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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

28 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Aschaffenburg, Gutachten ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
JamesBragg Diskussionsleiter
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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 18:07
Ich hatte ursprünglich angenommen, dass der Fall wenig Gesprächsstoff liefert, mittlerweile bin ich zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Tathergang:

Am 19. Dezember 1979 wurde am Fuße des Aschaffenbuger Schlosses eine Leiche gefunden. Es war ein 15-jähriges Mädchen, das seit dem Vortag vermisst wurde.
Das Opfer wurde offenbar vergewaltigt, dann die die Burgmauer runtergeworfen. Um sicher zu gehen, dass das Opfer auch wirklich tot war, hat der Täter es dann dort aufgesucht und mit einem Kantholz auf das Opfer weiter eingeschlagen., obwohl es schon tot war, das hatte der Täter nicht erkannt.
Die Ermittlungen führten über 40 Jahre zu keinem Ergebnis. 2019 sah man sich vermeintlich am Ziel. Man hatte ein Gutachten in den Händen nach dem eine Bissspur an der Brust des Opfers, mit der des Angeklagten übereinstimmend sein sollte.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-cold-case-mord-prozess-1.4776584

In Rahmen der Ermittlungen sollte damals auch der nun Beschuldigte untersucht worden sein. Er soll aus dem Fokus der Ermittlungen gefallen sein. Ein Polizist hate 3 Wochen nach der Tat einen Aktenvermerk erstellt, bei dem er selber den aktuell noch Angeklagten an einem Ort gesehen hat, der mit der Tat nicht kompatibel war.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-prozess-legt-fehler-von-ermittler-offen-1.4778486
Der Polizist hatte bei diesem Aktenvermerk sich in der Zeit der Vermisstenmeldung geirrt. 40 Jahre nach der Tat gingen die Ermittler davon aus, dass sich der Beamte nicht nur in dem Datum der Vermisstenmeldung geirrt hat, sondern auch bei der Beobachtung des nun (erneut) in den Verdacht Geratenen. Er hatte nun kein Alibi mehr.

Die Ermittler wollten dem Verdächtigen die Tat mit einem Gebissgutachten nachweisen. Dazu wurde das aktuelle Gebiss mit dem damaligen Abdruck an der Brust des Opfers verglichen und der Gutachter stufte die Identität mit der höchsten Sicherheitsstufe ein, die überhaupt möglich war.
Schon als Laie stellt man sich da Fragen. Wie kann ein Gutachter mit der höchsten Sicherheit auf den Zustand des Gebisses von vor 40 Jahren schließen, als der aktuell noch Angeklagte gerade mal 17 Jahre war? Dabei muss man bedenken, Ärzte sind nur verpflichtet, Patientenunterlagen 10 Jahre aufzuheben, in besonderen Fällen bei chronischen Erkrankungen bis zu 30 Jahren. Sollte sich ein Gutachter irren, wie soll unter solchen Umständen Fehler des Gutachters aufgedeckt werden?

Der Beamte Zimmer, ein Mitarbeiter eines ColdCase-Teams sagte der Süddeutschen gegenüber:
Die Zeit, sagt der Beamte Zimmer, arbeite in sogenannten Cold Cases grundsätzlich gegen die Ermittler. Das Erinnerungsvermögen lässt nach, und wenn ein Fall etliche Jahrzehnte zurückliegt, dann können viele Zeugen schon deshalb nicht mehr vernommen werden, weil sie nicht mehr am Leben sind. "Die Zeit arbeitet aber auch für uns", sagt er. Und zwar der verbesserten DNA-Analyse-Methoden wegen. Das ist den Ermittlern gerade in einem Fall wie jenem in Aschaffenburg wichtig: "Kein Täter kann sich mehr sicher sein", sagt Zimmer.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-schloss-mord-1979-christiane-j-1.4552244
Was leider vergessen wird und dieser Fall ans Licht bringt, die Zeit arbeitet auch gegen einen u.U. zu Unrecht Beschuldigten, dass wird leider häufig vergessen un dieser Fall zeigt das überdeutlich.

Der Angeklagte hatte offenbar das Glück, dass doch noch Patientenunterlagen vorhanden waren, Sie belegten, dass die Rekonstruktion des Gebisses des Gutachters auf das Alter von 17 Jahren falsch war. Das Gericht sieht daher das Gutachten nun als wertlos an.
Nun will das Gericht untersuchen lassen, ob die die Unschuld des Angeklagten bewiesen werden kann. Es hat dazu den Forensiker Dr. Dr. med. Grundmann beauftragt, ob mit den vorliegenden Unterlagen der Angeklagte als Verursacher des Bisses ausgeschlossen werden kann.
https://www.merkur.de/bayern/aschaffenburg-mord-maedchen-mann-prozess-gutachten-hammer-wende-zweifel-bayern-zr-13527532.html

Mich macht dieser Fall sprachlos.

Ich erwarte von Ermittlern, der STA und auch vom Gericht gerade bei Fällen die schon so lange zurück liegen, schon deutlich früher, dass man sich über die Plausibilität eines Gutachtens mal Gedanken macht. Der Anwalt hatte ein zweites Gutachten schon vor der Verhandlung gefordert, damals wurde es – trotz dieser in Wirklichkeit offensichtlichen Fehlern – abgelehnt Man hat hier den Eindruck, dass sich das Gericht vor der Verhandlung keinerlei Mühe gegeben hat, die Stichhaltigkeit des Gutachtens nur im Ansatz zu prüfen.
Ein eigentlich sicheres Alibi wurde schnell verworfen, obgleich es von einem Polizist stammte. Natürlich kann ein Beamter nach 40 Jahren es nicht mehr wirklich bestätigen.

Man könnte jetzt natürlich sagen, alles gut gelaufen, der Irrtum des Gutachters ist aufgedeckt worden, alles Palletti. Dem ist nicht so, das Gericht hatte ursprünglich einen zweites Gutachten abgelehnt. Nur durch Zufall dürfte noch der Nachweis des Datums für die Extraktion des Zahnes vorgelegen haben. Wie gesagt, Patientenunterlagen müssen nur 10 Jahre aufgehoben werden, nur in besonderen Fällen 30.

Aktuell versucht das Gericht noch Schadensbegrenzung, indem es die Unschuld des Angeklagten offenbar beweisen will. Aber soweit hätte es nie kommen dürfen, eine ausreichende Voruntersuchung wäre hier notwendig gewesen. gerade weil der Fall so lange zurück liegt und auch es dem Angeklagten unmöglich ist, noch ein Alibi vorzuweisen. Noch schwerwiegender in diesem Fall: Ein Alibi lag durch einen Aktenvermerk vor, was plötzlich nichts mehr Wert war.

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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 19:03
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Mich macht dieser Fall sprachlos.
Vielen Dank, dass Du dem Fall einen eigenen Thread widmest. Du hast recht. So weit hätte es gar nicht kommen dürfen. Und: Blinder Glauben an forensische Gutachten begegnet uns ja hier im Forum immer wieder. Dabei können Gutachter Fehler machen. Und Ermittler und Juristen sollten diese potentielle Fehlerhaftigkeit immer im Blick haben.

Zudem hängt das Wohl und Wehe eines Gutachtens auch vom gelieferten Material bzw. von den Informationen ab, die der Gutachter bekommt. Nicht nur die Ermittler sondern auch der Gutachter haben auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit zu achten.

