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Waldorfschulen

1.265 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Waldorf ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Waldorfschulen

Waldorfschulen

21.12.2022 um 19:53
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:Keine Frage, dass Waldorf auch sehr bereichernde Elemente hat, die auch staatlichen Schulen gut tun würden - der große Erfolg ist aber auch dadurch begründet, dass man potentiell problematisches Klientel gleich ausschließt - und so ehrlich sollte man sein.
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb:Ich würde es anders formulieren: das problematische Klientel interessiert sich für Waldorf überhaupt nicht.
Es gibt viele Realitäten im Waldorbereich, sowohl Schulen, die sich auf gut situierte Elternhäuser spezialisiert haben, als auch solche, die sich, weil sie einen potenten Förderer haben, leisten können, alles Mögliche aufzunehmen. Dann treffen schon mal Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf aus wohlhabendem Elternhaus auf Prekariatskinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf.
Das Problem ist, dass anstatt den Förderbedarf zu erkennen und richtig behandeln, seltsame anthroposophische Diagnosen gestellt werden, was zur Folge hat, dass die Kinder mit Heileurythmie, Sprachgestaltung und schwarzer Pädagogik vom Klassenlehrer traktiert werden und am Ende überhaupt nicht mehr klarkommen.
Asperger Autismus, ADHS, Dyskalkulie oder LRS werden nicht (an)erkannt und wenn die Kinder dann ausrasten oder gemobbt werden, sind sie ja selbst schuld, weil das am Karma liegt.

Viele Waldorflehrer haben keine adäquate pädagogische Ausbildung, sondern nur anthroposophische Menschenkunde gelernt, mit so wichtigen Dingen wie, »die Indianer und die Affen sind ein dekadenter Abzweig von der restlichen Menschheit«.

Beleg https://www.ruhrbarone.de/waldorflehrer-werden-%e2%80%93-am-%e2%80%9eseminar-fur-waldorfpadagogik-berlin%e2%80%9c/23428/


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Waldorfschulen

21.12.2022 um 20:41
Was mich als Lehrerin wundert: Ich muss auf der Regelschule 27 x 45 Minuten unterrichten. Dazu kommen Vertretungen, Aufsicht, Konferenzen, Elterngespräche, pädagogische Berichte, Korrekturen, .... d.h. die ersten Jahre im Job rödelt man richtig, bis man den Unterricht vorbereitet hat - dann hast du beim zweiten Durchgang Erfahrungswerte, adaptierst die Stunde etwas, unterstreichst für die ukranischen Schüler ein paar Wörter und googelst sie beim Google Übersetzer, um den Text vorzuentlasten, etc. etc.

Ich würde es gar nicht schaffen, den Unterricht von Grund auf immer vorzubereiten, dazu habe ich viel zu viele anderen (beruflichen) Dinge zu tun. So ein Waldorflehrer hat ja bis zu 45 SuS in der Klasse, keine Lehrbücher, muss mitunter heftig differenzieren, da vom Gymnasialniveau bis zur Förderschule alles in der Klasse sitzen hat.

Wie machen die das? Wie halten sie qualitativ guten Unterricht, sie suchen sich die Klasse ja in Klasse 1 aus und ziehen sie 13 Jahre lang bis zum Abitur - danach ist der Unterricht veraltet, man fängt praktisch bei 0 an. Das würde mich echt interessieren.


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21.12.2022 um 21:49
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:So ein Waldorflehrer hat ja bis zu 45 SuS in der Klasse, keine Lehrbücher, muss mitunter heftig differenzieren, da vom Gymnasialniveau bis zur Förderschule alles in der Klasse sitzen hat.
Ein Waldorflehrer muss nicht differenzieren, sondern der Stoff ist so gefiltert und anspruchslos, dass, so die Theorie, selbst der schwächste Schüler mitkommt, in der Praxis fallen interessierte, starke Schüler genauso durchs Rost, wie solche mit Förderbedarf.

Die Schüler werden nicht wirklich individuell gefördert, sondern mehr oder weniger willkürlich in anthroposophische Kategorien gepresst – Temperamente, Karma, Jahrsiebte – und entsprechend »angesprochen« Viele Lehrer mobben bzw. fördern das Mobbing gegen Schüler, die nicht in das zugewiesene anthroposophische Raster passen.
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb am 22.11.2022:An Waldorfschulen gibt es keine wirkliche Inklusion, da werden Schüler mit Problemen allein gelassen oder mit Hokuspokus behandelt und wenn das nicht fruchtet zum Dämonenkind erklärt.
Zitat von NemonNemon schrieb am 23.11.2022:... und Auszügen aus einem aktuellen ZEIT-Artikel:

Esoterik an Waldorfschulen:
Falscher Filz
Viele Eltern wünschen sich für ihr Kind ein so wohliges Umfeld, wie es Waldorfschulen bieten. Doch hinter der hübschen Holzoptik erwartet sie oft ein okkultes Weltbild.

