Kann man nur stolz auf selbst Erreichtes sein?

Auf Facebook wollte ich in zwei Gruppen, wo die Mitglieder gegen die AfD agieren, mal thematisieren, dass Andrey Lunev, der russische Ersatztorwart von Fußball-Bundesligist Bayer 04 Leverkusen, sich zu seiner Herkunft bekennt und zeitgleich sich nicht zum Ukraine-Krieg äußert. Dabei habe ich gesagt, dass man auf seine Herkunft stolz sein kann und muss, allerdings man dennoch sich gegen Krieg aussprechen sollte. Unter diesem Beitrag hatte ich dann eine Diskussion mit jemandem, der seinem Profilbild zufolge Fan des FC St. Pauli ist und wohl auch Mitglied der Antifa. Er ist der Meinung, dass man nur stolz auf Dinge, die man selbst erreicht hat, sein könne und die Geburt in einem Land keine Leistung sei. Er meinte auch, dass dies dumm sei. Als ich sagte, dass jemand, der aus einem anderen Land kommt, ihm für so eine Aussage den Vogel zeigen könne, meinte er, dass ihn das auch nicht überzeugen könne. Er meint auch, dass ich belegen sollte, dass die ausländischen Spieler des FC St. Pauli (Nikola Vasilj oder Jakov Medic) stolz auf ihre Heimatländer seien.

Bin schon ein bisschen frustriert, jedes Mal sowas zu hören. Ich bin ein Antifaschist mit Leib und Seele, dennoch habe ich doch auch Nationalstolz für Deutschland. Deutschland hat eine funktionierende Demokratie, die auch von der AfD nicht zerstört wird (d. h. sie werden es nicht schaffen). In Deutschland muss auch niemand verhungern, denn es gibt deutschlandweit Tafeln. Wir können froh sein, dass in unserem Land es den meisten gut geht, denn wenn man sich viele andere Länder ansieht, dann muss man sagen, dass ein Privileg ist, in Deutschland zu leben. Jeder, der aus einem anderen Land kommt, ist stolz auf seine Herkunft oder auf seine Heimat. Das ist doch das normalste der Welt. Ich denke nicht, dass man ein Weltbürger muss oder sein sollte, denn in jedem anderen Land ist man stolz auf das, was man ist. Und wieso sollte man nur stolz auf eigenes erreichtes sein? Ist man nicht stolz auf seine Kinder, wenn diese was erreichen? Ist nicht jeder Italiener stolz drauf gewesen, im Sommer letzten Jahres Fußball-Europameister geworden zu sein? Dabei waren sie doch nicht Teil der Mannschaft.

Was ist eure Meinung?

Sicherlich gibt es hier Sachen, die nicht gut sind. Ich denke da an die Leerdenker Querdenker oder andere Gruppierungen, die verfassungsfeindlich sind. Aber ich bin auch stolz, dass diese es wohl nie schaffen werden, die Demokratie Deutschlands zu zerstören und Deutschland eine Demokratie ist und dies (zumindest der Westteil) seit 1949.

Ich finde, man kann noch nicht mal stolz darauf sein, was man "selbst erreicht" hat. Denn wenn man mal ein bisschen darüber nachdenkt, wie viele Faktoren notwendig waren, um ein Ziel zu erreichen, für die man nix kann, bleibt da nicht mehr viel übrig, auf was man stolz sein kann. Darum bin ich lieber froh, etwas erreicht zu haben, statt stolz zu sein. So wie ich auch froh bin, in Deutschland und nicht in Somalia zur Welt gekommen zu sein.

@Zanclus
Wenn du aus Somalia kommen würdest, würdest du auch trotzdem auf dein Land stolz sein, oder?

Johnny1887 schrieb:Wenn du aus Somalia kommen würdest, würdest du auch trotzdem auf dein Land stolz sein, oder?

Vermutlich nicht. Man mag seine Heimat, aber stolz? Damit kann ich nicht viel anfangen.

@Zanclus
Jeder Russe ist stolz auf sein Land, auch trotz Wladimir Putin und trotz des Ukraine-Krieges. Jeder Türke ist stolz auf sein Land, trotz Erdogan.

@Johnny1887

Wie gesagt, ich mag meine Heimat, aber Stolz ist nicht das Gefühl, das ich dabei habe. Wüsste auch nicht, worauf man da stolz sein könnte.