Die Hauptverantwortung trifft hier vorrangig die Gutachterin. Sie ist der Profi. Die Bisswunde war das entscheidende Indiz. Das zahnärztlich-rechtsmedizinisches Gutachten behauptete, es sei "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" der Angeklagte gewesen, der das Opfer gebissen habe. Das Gericht hatte die Sachverständige zwei Mal vorgeladen. Sie konnte eklatante Widersprüche nicht ausräumen und zeigte sich "verwirrt". Daraufhin entließ das Gericht den Angeklagten aus der U-Haft mangels dringenden Tatverdacht.

https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-mord-prozess-angeklagter-frei-1.4788741
Vor drei Wochen hatte besagte Gutachterin - eine als Koryphäe geltende Zahnärztin vom Rechtsmedizinischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität - ein Gutachten abgeliefert, das vermeintlich nichts zu wünschen übrig ließ an Deutlichkeit. Sie kam zum Ergebnis, dass die 1979 festgestellte Biss-Spur am Opfer "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" durch die Zähne des Angeklagten gesetzt worden sei. Dass es bei sieben Milliarden Menschen theoretisch ein ähnliches Gebiss gebe, könne zwar nicht vollends ausgeschlossen werden. Angesichts der Vielzahl übereinstimmender Anomalien gehe indes die Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Person das gleiche Zahnmuster wie der 57-Jährige habe, "gegen null". Das war deutlich.
Die Gutachterin lag wohl deshalb falsch, weil sie nicht berücksichtigt hatte, dass die Übereinstimmung zwischen dem Biss und dem Gebiss des Angeklagten nur aufgrund eines gezogenen Zahnes entstanden war, der nicht berücksichtigt worden war. Nun denkt man, ein zahnärztlicher Forensiker müsste doch jede Veränderung des Zahnbildes in 40 Jahren dokumentieren und berücksichtigen. Soweit das nicht möglich ist, müsste begründet werden, welche Auswirkungen dies auf etwaige Übereinstimmungen hat und warum es sich nicht um Scheinübereinstimmungen handelt.

Natürlich hätten die Ermittler und die Staatsanwaltschaft sich auch diese Fragen stellen können. Und vielleicht auch das Gericht, dass das Verfahren eröffnet hat. Ob sie sich hätten stellen müssen, vermag ich ohne Kenntnis des Gutachtens jetzt nicht zu beurteilen.

Man darf auch nicht denken, dies sei der Normalfall. Der Normalfall wäre eigentlich, dass nicht aufklärbare Fälle, unzureichende Beweislage oder unsichere Gutachten erkannt werden und wieder in der Versenkung verschwinden. Es kommt gar nicht zu einem Verfahren und die Öffentlichkeit erfährt nichts von den Fällen, in denen die Sachverhaltsaufklärung "sauber" läuft.

Jedenfalls kann man froh sein, dass sich das LG im wahrsten Sinne des Wortes in die Sache verbissen hat:
Und so ging das Gericht zahnärztlichen Krankenunterlagen durch, nicht nur Lichtbilder, auch historische Zahnarztrechnungen. Man habe, erklärten die Richter, mehr als eine Woche quasi die Arbeit gemacht, die im ureigensten Sinne die von Sachverständigen sei. Man stieß dabei auf seltsame Widersprüche. (...)
Irritiert zeigten sich die Richter auch darüber, dass die Gutachterin bei ihrer ersten Anhörung angegeben hatte, ein bestimmter Zahn des Angeklagten sei genetisch gar nicht angelegt und dies sei eine besondere Anomalie. Nun ergebe sich aber aus Röntgenbildern, dass besagter Zahn sehr wohl angelegt sei. Dies habe die Gutachterin einräumen müssen; erklärte aber, diese Bilder nicht bekommen zu haben. Was Ermittler deutlich bestreiten. Letztlich räumte die Gutachterin in der erneuten Anhörung "Fehler" ein - wollte aber bezüglich ihres Wahrscheinlichkeitsurteils nur "eine Stufe heruntergehen". Eine Stufe? Die Richter halten ihr Gutachten für "wertlos".
Nunmehr soll abschließend die Unschuld des Angeklagten beweisen möchte. Ich meine, das Gericht hat sehr sorgfältig gearbeitet. Der Eröffnungsbeschluss ergeht ja bereits, wenn eine Verurteilung - auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel - wahrscheinlicher ist als ein Freispruch (hinreichender Tatverdacht). Das Gericht kann dabei weder die Prüfung der Ermittlungsbehörden nachvollziehen noch die Hauptverhandlung vorwegnehmen. Deshalb ist der Eröffnungsbeschluss nur ein sehr grober Rechen.

Anträge von Verteidigern auf Einholung weiterer Gutachten sind Standardware. Gerichte kommen dem häufig nicht nach. Schon weil sich widersprechende Gutachten immer ein sehr großes Problem sind und auch nicht automatisch zu in dubio pro reo führen müssen (frei richterliche Beweiswürdigung).

Im Ergebnis ist für mich das Bild etwas anders: Gute Arbeit des Gerichts, keine Glanzleistung von Polizei und Staatsanwaltschaft und eine Gutachterin, die es sich entweder zu leicht gemacht hat oder eine wichtige Information nicht beachtet hat.

Übrigens: der Strafverteidiger heißt Bernhard Zahn.


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 19:39
Ich finde es erstaunlich dass Gebissgutachten vor deutschen Gerichten überhaupt noch zugelassen werden, da es sich dabei um eine Pseudowissenschaft handelt.

https://theintercept.com/2016/09/07/white-house-report-concludes-that-bite-mark-analysis-is-junk-science/

https://www.criminallegalnews.org/news/2019/jan/18/report-bitemark-analysis-debunked-pseudoscience/


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 19:56
Zitat von monstramonstra schrieb:Nunmehr soll abschließend die Unschuld des Angeklagten beweisen möchte. Ich meine, das Gericht hat sehr sorgfältig gearbeitet. Der Eröffnungsbeschluss ergeht ja bereits, wenn eine Verurteilung - auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel - wahrscheinlicher ist als ein Freispruch (hinreichender Tatverdacht).
Du hast vergessen, dass bis zum Gutachten angeblich ein DRINGENDER Tatverdacht vorgelegen hat, obgleich es Sachen gab, die für den Angeklagten sprachen.

Ob das Gericht "sorgfältig" gearbeitet hat, wissen wir nicht. Vielleicht liegt hier eine sorgfältige Arbeit des Verteidigers vor. Die Verteidigung hat ein zweites Gutachten schon frühzeitig verlangt, dass wird nicht einfach so sein. Die Forderung in Kombination mit den nun aufgedeckten Tatsachen schließe ich, dass die Ungereimtheiten schon von der Verteidigung erkannt wurden, so schwierig war das sicher nicht.

Man muss ja auch bedenken, dass Gutachten war wohl der einzige Beweis, den die Staatsanwaltschaft hatte.

Es gab auch weiteres, die zeigten, dass der Angeklagte nicht der Täter war:
Hintergrund für die wiederholte Vorladung des Chefermittlers ist nach Angaben von Gerichtssprecher Ingo Krist die Tatsache, dass an dem Kantholz, mit dem im Jahr 1979 unterhalb des Aschaffenburger Schlosses auf die 15-Jährige eingeschlagen wurde, nach der Tat DNA-Material gefunden worden war. Eine genetische Spur, die auch 40 Jahre danach noch niemandem zugeordnet werden konnte.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-cold-case-mord-prozess-1.4776584

ALso fassen wir es makl zusammen. Es gab folgendes, was für den Angeklagten sprach:

  • Er hatte ein Alibi
  • An der Tatwaffe befanden sich nicht zuordbare DNA-Spuren


NUR ein Gutachter meinte einen übereinstimmendes Biss.