(...)Wo Waldorf draufsteht, ist auch Waldorf drin. Es gibt keine Waldorfeinrichtungen, die nicht anthroposophisch sind, Anthroposophie und Steiners Lehre gehören untrennbar zusammen.

(...)
Für Kinder, denen aus welchen Gründen auch immer in einer Waldorfeinrichtung ein schlechtes Karma oder eine problematische Aura attestiert wird, kann dadurch ein Leidensweg beginnen – insbesondere, weil es in Waldorfschulen üblich ist, dass ein und dieselbe Lehrkraft ihre Klasse über viele Jahre hinweg begleitet, sodass ein Kind sehr lange keine Chance auf einen frischen Blick bekommt.

Ein weiteres Problem ist, dass in vielen Waldorfeinrichtungen handfeste medizinische Diagnosen nicht anerkannt und stattdessen spirituelle Gründe für gesundheitliche Probleme gesucht werden.

So kommt es, dass Kindern mit Legasthenie oder Dyskalkulie oder ADHS jahrelang eine fachgerechte therapeutische Begleitung verwehrt wird, Kinder mit Autismus oft jahrelang zur Heileurythmie verdonnert werden, statt eine fundierte Diagnostik zu bekommen, und Kindern mit Asthma, Neurodermitis oder Allergien Probleme mit ihrem Karma attestiert werden.
Beitrag von Nemon (Seite 42)


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29.12.2022 um 10:20
Waldorfpädagogik Indizierung
Im Jahr 2002 wurde ein Antrag auf Indizierung von 23 Bänden aus dem pädagogischen Bereich der Gesamtausgabe von Rudolf Steiner gestellt, der vom Bundesfamilienministerium unterstützt wurde. Der Antragsteller war ein Verein, der sich für die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten einsetzt. Unter den 23 Bänden, die indiziert werden sollten, befand sich auch der Band »Geisteswissenschaftliche Menschenkunde« (GA293).
Der Antrag wurde jedoch von der Indizierungskommission des Bundesprüfstellen für jugendgefährdende Schriften abgelehnt, da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Schriften eine Gefahr für die Jugend darstellen. Allerdings wurden zwei Bücher von Rudolf Steiner von der Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verschont, weil der Verlag zusicherte, alsbald kommentierte Neuauflagen herauszubringen und bis dahin das Buch nur mit einer Beilage auszuliefern.

Beleg:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/rudolf-steiner-schriften-kommen-nicht-auf-den-index-100.html
https://hpd.de/node/5805


Von der kommentierten Neuauflage habe ich bis jetzt noch nichts gesehen.

Im Lichte der aktuellen Gewaltproblematik an Waldorfschulen, sollte die Bundesprüfstelle noch einmal in sich gehen und insbesondere die Bände GA300a bis c noch einmal unter die Lupe nehmen, da sagt Steiner nämlich sinngemäß, dass Prügeln ok ist, wenn es unter den Teppich gekehrt wird.


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24.01.2023 um 19:43
@Kältezeit
Ich hatte vor ein paar Tagen eine Diskussion mit einer Klassenkameradin, die sich bitterlich über die »waldorffeindliche« Presse ausgeheult hat. Ich hab ihr gesagt, dass das meiste doch stimmt und auch nicht übertrieben ist. Das wollte die natülich nicht einsehen deshalb hab ich sie an die Alte Geschichte von Andreas erinnert, damals waren wir in der elften Klasse und Andreas in der Achten. Ich hatte das schon einmal aufgeschrieben, und konnte dann schnell eine ethische Bewertung hinzufügen. Diese Sache ist natürlich ein »Einzelfall und an den Haaren herbei aus dem Zussammenhang gerissen«, aber ich hab mir danach mit ihr noch den Podcast von Oliver Rautenberg mit Natascha Strobl: Völkische Esoterik angehört und dann meinte sie, ach das gab es bei uns doch auch.