Zanclus schrieb:Denn wenn man mal ein bisschen darüber nachdenkt, wie viele Faktoren notwendig waren, um ein Ziel zu erreichen, für die man nix kann,

Ja, so gesehen kann man den Begriff "stolz sein" für nichts verwenden.

Stan_Marsh schrieb:Ja, so gesehen kann man den Begriff "stolz sein" für nichts verwenden.

Genau. Wobei es durchaus das Gefühl von Stolz gibt. Aber Gefühle können trügerisch sein.

Das einzige was Angehörige einer Nation exklusiv miteinander verbindet, ist deren Nationalität/Staatsangehörigkeit.
Damit grenzt der Nationalstolz alle, die außerhalb der Grenzen der betreffenden Nation leben, von einem geteilten Gefühl aus, darüber hinaus auch viele, die innerhalb dieser Grenzen leben und einen anderen Pass haben. Von daher ist die Nation mMn die falsche Kategorie, um sie mit einem Gefühl des Stolzes zu belegen, das führt automatisch zu Ausgrenzung. Zumal es vom Stolz nicht allzu weit zur Überheblichkeit ist und die Geschichte hat ja gezeigt, wie fatal die Verbindung von Überheblichkeit und Nationalbewusstsein ist.

ist irgendwie dumm wenn man vorschreiben möchte, worauf andere stolz sein dürfen und auf was nicht , meine Meinung

Zanclus schrieb:Ich finde, man kann noch nicht mal stolz darauf sein, was man "selbst erreicht" hat. Denn wenn man mal ein bisschen darüber nachdenkt, wie viele Faktoren notwendig waren, um ein Ziel zu erreichen, für die man nix kann, bleibt da nicht mehr viel übrig, auf was man stolz sein kann.

Ist doch egal, ob mit Hilfe oder ohne, letzten Endes muss man ja das, was man erreichen möchte, selbst umsetzen, was manchmal recht schwierig ist u. ich mein schon, das man auf Erreichtes stolz sein kann.

equinoxx schrieb:Das einzige was Angehörige einer Nation exklusiv miteinander verbindet, ist deren Nationalität/Staatsangehörigkeit.
Damit grenzt der Nationalstolz alle, die außerhalb der Grenzen der betreffenden Nation leben, von einem geteilten Gefühl aus, darüber hinaus auch viele, die innerhalb dieser Grenzen leben und einen anderen Pass haben. Von daher ist die Nation mMn die falsche Kategorie, um sie mit einem Gefühl des Stolzes zu belegen, das führt automatisch zu Ausgrenzung. Zumal es vom Stolz nicht allzu weit zur Überheblichkeit ist

Dann dürfte ja keiner mehr Stolz haben oder zeigen.
Einigen zugestehen, anderen aberkennen geht ja nicht wirklich.

equinoxx schrieb:Das einzige was Angehörige einer Nation exklusiv miteinander verbindet, ist deren Nationalität/Staatsangehörigkeit.
Damit grenzt der Nationalstolz alle, die außerhalb der Grenzen der betreffenden Nation leben, von einem geteilten Gefühl aus, darüber hinaus auch viele, die innerhalb dieser Grenzen leben und einen anderen Pass haben. Von daher ist die Nation mMn die falsche Kategorie, um sie mit einem Gefühl des Stolzes zu belegen, das führt automatisch zu Ausgrenzung. Zumal es vom Stolz nicht allzu weit zur Überheblichkeit ist und die Geschichte hat ja gezeigt, wie fatal die Verbindung von Überheblichkeit und Nationalbewusstsein ist.

Was ist denn das für ein Blödsinn? Jeder hat das Recht, auf sein Land stolz zu sein. Wieso sollte man es jemandem zugestehen und einem anderen verwehren?

Johnny1887 schrieb:Was ist denn das für ein Blödsinn? Jeder hat das Recht, auf sein Land stolz zu sein. Wieso sollte man es jemandem zugestehen und einem anderen verwehren?