Interessant ist die Aussage des Poliszisten, der damals dem Abgeklagten anscheinend ein richtiges Alibi gegeben hatte:
Jetzt hat der pensionierte Beamte ausgesagt, er habe nicht gewusst, dass der Angeklagte "Verdächtiger Nummer eins" gewesen war. Warum es erst drei Wochen nach der Tat zu jenem Vermerk gekommen ist, wisse er nicht mehr genau. Konfrontiert wurde er aber mit einer falschen Notiz, die er in der Causa gemacht hatte. So hatte er den Zeitpunkt der Vermisstenanzeige von Christiane J. falsch notiert. "Da muss ich wohl einen Fehler gemacht und die falsche Uhrzeit notiert haben", räumte der Zeuge ein. Als spätere Ermittler diese falsche Notiz festgestellt hatten, zogen sie offenbar auch den Aktenvermerk in Zweifel.
Man sieht hier, wie dem pensionierten Beamten Eigenzweifel gekommen waren, obgleich er über eher richtige Beobachtung ein Aktenvermerk gemacht hatte. Dass der Angeklagte "Verdächtiger Nummer eins" gewesen war, sollte gerade bei der Erstellung einer Aktennotiz keine Rolle spielen. Er hat hier die Befürchtung, dass durch einen Fehler von ihm ein Kriminalfall 40 Jahre lang nicht geklärt werden konnte.

Hier sieht man, wie schwierig es für Zeugen ist, Beobachtungen zu bestätigen, wenn da vor Gericht einem eine Person als Täter präsentiert wird, die mit der Beobachtung nicht übereinstimmt. Hier sieht man die große Problematik der Zeugenbeweise ganz deutlich.
Zitat von monstramonstra schrieb:Die Gutachterin lag wohl deshalb falsch, weil sie nicht berücksichtigt hatte, dass die Übereinstimmung zwischen dem Biss und dem Gebiss des Angeklagten nur aufgrund eines gezogenen Zahnes entstanden war, der nicht berücksichtigt worden war.
Das glaube ich nicht. Mein Bruder war niedergelassener Zahnarzt und daher weiß ich, dass man immer aus dem Gebiss erkennen kann, dass Zähne gezogen wurden. Man weiß wieviel Zähne ein Mensch normalerweise hat und daher weiß man auch, dass ein Zahn gezogen worden war. Die Zähne im Kiefer sind auch unterschiedlich, so dass man auch auf den Zahn schließen kann, der gezogen wurde. Soviel traue ich der Guachterin auch zu, dass sie das auch erkannt hat, andernfalls wäre sie für ihren Beruf grundsätzlich nicht geeignet, geschweige denn als Gutachter. Ich nehme an, dass sie die Extraktion des Zahnes vor die Tat verlegt hatte. Welche Grünnde sie dazu angenommen hat, können wir natürlich nicht wissen.


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 20:05
Zitat von misfitmisfit schrieb:Ich finde es erstaunlich dass Gebissgutachten vor deutschen Gerichten überhaupt noch zugelassen werden, da es sich dabei um eine Pseudowissenschaft handelt.
Danke für diese Artikel, das kommt nun hier auch noch hinzu. Da hätte das Gericht doch schon viel früher noch mehr auf die entlastenden Punkte ein Augenmerk richten müssen.

Das lässt aber auch schon das Ergebnis des Grundmann-Gutachtens vorausahnen, einen Beweis wird es nicht liefern, dass der Angeklagte NICHT der Täter war.


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03.03.2020 um 20:31
Zitat von monstramonstra schrieb:Natürlich hätten die Ermittler und die Staatsanwaltschaft sich auch diese Fragen stellen können. Und vielleicht auch das Gericht, dass das Verfahren eröffnet hat. Ob sie sich hätten stellen müssen, vermag ich ohne Kenntnis des Gutachtens jetzt nicht zu beurteilen.
Hier ist das Gutachten nicht notwendig. Hier hätte den Ermittlern/StA und auch dem Gericht ganz bewusst sein müssen, dass es auch für einen Angeklagten nach 40 Jahren unmöglich ist, Beweise für seinen Unschuld zu liefern. Hier ist definitiv ein Ausgleich notwendig und daher sind die belastenden Beweise ganz genau unter die Lupe zu nehmen und das schon vor der Anklage. Das MUSS steht hier daher nicht zur Diskussion. Und wie Du siehst, ist diese Art der Forensik mittlerwiele stark in Kritik geraten, und darüber haben sich Gerichte zu informuieren, erst recht wenn der Fall 40 Jahre zurückliegt und einen lückenlose Patientenakte unwahrscheinlich ist und dieses Gutachten der einzige belastende Bewis ist.


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

03.03.2020 um 21:51
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Das glaube ich nicht. Mein Bruder war niedergelassener Zahnarzt und daher weiß ich, dass man immer aus dem Gebiss erkennen kann, dass Zähne gezogen wurden.
Nun gut, wenn auch Richter dazu in der Lage waren, dann dürfte das auch für einen Zahnarzt gelten.
Irritiert zeigten sich die Richter auch darüber, dass die Gutachterin bei ihrer ersten Anhörung angegeben hatte, ein bestimmter Zahn des Angeklagten sei genetisch gar nicht angelegt und dies sei eine besondere Anomalie. Nun ergebe sich aber aus Röntgenbildern, dass besagter Zahn sehr wohl angelegt sei. Dies habe die Gutachterin einräumen müssen; erklärte aber, diese Bilder nicht bekommen zu haben. Was Ermittler deutlich bestreiten.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-mord-prozess-angeklagter-frei-1.4788741

Etwas ausführlicher mit Zitaten aus der Pressemitteilung des Landgerichts:

https://www.zm-online.de/news/gesellschaft/zahnaerztliches-gutachten-ist-wertlos/
Zweifel an Lindemaiers Gutachten tauchten auf, nachdem das Gericht Röntgenbilder des Gebisses des Angeklagten aus dem Jahr 1997 begutachtete. Krist: „In Zusammenschau mit den herangezogenen historischen zahnmedizinischen Krankenunterlagen des Angeklagten habe sich aus den Bildern ergeben, dass es zumindest im Jahr 1997 und damit wohl auch im Jahr 1979 beim Angeklagten noch den Zahn '4-4' gegeben habe. Die Sachverständige hingegen hatte in ihrer ersten Anhörung angegeben, dass es eine vermeintliche individualspezifische Besonderheit des Gebisses des Angeklagten sei, dass eben dieser Zahn '4-4' genetisch gar nicht angelegt gewesen sei.“
Zudem habe die Gutachterin sogar einen Zahn im heutigen Gebiss als existent betrachtet, während sich aus zahnärztlichen Unterlagen die Extrahierung dieses Zahnes ergebe. D.h. die Gutachterin sah einen Zahn, den es schon lange nicht mehr gab. Das ist bei einer summarischen Prüfung eines Gutachtens für einen Laien sicher nicht sofort erkennbar.

Ob die Methode "Identifikation durch Bisswunde" Hokuspokus ist, das kann ich nicht beurteilen, weil ich die wissenschaftliche Diskussion nicht kenne. "Gebissgutachten" haben natürlich ihre Daseinsberechtigung, wenn um die Identifikation von sterblichen Überresten geht. Und da frage ich mich, in welchem Gebiet die Gutachterin von der LMU München wirklich eine "Koryphäe" war.