Totenfeier
Andreas, ein Schüler einer unteren Klasse hatte einen tödlichen Unfall auf einer Klassenfahrt.
Andreas hatte nach heutigen Maßstäben ADHS, diese Diagnose war zur damaligen Zeit noch nicht so verbreitet.
Andreas ist mit zwei bis drei weiteren Schülern in der Schaufel eines Radladers mitgefahren, abrupt aufgesprungen, gestürzt und vom Radlader überfahren worden.
Es gab eine Totenfeier in der Aula mit Eurythmie, trauriger Musik und einigen Reden.
Die Eltern und die jüngere Schwester saßen in einer vorderen Reihe, meine Klasse saß auf dem Seitenrang. Wenn ich mich an das blasse Gesicht der Schwester erinnere, läuft es mir noch eiskalt den Rücken hinunter.
Nach der Totenfeier hat in irgendeiner Verfügungsstunde ein Lehrer die Geschichte von Theos Opfer erzählt.

Sagt allen Waldi-Lehrern, dass zu viel Steiner-Lektüre bescheuert macht!"

Die Geschichte von Theo Faiss beschreibt den Tod eines siebenjährigen Jungen, der 1914 während dem Bau des ersten Goetheanums in Dornach unter einem umgestürzten Möbelwagen erdrückt wurde.
Rudolf Steiner, der Gründer der Anthroposophie, interpretierte den Tod des Kindes als "Schutzopfer" für den Bau des Tempels und stellte es als "Hinopferung" für die anthroposophische Bewegung dar.
Er betonte, dass der Tod des Kindes "lehrreich" sei und dass es durch "Zwischenfälle und Zufälle" geschehen sei.

Ethisch betrachtet ist diese Ansicht problematisch, da sie den Tod eines unschuldigen Kindes als notwendiges Opfer für eine Sache darstellt und das Leid und den Verlust für die Familie des Kindes und die betroffenen Personen bagatellisiert. Es ist auch inakzeptabel, Tod und Leid zu instrumentalisieren um ein Projekt oder eine Ideologie zu unterstützen. Es ist auch problematisch, dass diese Ansicht das Schicksal eines Kindes als eine Art von spiritueller Lektion betrachtet und das Leid der Familie und Freunde des Kindes ignorieren.


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24.01.2023 um 23:31
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Ethisch betrachtet ist diese Ansicht problematisch, da sie den Tod eines unschuldigen Kindes als notwendiges Opfer für eine Sache darstellt und das Leid und den Verlust für die Familie des Kindes und die betroffenen Personen bagatellisiert. Es ist auch inakzeptabel, Tod und Leid zu instrumentalisieren um ein Projekt oder eine Ideologie zu unterstützen. Es ist auch problematisch, dass diese Ansicht das Schicksal eines Kindes als eine Art von spiritueller Lektion betrachtet und das Leid der Familie und Freunde des Kindes ignorieren.
Ich frage mich, was geschieht, wenn kein zufälliges Opfer zur Verfügung steht. Wird dann eins ausgewählt und zur Schlachtbank geführt?


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Waldorfschulen

25.01.2023 um 07:57
Zitat von WurstsatenWurstsaten schrieb:Ethisch betrachtet ist diese Ansicht problematisch, da sie den Tod eines unschuldigen Kindes als notwendiges Opfer für eine Sache darstellt und das Leid und den Verlust für die Familie des Kindes und die betroffenen Personen bagatellisiert. Es ist auch inakzeptabel, Tod und Leid zu instrumentalisieren um ein Projekt oder eine Ideologie zu unterstützen. Es ist auch problematisch, dass diese Ansicht das Schicksal eines Kindes als eine Art von spiritueller Lektion betrachtet und das Leid der Familie und Freunde des Kindes ignorieren.
Sehe ich prinzipiell auch so, da ich - wie hier schon mehrfach erwähnt - nicht gottgläubig bin. Dennoch eine Frage an dich: wäre das an einer katholischen Privatschule viel anders verlaufen?
Gerade gläubige Menschen suchen in dem Verlust eines Menschen doch immer noch irgendwie einen Sinn dahinter und finden es sogar tröstlich, wenn sie meinen diesen gefunden zu haben.

Heutzutage wäre eine derartige, von dir beschriebene Totenfeier jedenfalls noch kaum möglich. Kann mir nicht vorstellen, dass das heutzutage so stattfinden würde, wie dein Beispiel von vor 30, 40 Jahren.

Auch wenn der Prozess vielleicht langsam vonstatten geht, aber auch Waldorf entwickelt sich weiter und muss sich immer mehr dem Zeitgeist anpassen.