Bei solchen Umgangsformen brauchst Du dich nicht wundern, wenn sich niemand für Deinen Thread interessiert.
Und ich verschwende meine Zeit folglich auch nicht damit, darauf weiter einzugehen.
Viel Spaß noch beim "Diskutieren" :)

@Johnny1887
Ich bin ein Kind aus ein türkischen Gastarbeiterfamilie. Mein Opa kam in den sechzigern nach Deutschland. Ich und inzwischen auch meine Kinder, sind alle hier geboren. Mein Vater hat mir seinerzeit eingebläut, das man immer arbeiten müsse solange man kann, weil sonst das Land kaputt geht. Das habe ich bis heute, bin inzwischen 42, auch immer getan und darauf bin ich auch irgendwie stolz.

Worauf ich hinaus möchte ist, das ich mir sehr glücklich schätze in Deutschland geboren worden zusein. Weil es hier einfach viel mehr soziale Gerechtigkeit gibt und deine Arbeitsleistung fair bezahlt wird. Ich arbeite in der Systemgastronomie als Manager, seit inzwischen zwanzig Jahren. Mehr als zehn Jahre habe ich den sehr stressigen Job fürn Apel und nen Ei gemacht, wie man so schön sagt. Aber inzwischen werde ich für gastronomische Verhältnisse Top bezahlt, weil sich mein Arbeitgeber und die Gewerkschaften auf humane und faire Tarife einigen konnten.

Zum eigentlichen Thema möchte ich sagen, das für mich das Wort stolz generell etwas negativ behaftet ist. So als ob sich die stolze Person abheben, für was besseres halten möchte, als die anderen. Immer wenn Leute auf ihr Land, ihre Herkunft oder ähnliches stolz sind, kommt das für mich rassistisch rüber.

Wenn Eltern auf ihr Kind stolz sind, was gerade seine Abiprüfung bestanden hat, ist das Wort stolz völlig ok.

Die Wertung dieses Wortes, hängt also komplett vom Kontext ab.

Mahatma schrieb:das für mich das Wort stolz generell etwas negativ behaftet ist. So als ob sich die stolze Person abheben, für was besseres halten möchte, als die anderen.

Da mag es sicherlich einige geben, aber längst sind nicht alle so.
Ich z. B. bin stolz, das ich mich von einem Laster befreien konnte, während es andere nicht geschafft haben, wofür ich aber nichts kann.
Dennoch bin ich stolz darauf u. möchte damit keinen im Schatten stellen.

Mahatma schrieb:. Immer wenn Leute auf ihr Land, ihre Herkunft oder ähnliches stolz sind, kommt das für mich rassistisch rüber.

Das darf dann aber nicht nur Deutschen zur Last gelegt werden, sondern jedem, der sich wirklich von anderen Nationalitäten abgrenzen will oder sich für was Besonderes hält, was man dann aber auch merken kann.

borabora schrieb:Das darf dann aber nicht nur Deutschen zur Last gelegt werden, sondern jedem, der sich wirklich von anderen Nationalitäten abgrenzen will oder sich für was Besonderes hält, was man dann aber auch merken kann.

@borabora
Wie kommst du darauf, das es hierbei nur um Deutsche gehen soll?

Mahatma schrieb:Wie kommst du darauf, das es hierbei nur um Deutsche gehen soll?

Das habe ich aus obigen Beitrag geschlossen.

Wie gesagt, gibt sicherlich Leute, die Andere mit Aussagen verletzen wollen, aber es als grundsätzlich kritisch zu werten, falls Jemand beim Fußballspiel mal jubelnd die Arme hochreisst, finde ich übertrieben.

Wo soll das Kritische oder Bedenkliche dann anfangen, wer will das bewerten.

Bei der WM habe ich eine deutsche Fahne auf dem Balkon gehabt, na und?

borabora schrieb:Das habe ich aus obigen Beitrag geschlossen.

@borabora
Ich hab da aber nichts geschrieben, was andeutet, das ich nur Deutsche damit meine.
Bitte sowas lassen!

@Mahatma

Das habe ich aus @equinoxx Beitrag geschlossen.
Falls ich das falsch verstanden habe, sry.

borabora schrieb:Das habe ich aus @equinoxx Beitrag geschlossen.

Und wo habe ich das geschrieben? Zeig mir doch die Stelle mal in meinem Text.
Ich habe genauso wie @Mahatma nicht über Deutsche im Speziellen, sondern über alle Nationalitäten geschrieben.
Bitte genau lesen und nicht so viel heruminterpretieren.