Siehe:

https://www.hallo-muenchen.de/muenchen/suedwest/gibt-toten-ihre-namen-zurueck-2391549.html
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Hier hätte den Ermittlern/StA und auch dem Gericht ganz bewusst sein müssen, dass es auch für einen Angeklagten nach 40 Jahren unmöglich ist, Beweise für seinen Unschuld zu liefern. Hier ist definitiv ein Ausgleich notwendig und daher sind die belastenden Beweise ganz genau unter die Lupe zu nehmen und das schon vor der Anklage.
Im Verdachtsstadium des Ermittlungsverfahrens werden Beweismittel gesammelt. Dan wird eine Prognose erstellt, ob es zu einer Verurteilung kommen könnte (nicht muss). Ob diese in ihrer Gesamtheit Tat und Täter beweisen, obliegt dem Gericht nach Durchführung der Hauptverhandlung. Das Gericht gibt an:
Dabei schien sowohl die Indizienlage als auch das zahnärztliche Gutachten plausibel. Anhand der Bisswunde sollte mit einem Abgleich des Gebisses des Angeklagten dessen mögliche Schuld im Indizienprozess belegt werden.
https://www.zm-online.de/news/gesellschaft/zahnaerztliches-gutachten-ist-wertlos/

Wenn die Plausibilität gegeben ist/war, dann war das Gutachten aus sich heraus schlüssig, ohne Prüfung weiterer Röntgenbilder, Unterlagen und einwöchige Verhandlungspausen. Selbst wenn es das einzige Beweismittel ist (oder jedenfalls ein herausragendes), ist die Frage, ob sich Laien nun daran machen sollten, die Richtigkeit mit eigener (unzureichender) Sachkenntnis zu überprüfen. Besser wäre es bei Zweifeln den Gutachter um Stellungnahme zu bitten und - falls erfolglos -, einen weiteren Gutachter zu beauftragen. Aber eben auch nur, wenn es Zweifel gibt.

Immer wieder wird gefordert, ein Zweigutachten spätestens im Prozess verpflichtend zu machen. Aber das ist nicht der Königsweg (das wäre eine eigene Diskussion).

Das Hinterfragen passiert dann wirklich erst im Prozess, weil zwischen "hinreichenden Tatverdacht" und "erwiesener Schuld" ein großer Unterschied besteht und hier die Verteidigung ihre große Stunde hat. Wo der Punkt lag, an dem das Gericht Zweifel erstmals hegte, das bleibt offen. Das kann schon relativ früh gewesen sein - die Ablehnung des Verteidigerantrags muss nicht notwendig darin begründet sein, dass man das Gutachten für ausreichend hielt. Oder es war die erstmalige Vernehmung der Gutachterin.

Wie gesagt: Murks-Gutachten können passieren. Auf den Murks zu kommen ist nicht so einfach. Hier sei an den Fall Ursula Herrmann erinnert, wo sich eine Gutachterin auch an "Vodoo" versucht hat - und das Gericht hat das als Grundlage für eine Verurteilung genommen. Ein Urteil, dessen Wiederaufnahme kaum möglich erscheint. Selbst die Erstellung eines Gegengutachtens ist kaum möglich.


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03.03.2020 um 23:49
Danke für die Zitate aus zm-online. Nun sieht man schon etwas klarer. Leider bringt die Gutachterin nichtmal die Fähigkeiten mit, welche ich als selbstversändlich angesehen habe. Das macht die Sache nicht besser. Man muss sich als nächstets die Frage stellen, bei welchen Verfahren diese Gutachterin noch beteilgt war. Das wird dann nicht mehr nur dieses Verfahren betreffen, hier ergibt sich auch die Frage, welche Qualifikation Gutachter mitbringen müssen und wie das geprüft wird.
Zitat von monstramonstra schrieb:Hier sei an den Fall Ursula Herrmann erinnert, wo sich eine Gutachterin auch an "Vodoo" versucht hat - und das Gericht hat das als Grundlage für eine Verurteilung genommen. Ein Urteil, dessen Wiederaufnahme kaum möglich erscheint. Selbst die Erstellung eines Gegengutachtens ist kaum möglich.
Hier lag doch aber nur ein "wahrscheinlich" vor. Wenn ein Gutachter die höchst mögliche Sicherheit behauptet, wie häufig kommt das vor? Ich kann mir da DNA-Gutachten vorstellen, aber bei solchen Dingen wie hier?

Ein Gebissabdruck vom Tatzeitraum des Angeklagten lag nicht vor. Wenn man sehendens Blickes durch die Welt läuft, sieht man bei Heranwachsenden häufig, dass sie Klammern tragen. Das weiß doch jeder Mensch, dass sich das Gebiss im jugendlichen Alter verändert und veränderbar ist. Wenn jetzt ein Gutachter mit einer solch hohen Sicherheit meint, auf das Gebiss von vor 40 Jahren schließen zu können, sollte doch schon von vornherein Zweifel aufkommen. Und Zweifel musste das Gericht auch gehabt haben bzw. hatte auch ungeklärte Punkte, sonst wäre einen Befragung vor Gericht gar nicht möglich gewesen.
Die Fehler der Gutachterin sind auch recht einfach zu erkennen, man benötigt nur ein aktuelles Zahnschema des Angeklagten und dort hätte man - wenn man sich nur wenig mit beschäftigt - direkt das Fehlen des Zahnes 4-5 überzeugen können, den die Gutachterin noch als existent betrachtet hat. Für jeden Zahn gibt es dort ein Platzhalter, man zeichnet dort auch grob Füllungen ein. Nichts geheimisvolles. Auch ein Laie hätte da durch grobes Drüberschauen erkennen können, dass mit dem Gutachten etwas nicht stimmen konnte.
Röntgenbilder braucht man da nicht wirklich. Befragungen sind da auch weniger geeignet, denn man muss das Zahnschema direkt vor den Augen haben. Die Frage ist hier, wer hat für die Zweifel den Anstoß gegeben, das Gericht selber oder die Verteidigung?

Dem ZM-Artikel ist auch zu entnehmen, dass das Gericht "wiederholt selber verschiedene Anstrengungen unternommen habe, um an weitere zahnärztliche Unterlagen und Lichtbilder der Bissspur zu gelangen, um die gutachterlichen Feststellungen der zu überprüfen". Hier stellt sich die Frage, lagen diese der Gutachterin komplett vor? Wenn nein, dann ist das mit ein Grund für ein fehlerhaftes Gutachten und läge dann im Verantwortungsbereich des STA/Gerichts. Ein Gutachten kann nur so gut sein, wie die Unterlagen, auf denen es baut. Es ist ein Leichsinn, dem Gutachter nicht sämtliche Unterlagen zu geben. Das bedeutet, das sie das nicht genetische Anlage des 4-4 behauptet hat, kann durch die fehlenden Unterlagen verursacht sein. Aber an der Stelle bin ich überfragt, ob man das wirklich so gut unterscheiden kann, wenn ein Zahn vor langer Zeit gezogen wurde oder er nicht angelegt wurde. Teilweise bildet sich in der Zahnhöhle des Kiefers wieder Knochenmaterial. Es kann auch sein, dass der ein Weisheitszahn einen Druck ausübt, was dazu führten kann, dass sich die Lücke etwas zusammen schiebt. Das kann vielleicht zu dieser Fehldeutung führen. Aber man darf hier eben nicht einfach ein „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ behaupten, wenn man nur lückenhafte Akten besitzt.
Mich irritiert das "weitere" bei den zahnäztliche Unterlagen. das sieht für mich so aus, als hätten diese der Gutachterin nicht vorgelegen, sprich sie aus irgendwelchen Ordnern der Ermittlungsakte geholt wurden.
Zitat von monstramonstra schrieb:Wenn die Plausibilität gegeben ist/war, dann war das Gutachten aus sich heraus schlüssig, ohne Prüfung weiterer Röntgenbilder, Unterlagen und einwöchige Verhandlungspausen. Selbst wenn es das einzige Beweismittel ist (oder jedenfalls ein herausragendes), ist die Frage, ob sich Laien nun daran machen sollten, die Richtigkeit mit eigener (unzureichender) Sachkenntnis zu überprüfen. Besser wäre es bei Zweifeln den Gutachter um Stellungnahme zu bitten und - falls erfolglos -, einen weiteren Gutachter zu beauftragen. Aber eben auch nur, wenn es Zweifel gibt.
Zweifel hat es sicher gegeben, denn sonst hätte das Gericht keine Fragen in der Verhandlung stellen können. Und wie gesagt, wenn der Gutachterin nicht alle Unterlagen vorgelegen haben sollten, das ist und bleibt es definitiv ein Fehler des Gerichts und das "weitere" und auch die Formulierung zeigt das fast schon.