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25.01.2023 um 08:15
Zitat von MissMaryMissMary schrieb am 21.12.2022:Wie machen die das? Wie halten sie qualitativ guten Unterricht, sie suchen sich die Klasse ja in Klasse 1 aus und ziehen sie 13 Jahre lang bis zum Abitur - danach ist der Unterricht veraltet, man fängt praktisch bei 0 an. Das würde mich echt interessieren
Die Klassenlehrerzeit geht bis zur 8. Klasse, danach nehmen sich die meisten Lehrer und Lehrerinnen ein Jahr frei, um wieder den Kopf frei zu bekommen, um vielleicht nochmal so einen Durchgang zu starten.
Es findet viel praxisnaher Unterricht statt, der zwar auch vorbereitet werden muss, aber sicherlich nicht stundenlanges Kopieren von Arbeitsblättern am schuleigenen Kopierer benötigt. :D

Ich hatte mal eine Liaison mit einem Oberstufenlehrer, in der Zeit, als ich noch in der Verwaltung eines Gymnasiums arbeitete. Der hatte irgendwie sehr viel Freizeit. Ich hoffe doch, dass sich GrundschullehrerInnen / MittelstufenlehrerInnen nicht so wenig vorbereiten, glaub ich auch nicht, deswegen bin ich da auch unbedingt für eine Gehaltsangleichung.
Gerade Lehrer in der Unterstufe empfinde ich als extrem belastet und überarbeitet.

Gilt auch für Waldorf. Ich kenne einen Waldorflehrer der leider länger aussetzen musste, weil er durch die Belastung Burnout bekam und deshalb mitten in der Klassenlehrerzeit unterbrechen musste. Jetzt ist er zwar nicht mehr als Klassenlehrer zurück, unterrichtet aber als Fachlehrer Englisch weiter.


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Waldorfschulen

25.01.2023 um 08:35
Hier mal ein kritischer Kommentar zum derzeitigen Schul-/Bildungssystem.
Ich denke, dass viele der aufgeführten Punkte die Ursache dafür sind, dass sich Eltern nach Alternativen umsehen:
Unzählige Schüler*innen leiden heute unter einem Burn-out, einer Depression und manche haben sogar Suizidgedanken. Junge Menschen, die in der Schule fürs Leben lernen sollen, brechen zusammen; das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Laut Psychiater und Autor Michael Schulte-Markwort kommen diese psychischen und physischen Probleme mittlerweile bereits bei Jugendlichen und Kindern vor, die eine, wie er sagt, ausreichende Intelligenz besitzen und den normalen Anforderungen entsprechen.

Weil wir aber in einer Leistungsgesellschaft leben, werden auch wir Schüler*innen auf Leistung optimiert und reduziert. Was haben wir schon für Chancen mit einer Fünf in Mathe und Chemie? Wir können noch so kreativ oder sprachgewandt sein, aber trotzdem müssen wir unsere Energie zu großen Teilen in Fächer stecken, an denen wir kein Interesse haben – und in überflüssiges Wissen, welches wir eigentlich nur für die nächste Klausur brauchen.
Der Artikel ist noch länger und sehr lesenswert und macht vielleicht verständlich, wieso immer mehr Menschen sich für eine Waldorfschulbahn ihrer Kinder entscheiden.

Quelle: https://www.zeit.de/zett/politik/2017-08/bildungssystem-zehn-jahre-schule-und-trotzdem-nichts-fuers-leben-gelernt


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25.01.2023 um 12:51
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb:Der Artikel ist noch länger und sehr lesenswert und macht vielleicht verständlich, wieso immer mehr Menschen sich für eine Waldorfschulbahn ihrer Kinder entscheiden.
Dagegen gibt es auch genügend kritische Artikel, die es verständlich machen, warum sich viele Menschen gegen eine Waldorfschulbahn ihrer Kinder entscheiden. Immerhin lässt das derzeitige staatliche Schulsystem Kritik an den eigenen Abläufen und Versäumnissen zu.


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25.01.2023 um 13:04
Zitat von mikemcbikemikemcbike schrieb:Dagegen gibt es auch genügend kritische Artikel, die es verständlich machen, warum sich viele Menschen gegen eine Waldorfschulbahn ihrer Kinder entscheiden. Immerhin lässt das derzeitige staatliche Schulsystem Kritik an den eigenen Abläufen und Versäumnissen zu.
Wenn man Schwurbeleien und Verschwörungstheorien weglässt, die nunmal an jeder einzelnen Waldorfschule mehr oder weniger oder auch garnicht vorhanden sind bzw. in den Unterricht einfließen, bleibt nur die Art der Didaktik, über die man diskutieren kann und da macht Waldorf wohl eine bessere Figur.

