größeren Übergriffigkeit der Polizisten dort. Manche Leute reden sich sogar ein, in einer angespannten Verhörsituation, dass sie etwas gemacht haben, was sie objektiv nicht gemacht haben, andere gestehen einfach, um für den Moment Ruhe zu haben.

Für Angehörige muss es allerdings oft schlimm sein, wenn überführte Täter nicht die Größe haben, ihnen Rechenschaft zu zollen, darüber was sie mit ihren Angehörigen in ihren letzten Stunden und Minuten angestellt haben. Angeblich muss das sehr schwer zu ertragen sein. Der Täter "geniesst" dann auch nach seiner Verurteilung noch den "Triumpf" über das Opfer.
Aber wie soll man es erreichen, dass jemand redet und die Wahrheit sagt, der das nicht will?


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28.03.2016 um 15:24
@muscaria
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstanden habe, was Du willst; ganz sicher jedoch verstehe ich nicht, was das soll:
Wenn ich Dich recht verstanden habe, soll der Angeklagte vor Gericht zwar gezwungen sein, auszusagen, jedoch ist Dir völlig bewusst, und wenn ich es richtig verstehe, nimmst Du es sogar in Kauf, dass das dann Lügen sein können. Was soll das denn dann bringen? Vor Gericht geht es um Wahrheitsfindung. Das würde die ganze Sache doch nur noch viel verwirrender machen. Oder willst Du, dass sie komplett unter Eid aussagen müssen, also bei Lüge zusätzlich einen Meineid begehen? Und es ist psychologisch erwiesen, dass die Erinnerung einen trügen kann. Insbesondere in psychologischen Ausnahmesituationen. Wie willst du denn dann solche Fälle händeln???
Sorry, aber ich empfinde deine Idee als völlig unausgegoren.


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Aussageverweigerung, Recht eines Beschuldigten

28.03.2016 um 15:56
@stereotyp
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstanden habe,
Wenn ich Dich recht verstanden habe, soll der Angeklagte vor Gericht zwar gezwungen sein, auszusagen,
Nein. Wie soll denn das gehen? Und wo liest du das?

Wie bei den Zeugen auch sollte das Aussagen eines Angeklagten vor Gericht der Normalzustand sein. Was es heute nicht ist. Und wer sich dagegen entscheidet, kann dies natürlich tun, halt mit entsprechenden noch festzulegenden Konsequenzen.

Heute entscheidet ein Richter über das restliche Leben eines Menschen, den er zu der ihm vorgeworfenen Tat nie hat sprechen und Stellung beziehen hören. Stattdessen sitzt dem schweigenden Angeklagten während des Verfahrens dann ein Gutachter gegenüber (hier schon öfter von Prozessbeobachtern berichtet), der anhand von Gestik und Mimik des Angeklagten eine Einschätzung über dessen Persönlichkeit abgibt. Das finde ich ehrlich gesagt befremdlicher.


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