Murks-Gutachten können eben allein durch das nicht-vorliegen von notwendigen Patientenunterlagen erfolgen, aber natürlich, ein „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ hätte man dann nie behaupten dürfen, aber Zweifel hätte das eben gerade das auch bei einem Laien wecken müssen.


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04.03.2020 um 08:21
Ich habe mir jetzt nochmals Gedanken gemacht, über die das Gutachten widerlegenden Patientenakten.

Für mich ist es nun klar. Der Gutachterin lagen diese "weiteren" Patientenunterlagen nicht vor. Aus einer sauber geführten Akte sollte hervorgehen, welche genauen Unterlagen der Gutachterin gegeben wurden. Diese habe ich als Richter dann auch sehr schnell zur Hand, da brauche ich keinerlei Anstrengungen zu machen an diese zu gelangen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Gutachterin sich nicht aus den Unterlagen ein Bild gemacht hätte, wenn sie ihr vorgelegen hätten. Es liegt daher auf der Hand, diese Unterlagen wurden nicht zur Verfügung gestellt. Kein Wunder dass dann ein fehlerhaftes Gutachten erfolgt ist. Die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ist sicher ein klarer Fehler der Gutachterin, aber bei einer kompletten Patientenakte hätte die sicher auch anders ausgesehen.

Dieses Gerichts-Soap-artige Verhandlung ist daher auf eine schlechte Prozessführung zurückzuführenn. Hier wurde ein schwerwiegender Fehler des Gerichts/StA auf die Gutachterin abgewälzt. Ganz unschuldig ist sie sicher nicht, aber de Hauptverantwortung trägt hier die Justiz.

Die Frage ist hier auch, wie kam das Gericht darauf, dass da etwas in den Akten schlummert? Auf diese Idee kommt man doch nicht einfach so. Ich gehe davon aus, dass diese nicht berücksichtigten Akten von der Verteidigung moniert wurden oder eben, das Gericht kannte diese und hat sie doch nicht der Gutachterin gegeben, purer Leichtsinn.


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04.03.2020 um 10:03
Und noch etwas ist mir aufgefallen, woran man ein magelhaftes Verfahren erkennt (wobei ich jetzt keine Unterscheidung zwischen Gerichts- und Ermittlungsverfahren mache, beides liegt klar im Verantwortungsbereich des Staates):
Hintergrund für die wiederholte Vorladung des Chefermittlers ist nach Angaben von Gerichtssprecher Ingo Krist die Tatsache, dass an dem Kantholz, mit dem im Jahr 1979 unterhalb des Aschaffenburger Schlosses auf die 15-Jährige eingeschlagen wurde, nach der Tat DNA-Material gefunden worden war. Eine genetische Spur, die auch 40 Jahre danach noch niemandem zugeordnet werden konnte.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-cold-case-mord-prozess-1.4776584
Ich habe das zwar schon zitiert, aber ich hatte damals das „wiederholte“ übersehen. Hier verstehe im ersten Ansatz nicht, warum der Ermittlungsleiter geladen wird, um über eine DNA-Spur Auskunft zu geben. Der Leiter ist doch hier fachlich nicht geeignet über diese Spur etwas zu sagen. Ich erwarte, dass man hier den Gutachter geladen hätte und nicht den Ermittler. Es sei denn, ein Gutachten bzgl. dieser DNA-Spur ist erst gar nicht erstellt worden. Will man nun vol Leiter wissen warum? Vielleicht hatte der Leiter nur durch Zufall in der ersten Befragung von dieser DNA-Spur gesprochen, die in Wirklichkeit tief in irgendwelchen Akten verschwunden war?
Da hier der Gutachter nicht befragt werden sollte, gehe ich davon aus, dass bzgl. dieser DNA-Spur kein solches gemacht wurde. Man hatte DNA gefunden, aber offenbar „leider“ nicht vom Angeklagten und als irrelevant in den Akten verschwand. Da sind recht einseitige Ermittlungen erfolgt.
Sicher kann diese DNA-Spur ganz andere Gründe haben, sie muss nichts mit der Tat zu tun haben. Auskunft dazu kann nur ein Gutachter geben, davon hat der Leiter der Ermittlung doch keine Ahnung. Es handelt sich um eine DNA-Spur auf dem Tatwerkzeug, und der muss doch so weit wie möglich nachgehen!
Ich stelle mir vor, dass bei so kräftig ausgeführte Schläge durch die raue Oberfläche des Holzes Hautzellen geradezu abgeschabt werden und in die Poren des Holzes gelangen. Hier ist ein Gutachten notwendig, ob diese DNA vom wirklichen Täter stammen kann und ob es möglich ist, dass sie diese lange Zeit unbeschadet sich im Holz einnisten konnte. Mit dem, was ich über DNA weiß, sehe ich das als wahrscheinlich an. In den Poren werden DNA-Spuren geradezu konserviert sein und man wird das Kantholz sicher auch immer trocken die lange Zeit gelagert haben, was gute Voraussetzungen sind. Natürlich gilt das nur dann, wenn der Täter keine Handschuhe getragen hat. Auch mit der Lage der DNA-Spur auf dem Kantholz kann man arbeiten und abschätzen, ob die bei der Tat entstanden sein können. Hier wurde aber nicht ein solcher Gutachter befragt, sondern der Leiter der Ermittlung es geht sicher um die Frage, weshalb ein solches Gutachten nicht erstellt wurde.

Je mehr ich mich mit dem Fall beschäftige, desto sprachloser werde ich.


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

04.03.2020 um 12:35
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Dieses Gerichts-Soap-artige Verhandlung ist daher auf eine schlechte Prozessführung zurückzuführenn. Hier wurde ein schwerwiegender Fehler des Gerichts/StA auf die Gutachterin abgewälzt. Ganz unschuldig ist sie sicher nicht, aber de Hauptverantwortung trägt hier die Justiz.
Wie ein Gericht sollte man sein Urteil nicht vorschnell treffen, sondern schon etwas genauer differenzieren:

- Was sind Fehler/Versäumnisse bei der polizeilichen Ermittlung?
- Was sind Fehler/Versäumnisse der Anklagebehörde?
- Was sind Fehler/Versäumnisse des Gerichts (bei der Zulassung der Anklage wie im Prozess)?

Genauso muss man die Fehler differenzieren, die hier eventuell gemacht wurden.

1. Fehler im Gutachten aufgrund unzureichender Information: a) Die Gutachterin will Röntgenbilder nicht gekannt haben. Die Ermittler behaupten, diese wären ihr zugesandt worden. b) Weitere Unterlagen, die das Gericht gesichtet hat: Woher stammten diese Unterlagen? Und warum standen sie der Gutachterin nicht zur Verfügung?

2. Fehler im Gutachten aufgrund falscher Beurteilung des Gebisses des Angeklagten: Die Gutachterin behauptet die Existenz eines Zahnes, der gar nicht da ist. Eindeutig eine Fehlbeurteilung. Sie meint ein genetisch bedingtes Fehlen eines Zahnes zu erkennen, obwohl dieser operativ entfernt wurde.

