@boki Wir suchen nicht nach Wahrheit.
Wir konstruieren "Wahrheiten".
Das Übel fängt früh an, sehr früh.
Man wird in eine Welt geboren, in der Menschen
Vorstellungen haben, wie die Dinge angeblich sind und auch wie sie angeblich zu sein haben.
Was davon ist wahr? Wie viel davon ist wahr?
Was bedeutet es für ein Wesen, wenn es in eine Welt hinein geboren wird, in der ihm Un- und Halbwahrheiten als "Wahrheiten" präsentiert werden und wenn von ihm
verlangt (!) wird, es habe sich so zu verhalten, wie diese "Wahrheiten" es erforderlich machen?
Wie geht ein Wesen mit ausgesprochen tief- und feinsinnigen Wahrnehmungsfähigkeiten, wie sie der Mensch hat, wenn es seine Wahrheit (seine Wahrnehmungen, seine Gefühle) nicht oder nur wenig mit seinen Bezugspersonen kommunizieren kann? Wenn sie nicht adäquat von anderen erspürt werden? Wenn sie auf kein Echo stoßen?
Was geht dann in so einem kleinen Menschen vor?
Was macht er dann mit seinen Wahrnehmungen?
Was bedeutet es dann für diesen kleinen Menschen von Menschen umgeben zu sein (Mutter, Vater usw.), die sich für seine innere Welt nur wenig interessieren?
Welche Schritte vollzieht er, dieser kleine Mensch, um zu überleben? Welchen Preis zahlt er dafür?
Und wie geht es weiter mit ihm?
Was macht er mit seinen Wahrheiten (Gefühlen)?
Es ist zwar allgemein bekannt, dass wir vieles nicht wissen, d.h. die Wissenschaften haben noch sehr viel Arbeit vor sich; das weiß man.
Und dass Laien noch weniger wissen, ist auch bekannt.
Aber es gibt noch etwas, was wichtiger ist: Wir leben zu einem nicht unerheblichen Teil Lügen.
Das, was wir über den Menschen im allgemeinen und von uns selbst im besonderen wissen könnten, wissen sollten, wissen wir nicht und das hat mit uns selbst zu tun.
Der "Stoff", den wir als angebliches "Wissen" präsentiert bekommen, schlucken wir allzu unkritisch.
Wir sind Meister des Kopierens.
Wir haben uns allzu leicht, allzu ungeprüft, im Grunde "automatisch" und wie selbstverständlich in unserer jeweiligen "Kultur" eingerichtet - manche "strampeln" dann in dieser Kultur, fühlen sich unwohl, ja, versuchen sogar zu kämpfen.
Aber gegen wen? Gegen was?
Hilfreich könnte sein, zu versuchen, zu verstehen (nicht im Sinne von gutheißen).
Was geht vor sich? Warum?
Es ist nicht sehr leicht, die Lüge, mit der und in die man hineinwächst, als solche zu durchschauen.
Die Wahrheit zu realisieren, die
heutige Wahrheit, kann - auch - sehr deprimierend sein, denn wenn man die Dinge versteht, wenn man versteht, realisiert, warum vieles ist, wie es ist, warum es heute so ist, wie es ist, dann weiß man auch. dass es zu den Lebzeiten eines Menschen, wie es uns heute beschieden ist, 50, 60, 80 oder 100 Jahre zu leben, dann weiß man auch, dass sich die Dinge in dieser Lebenszeit nicht sehr wesentlich verändern werden - und damit muss man leben lernen, es akzeptieren.
Nicht dass es "gestern" besser war (!).
Aber da sich solche Dinge nur langsam ändern, muss man dann es akzeptieren lernen.
Akzeptieren heißt weder es gutzuheißen noch zu resignieren.
Es heißt nur, zu sehen, was ist und nicht wegzuschauen oder so zu tun, als sei es eben nicht so.
Vielleicht ist sogar das Verstehen dessen, was vor sich geht, eine gute Möglichkeit, um dazu beizutragen, dass es ein bisschen weniger Lüge gelebt wird und der Wahrheit ein wenig mehr Platz eingeräumt werden kann.
Die Lüge, in der wir zu leben gewohnt sind, die Lüge, die zum Teil uns ausmacht und
weswegen wir sie nicht als solche zu erkennen wagen, diese Lüge ist der Boden, auf dem all das geschehen, ja gedeihen, "wachsen" kann, wovon der TE hier spricht.
Ob eine Welt ohne Leid möglich ist, das bezweifle ich.
Zumindest für die nächsten paar Tausend Jahre, vielleicht auch für viel länger.
Aber das ist hier nicht das Thema.
Das Leid, das von Menschen den Menschen zugefügt wird, das Leid, das man "duldet", das muss nicht so sein und darum geht es.
Jeder Mensch, der nach Wahrheit sucht, der den Mut und die Kraft aufbringt, nach Wahrheit zu suchen, trägt automatisch dazu bei, dass die Lüge, die Teil unserer "Normalität" ist, es nicht so leicht hat, Teil unserer Geschichte, unserer Biografie, unseres Lebens zu werden oder zu sein.
Hier und da kann dann ein bisschen was von der Lüge abgetragen werden, hier und da wird sie es dann schwerer haben, auf "fruchtbaren" Boden zu fallen, wenn es mehr Menschen gäbe, die sich nicht so leicht etwas "erzählen" lassen, sei es von der Wissenschaft (mit und auch ohne Anführungszeichen), sei es von dem, was in unserer Zeit und "Kultur" als angebliches Wissen in den Köpfen und sonstigen Quellen existiert.