3. Fehler im Gutachten aufgrund falscher Methodik: Die Gutachterin nimmt eine an "Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" an. Unter 7. Milliarden Menschen können es nur noch ein weiteres Gebiss dieser Ausprägung geben. Sie übernimmt - vermutlich - Maßstäbe aus Gebissgutachten, wo das Gebiss eines Menschen zur Identifizierung genutzt wird. Und überträgt sie - wissenschaftlich wohl nicht unumstritten - auf lediglich fotografisch dokumentierte Gebissspuren auf einer Leiche. Ein Vergleich "Foto Gebissspur" mit "Gebiss" dürfte nicht mit Sicherheit einer DNA-Spur oder eines Fingerabdrucks erfolgen können. Wenn doch, müsste das Gutachten insofern in einem ausführlichen allgemeinen Teil Möglichkeiten und Grenzen dieser Methodik nach Ablauf von 40 Jahren aufzeigen.

4. Fehler im Gutachten aufgrund falscher Bewertungsmaßstäbe: Schon deshalb sind Rückschlüsse mit der angegebenen Sicherheit nicht möglich. Die Gutachterin überschätzt aber ihre Fähigkeiten, wenn sie dies glaubt. Das sieht man schon daran, dass sie selbst nach erneuter Konfrontation mit entgegenstehenden Befunden (sie sie zwar nicht kennt, aber aufgrund ihrer Profession sofort einordnen müsste), nach wie vor von einer "wahrscheinlichen" Übereinstimmung ausgeht.

So klar diese Fehler jetzt auf der Hand liegen, bedeutet das noch nicht, dass sie offensichtlich gewesen sein mussten. Eine Akte zu einem Mordfall kann bei der Polizei schnell 200 bis 1000 Aktenordner (a 500 Blatt) umfassen. Da ist dann jede Vernehmung, jede Spur, jeder Hinweis enthalten. Die StA erhält davon 20 bis 50 Akten. Dort sind die wichtigsten Ermittlungsergebnisse enthalten sowie die Beweismittel, die eine Anklageerhebung rechtfertigen könnten. Dieses Konvolut geht nach Prüfung weiter an das Eröffnungsgericht. Dieses prüft summarisch, ob die Erhebung der Anklage gerechtfertigt ist.

Ein Verteidiger hätte eigentlich schon vor Anklageerhebung ein weiteres zahnmedizinisches Gutachten beantragen oder einholen müssen. Eventuell wurde auch hier etwas versäumt. Das hätte dann dem Gericht von Anfang an vorgelegen und eventuell bereits die Schwachstellen benannt.

Wer den Fehler bei "der Justiz" verortet hat natürlich recht, wenn er den ganzen Vorgang als staatliches Handeln betrachtet. Aber die Hauptverantwortung liegt hier bei der Gutachterin und ggf. bei der Polizei, falls sie dieser nur unzureichende Unterlagen übermittelt hat (wobei auch das ein Profi erkennen muss, dass sich z.B. ein Gebiss geändert hat, auch wenn die entsprechenden zahnärztlichen Unterlagen fehlen, die sich für 40 Jahre ja nie abschließend rekonstruieren lassen).


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Gefahren des Versuchs der Fallklärung nach 40 Jahren

04.03.2020 um 12:40
Und noch zur DNA-Spur: Die DNA auf dem Tatwerkzeug wurde offenbar analysiert und konnte weder dem Angeklagten noch einer anderen Person zugeordnet werden.

Daraus folgt erst einmal nichts. Weder für noch gegen den Angeklagten. Das Fehlen einer DNA-Spur des Angeklagten hätte nur dann Relevanz, wenn er ein DNA-Spur hätte hinterlassen müssen. Das sehe ich hier nicht.

Auch positiv ist eine DNA-Spur nur dann von Beweiswert, wenn sie entsprechend tatnah ist und nur durch die Tat verursacht worden sein kann. Sperma mit DNA auf dem oder im Opfer ist von anderer Qualität, als ein Haar mit DNA am Tatort. Je genauer die DNA-Analyse geworden ist, umso leichter sind Eintragungen ohne oder nur mit minderem Beweiswert.


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04.03.2020 um 15:39
Du hast schon Recht, die Wurzel allen Übels im Gutachten ist eine Selbstüberschätzung der Gutachterin. Sie versuchte etwas zu beurteilen, was sie in Wirklichkeit nicht konnte. Aber hier muss man sich dann fragen, wie hätte das die Gutachterin selber erkennen können? Und hier wären die Unterlagen sehr wichtig gewesen, die sie zum Teil nicht erhalten und zum anderen Teil behauptet, sie nicht bekommen zu haben. Sehr deutlich ans Licht ist jedenfalls gekommen, dass das was das Gericht ihr dann in der Befragung vorgehalten hatte, bzgl. ihrer Theorie des nicht angelegten Zahnes, hatte sie nicht bekommen.
Und genau hier muss die Frage erlaubt sein, woher wusste das Gericht überhaupt, dass da etwas in den Akten ist, was sie nicht erhalten hatte. Hier muss sich das Gericht an die eigene Nase fassen und sich fragen, warum hat es diese Unterlagen nicht der Gutachterin gegeben. Für Dich klingt es so einfach, dass sie hier eine Fehldiagnose erstellt hat, dass der extrahierte Zahn nie angelegt war. Für mich sind die vorgelegten Akten mit eine Ursache.
Zitat von monstramonstra schrieb:Ein Verteidiger hätte eigentlich schon vor Anklageerhebung ein weiteres zahnmedizinisches Gutachten beantragen oder einholen müssen. Eventuell wurde auch hier etwas versäumt. Das hätte dann dem Gericht von Anfang an vorgelegen und eventuell bereits die Schwachstellen benannt.
nein, den schwarzen Peter kannst Du hier nicht der Verteidigung zuschieben:
Im Prozess um einen 40 Jahre zurückliegenden Mord an einem Mädchen zeigt das Landgericht Aschaffenburg dem Verteidiger buchstäblich die Zähne: Die Richter lehnten am fünften Prozesstag ein zweites Biss-Gutachten ab, das der Verteidiger des angeklagten Norbert B. gefordert hat.
Nach Angaben von Gerichtssprecher Ingo Krist, der aus dem nichtöffentlichen Verfahren berichtet, sprach das Gericht dem vorliegenden Gutachten das Vertrauen aus. Dieses belastet den 57-jährigen Angeklagten schwer, denn es sagt: Die Zähne des Mannes stimmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit 40 Jahre alten Bissspuren an der Leiche überein.
https://www.mainpost.de/regional/main-spessart/Mord-Prozess-Gericht-lehnt-weiteres-Biss-Gutachten-ab;art20704,10392019 (Archiv-Version vom 23.01.2020)

Wenn ich das schon lese "das Vertrauen ausgesprochen", da kommte es mir hoch.

Bei diesen nun sehr klaren Kunstfehlern war es für die Verteidigung sehr einfach, hier das Gutachten zu widerlegen. Wie gesagt, eine simple Betrachtung des aktuellen Zahnschemas hätte ausgereicht, schon den ersten ganz groben Fehler der Gutachterin nachzuweisen. Ich gehe davon aus, dass das auch erfolgt war, denn irgendwoher musste das Gericht das bei der Befragung der Gutachterin gewusst haben.

Vergessen darf man auch nicht, wer sucht den Gerichtsmediziner denn aus? Das Gericht und wenn er da in der Sache unerfahrene Personen mit beauftragt, dann ist das Gericht mit Ursache für die Selbstüberschätzung. Im täglichen Leben passiert das doch auch, man erhält eine Aufgabe, der man nicht gewachsen ist. Meist schafft man die Aufgabe doch noch, weil es genügend Kontrollmöglichkeiten gibt oder den Kollegen darauf ansprechen kann. Manchmal muss dann ein Team gebildet werden, dass die Karre noch aus dem Dreck zieht, weil andernfalls Termine nicht eingehalten werden können. Man wird dann viel mehr Zeit benötigt, als man ursprünglich angenommen hat. Selbstüberschätzungen gehören zum täglichen Leben und darauf muss die Justiz auch eingestellt sein. Im Gegensatz zu Dir sehe ich hier schon die Notwendigkeit eines Zweitgutachtens, auch wenn es höhere Kosten mit sich bringt. Dann braucht sich ein Gericht nicht erst tiefer in zahnmedizische Dinge einarbeiten (was auch in die Hose gehen kann), wenn es hier Differenzen gibt.
Und noch zur DNA-Spur: Die DNA auf dem Tatwerkzeug wurde offenbar analysiert und konnte weder dem Angeklagten noch einer anderen Person zugeordnet werden.

Daraus folgt erst einmal nichts. Weder für noch gegen den Angeklagten. Das Fehlen einer DNA-Spur des Angeklagten hätte nur dann Relevanz, wenn er ein DNA-Spur hätte hinterlassen müssen. Das sehe ich hier nicht.
Einer „bekannten“ anderen Person wohlgemerkt.
Und ich denke, Du solltest meinen Beitrag doch nochmal lesen. Hier geht es nicht um die Tatsache, dass keinen DNA des Angeklagten auf dem Kantholz vorlag, sondern um die Frage, ob die gefundene DNA vielleicht durch die Tat als solche darauf gekommen ist. Und da geht es nicht um die DNA als solche, sondern deren Lage, deren Menge etc. Und dazu kann der Ermittliungsleiter definitiv keinerlei Auskunft geben (auch Du nicht).

Ich verstehe hier nicht, warum Du hier die Ermittler und das Gericht so in Schutz nimmst. Bist Du beeindruckt, dass sich das Gericht in zahnmedinische Dinge eingearbeitet hat? Ich persönlich glaube, dass das Gericht sich in Wirklichkeit mit den Lorbeeren der Verteidigung schmückt und nur daher wusste, dass in den Akten mehr zu finden war. Diese Gutachtergläubige Ablehnung des Gerichts bzgl. des Forderung des Anwalts zeigt das deutlich.


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04.03.2020 um 16:43
Noch eine kleine Erläuterung zur DNA-Spur.

Im Fall Böhringer gab es einen DNA-Spur an einem Weinglas, die wie hier keiner bekannten Person zugeordnet werden konnte.

Das Gericht hatte sich dann genauer mit dieser DNA-Spur beschäftigt und sich gefragt, kann diese DNA-Spur von wirklichen Täter stammen. Es kamm mittels verschiedener Überlegungen zu einem Nein.

In diesem Fall befindet sich die DNA-Spur nicht auf irgendeinem Gegenstand, welche mit der Tat nichts zu tun hat, sondern auf der Tatwaffe! Wie im Böhringer-Verfahren hätte man diesen DNA-Besitzer ausschließen müssen und dazu ist das Laden es Ermittlungsleiters sinnlos. Das geht nur mit einem entsprechnden Gutachten, der sich mit dieser Spur genausestens auseinander setzt, um dann zum Schluss zu gelangen, wie hoch der Gutachter die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass der Mensch mit dieser DNA der Täter ist. Es geht hier um einen unbekannten Alternativtäter! Deine Auffassung geht in die Richtung, dass der Angeklagte seine Unschuld beweisen muss. Es sollte Dir klar sein, dass es so nicht geht.


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04.03.2020 um 20:45
Zitat von monstramonstra schrieb:4. Fehler im Gutachten aufgrund falscher Bewertungsmaßstäbe: Schon deshalb sind Rückschlüsse mit der angegebenen Sicherheit nicht möglich. Die Gutachterin überschätzt aber ihre Fähigkeiten, wenn sie dies glaubt. Das sieht man schon daran, dass sie selbst nach erneuter Konfrontation mit entgegenstehenden Befunden (sie sie zwar nicht kennt, aber aufgrund ihrer Profession sofort einordnen müsste), nach wie vor von einer "wahrscheinlichen" Übereinstimmung ausgeht.
Die aktuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Gutachterin habe ich im Internet nicht gefunden. Es hieß nur, dass sie die Abschätzung nur geringfügig geändert haben soll. Das kann aber auch fehlerhaft wiedergegeben worden sein. Wie die angegebenen Wahrscheinlichkeiten zu bewerten sind, ist nicht jedem Journalisten geläufig.

"Wahrscheinlich" wäre um 3 Stufen schlechter als "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" und liegt nach Adam Riese zwischen mehr als 50% und nicht mehr als 90%.

Wenn das stimmt, kommt das schon einer Kapitulation gleich, dann hätte sie diese Befunde schon richtig eingeordnet. So versucht sie nur noch Gesichtswahrung. Wenn es keine weiteren schwerwiegenden Beweise gibt, kann man darauf keinen Schuldspruch bauen. Aber dieser Versuch wäre dann gescheitert, weil das Gericht das Gutachten nun für wertlos hält.

Hast Du da irgendwo noch ein mehr an Information gefunden?


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04.03.2020 um 21:02
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Die aktuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Gutachterin habe ich im Internet nicht gefunden.
Findest Du hier:

https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-mord-prozess-angeklagter-frei-1.4788741
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Ich verstehe hier nicht, warum Du hier die Ermittler und das Gericht so in Schutz nimmst.
Ganz einfach: Weil ich die Fehler dort suche, wo sie entstehen. Und nicht pauschal "die Justiz" verantwortlich mache. Weil ich hier keinen "Justizskandal" sehe, sondern im Gegenteil: In einem Gerichtsverfahren werden falsche Ermittlungsergebnisse aufgedeckt.

Dafür gibt es öffentliche Hauptverhandlungen, dafür gibt es fünf Richter (3 Berufsrichter und 2 Schöffen) auf der Richterbank, dafür gibt es Verteidiger. Es wäre ein Irrtum zu glauben, Ermittlungen fänden ohne Fehler statt. Entscheidender ist, dass sie auf einer von mehreren Kontrollebenen aufgedeckt werden.

Wir wissen auch einfach zu wenig über die Tatsachengrundlagen, die den Ermittlern, der Gutachterin und dem Gericht vorlagen. Die Ermittler bestreiten (Quelle s.o.), unvollständige Unterlagen an die Gutachterin weiter geleitet zu haben. Die Gutachterin war vom Gericht beauftragt worden, ihre wesentlichen Ergebnisse müssen aber bereits in das Ermittlungsverfahren eingeflossen sein, sonst hätte man gar nicht Anklage erheben können.
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Und ich denke, Du solltest meinen Beitrag doch nochmal lesen.
Ne, eher umgekehrt. Denn bei der DNA ist der Fall nun mal so, dass die Spuren an der Tatwaffe keiner Person zugeordnet werden konnten. Das belastet den Angeklagten nicht - aber es entlastet ihn auch nicht. Darum ging es.
Hintergrund für die wiederholte Vorladung des Chefermittlers ist nach Angaben von Gerichtssprecher Ingo Krist die Tatsache, dass an dem Kantholz, mit dem im Jahr 1979 unterhalb des Aschaffenburger Schlosses auf die 15-Jährige eingeschlagen wurde, nach der Tat DNA-Material gefunden worden war. Eine genetische Spur, die auch 40 Jahre danach noch niemandem zugeordnet werden konnte.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/aschaffenburg-cold-case-mord-prozess-1.4776584

Sie könnte vielleicht einer Person zugeordnet werden, wenn der Kreis der Verdächtigen, bei denen ein DNA-Abgleich gemacht werden könnte, vergrößert werden würde.
Der Anwalt des Angeklagten will nun von dem Chefermittler in einer der kommenden Sitzungen wissen, inwieweit die DNA der nun von den Profilern benannten grundsätzlich Verdächtigen mit der DNA auf dem Kantholz abgeglichen worden ist.
Und erst im Falle eines Treffers kann man sich dann darüber unterhalten, was die DNA-Spur dann für einen Indizwert hat.


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04.03.2020 um 21:17
Zitat von monstramonstra schrieb:Ne, eher umgekehrt. Denn bei der DNA ist der Fall nun mal so, dass die Spuren an der Tatwaffe keiner Person zugeordnet werden konnten. Das belastet den Angeklagten nicht - aber es entlastet ihn auch nicht. Darum ging es.
Ich denke, es wurde schon einem Menschen zugeordnet und damit muss es auch eine Person geben. Das diese nicht im Fokus der Ermittler war, sagt eigentlich erstmal gar nichts. Es gab einen Weihnachtsmarkt, der vieleicht auch Leute aus dem ferneren Umland angelockt haben kann.

Wie gesagt, im Fall Böhringer war die DNA-Spur ebenfalls niemanden zugeordnet und das Gericht hat sich mit dieser Spur auseinander gesetzt, ob nicht doch ein unbekannter Täter möglich ist. Wenn es allein nur auf die hohe Empfindlichkeit von DNA-Test zurück zu führen sein soll und die Menge der DNA fast schon vernachlässigbar war, das wäre etwas anderes. Aber dazu kann ein Ermittler nun mal keine fachlich kompetente Antwort geben.

Das bisher dieser DNA-Spur nicht nachgegangen wurde, kann natürlich ebenfalls mit dem Gutachten abhängen, da wäre nicht nur eine Möglichkeit erforderlich gewesen, sondern man hätte einen 100%-Treffer benötigt, erst dann hätte es etwas gegeben, dass gegen das Gutachten etwas ausrichten konnte.


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04.03.2020 um 21:26
Zitat von JamesBraggJamesBragg schrieb:Ich denke, es wurde schon einem Menschen zugeordnet und damit muss es auch eine Person geben.
Ob man ein DNA-Profil extrahiert hat? Hört sich so an. Es gibt aber keinen "Treffer". Also unbekannte Person.

Da stellt sich aber die Frage, ob ich bei 749 oder 49 oder 23 Personen, die irgendwie verdächtig waren oder überprüft wurden, (SZ-Artikel) einen DNA-Abgleich machen kann. Aus der Quelle geht nicht hervor, bei wie vielen Personen ein Abgleich vorgenommen wurde.

Würde es sich um Sperma auf dem Opfer handeln, wäre evtl. möglich alle 749 zu überprüfen. Das gab es schon, wenn die Tat nicht anders aufzuklären war. Bei Spuren auf einer Tatwaffe jedoch, die mehrere Menschen (nicht nur der Täter) in Händen gehabt haben können, kommen Massen-Gentests an ihre Grenzen. Weil eben die Aussagekraft der DNA-Spur relativ ist.

Egal: Die unbekannte DNA könnte evtl. zum Täter führen. Wenn es einen Treffer gibt. Es gibt aber keinen. Vielleicht muss die Polizei hier noch einmal arbeiten, wenn ein Freispruch erfolgt ist. Ohne Bissspur bleiben aber kaum noch Beweismittel übrig. Und die DNA hätte wenig Aussagekraft, wenn nicht noch unbekannte Indizien hinzukommen. Am besten ein Geständnis.


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04.03.2020 um 21:45
Zitat von monstramonstra schrieb:Ohne Bissspur bleiben aber kaum noch Beweismittel übrig.
Wobei es auch theoretisch noch die Unschuld beweisen könnte. Aber ich glaube nicht dran. Bei einem Biss in die Hand, wo die Haut nur geringfügig verschiebbar ist, wäre es etwas anderes. Bei der weiblichen Brust, die verschiedenste Formen annehmen kann, gedehnt, gestaucht wird man daher nicht in der erforderlichen Weise entzerren können, weil dort einfach notwendige Informationen fehlt. Und hinzu kommt, man wird kein Gipsmodell von 1979 haben.

Das gleiche gilt natürlich, wenn man heute doch noch jemanden anhand der DNA-Spur identifiziert, die Bisswunde wird auch für diesen nicht als Beweis verwertbar sein. Sicherlich wird der Fall nicht mehr aufklärbar sein.


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05.03.2020 um 09:49
Ich hatte gedacht, dass man nach jetzigem Stand zu dem Fall nichts mehr schreiben kann.
Ich habe mittlerweile diese Seite gefunden, in denen die Aussagen des Gerichtssprechers akustisch/per Video festgehalten sind und sie bringen nur mehr an Klarheit.
https://www.main-echo.de/live/tatort-schlossgarten-der-prozess-677
Aus diesen verschiedenen Videos kann man dann doch erkennen, wie der Ablauf war. Leider ist auch diese Seite nicht ganz komplett, vielleicht fände man auf den Bezahlseiten noch etwas mehr. Die hier veröffentlichten reichen aber um sich ein Bild zu machen.

Auf folgender Seite findet man noch mehr über die erste Befragung der Gutachterin. Es ist kein Bezahlartikel, man muss sich jedoch dort anmelden:
https://www.main-echo.de/mediathek/videos/Tatort-Schlossgarten-Bissspur-ist-dem-Angeklagten-zuzuordnen;sts6763,17222
Diese Erklärung deckt sich 100%ig mit meiner Vermutung, warum die Gutachterin von einem nicht angelegten 4-4 ausgegangen war. Sie glaubte, dass die Zahnlücke zu eng war, als dass da je ein Zahn reingepasst hätte.
Sie sagte in ihrer Anhörung auch, dass der Angeklagte stark verdreht Zähne habe und die sich mit dem Biss decken würden.
Jeder Zahnarzt wüsste an dieser Stelle, die am häufigsten Grund für diese "Anomalien". Die treten auf, weil für die Zähne nicht genug Platz ist im Ober- oder Unterkiefer haben. Die Folge ist, dass sich die Zähne verdrehen. In vielen Fällen tritt dass besonders dann stark in Erscheinung, wenn die Weisheitszähne durchbrechen. Diese Zähne sind die letzten, die von den bleibenden Zähnen durchbrechen, dass geschieht manchmal sogar erst im Erwachsenalter, daher der Name.
Wie ich schon angenommen hatte, musste der Weisheitszahn beim Angeklagten selbst noch zu dem Zeitpunkt auf die Zähne einen hohen Druck ausgeübt haben, als der 4-4 gezogen wurde. Die Folge war, dass sich die Lücke weitgehend schloss und dadurch zu ihrer Fehldiagnose kam.
Durch die verdrehten Zähne gab es für die Zahnmedizinerin aber offensichtliche Hinweise, dass ein solcher Fall vorlag, dass es hier zu Änderungen der Zähne gar noch im Erwachsenenalter möglich war. Ein "mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" ist daher vollkommen unverständlich ist auch überhaupt nicht mehr verständlich, dass sie trotz Aufzeigen dieser Fehler bei ihrer Einschätzung geblieben ist.
Hier liegt ganz klar ein schwerer Kunstfehler vor, der die Qualifikation der Gutachterin für diese Arten von Aufgaben vollständig zerstört hat. Auch wenn ich kein Richter bin, „grob fahrlässig“ wäre fast schon geschmeichelt.
Das ist auch reines Basiswissen, nicht nur von Zahnärzten. Wie gesagt, ich sprach ja schon früher davon, ein Teil der Kieferorthopädie beschäftigt sich mit diesen „Anomalien“ und sollte einem Leien auch nicht ganz unbekannt sein.
Auch ohne die ihr nicht vorgelegten Unterlagen hätte sie es wissen müssen!


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