Wäre die Didaktik der Regelschule besser, hätte ich mich niemals für ein alternatives Konzept entschieden. Ich selbst habe als Schülerin vor einigen Jahrzehnten erlebt, dass man nicht fürs Leben lernt, sondern nur für die nächste Klausur. Dann fiel noch ein Schuljahr weg- die Schülerinnen und Schüler müssen demnach den selben Stoff in derselben Zeit pauken.
Dass immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Burnouts zu kämpfen haben, wie im Artikel beschrieben, sollte ernst genommen werden.
Ich hoffe sehr auf eine der Zukunft angepasste Reform. Dann ziehen vielleicht zumindest meine eventuell noch entstehenden Enkelkinder etwas daraus.


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Waldorfschulen

25.01.2023 um 13:12
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb:Heutzutage wäre eine derartige, von dir beschriebene Totenfeier jedenfalls noch kaum möglich. Kann mir nicht vorstellen, dass das heutzutage so stattfinden würde, wie dein Beispiel von vor 30, 40 Jahren.

Auch wenn der Prozess vielleicht langsam vonstatten geht, aber auch Waldorf entwickelt sich weiter und muss sich immer mehr dem Zeitgeist anpassen.
Der Prozess an Waldorfschulen ist sehr unterschiedlich, je nachdem, was für Leute da das Sagen haben.
Die organisierte Anthroposophie wird von der orthodoxen Strömung beherrscht, die eine sehr dogmatischen Kurs vorgibt.
Das läuft in vielen Fällen darauf hinaus, dass sich z.B. kritische Waldorflehrer entweder den orthodoxen Anthroposophen unterwerfen, rausgeekelt werden oder sich freiwillig eine andere Stelle suchen. Lehrer, die nur eine Waldorfausbildung haben, können nur an Waldorfschulen arbeiten.
Wes Brot ich esse, des Lied ich singe,

So eine Totenfeier war anscheinend in den 1980er und ~90er Jahren gang und gäbe, Tobias Rapp hat das in seinem im Spiegel veröffentlichteten Essay Waldorfschule und Impfgegner. In Steiners Sekte auch beschrieben:
Das Gedächtnis trügt ja manchmal. Aber ich müsste in der 9. oder in der 10. Klasse gewesen sein, als alle Schülerinnen und Schüler meiner Schule morgens in die Aula gerufen wurden. Ein Mitschüler war gestorben, und es sollte eine Trauerfeier geben. Ich war Waldorfschüler, und mir ist das Gefühl der Scham noch gut im Gedächtnis, als wir von den Lehrern in der Zeremonie, einem anthroposophisch angehauchten Gottesdienst, aufgefordert wurden, nun zu helfen, den Jungen »hinüberzutragen«.

Hinübertragen? Der Junge war an einer schweren Grippe gestorben. Keine Krankheit, die in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts noch den sicheren Tod bedeutete. Es gab danach eine Menge Gerede an der Schule. Das Kind war der Sohn von sehr überzeugten Anthroposopheneltern gewesen, und der behandelnde Arzt war ebenfalls Anthroposoph. Man hatte sich offenbar gegen eine ausreichende medikamentöse Behandlung entschieden. Und der Junge, der gerade rechnen lernte, habe, kurz bevor er krank wurde, im Unterricht zusammengezählt, wie viele Tage er schon lebe. So erzählten es die Lehrer auf der Trauerfeier. Das sei ein Zeichen gewesen.

Es folgte nie etwas aus dieser Geschichte. Die Geschwister des Jungen kamen weiter zur Schule, der Arzt praktizierte weiter, jeder ging mit seiner Trauer anders um. Was bei mir hängen blieb, war: Es gibt Leute, die opfern für ihre Überzeugung im Zweifelsfall ihre Kinder.
Quelle: https://www.spiegel.de/kultur/waldorfschule-und-impfgegner-in-steiners-sekte-a-8242889d-190f-479f-bf6d-a22ccab54013
Zitat von peawepeawe schrieb:Ich frage mich, was geschieht, wenn kein zufälliges Opfer zur Verfügung steht. Wird dann eins ausgewählt und zur Schlachtbank geführt?
Prinzipiell ist das, was Tobias Rapp beschrieben hat, so zu interpretieren.


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25.01.2023 um 13:33
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb:Wenn man Schwurbeleien und Verschwörungstheorien weglässt, die nunmal an jeder einzelnen Waldorfschule mehr oder weniger oder auch garnicht vorhanden sind bzw. in den Unterricht einfließen, bleibt nur die Art der Didaktik, über die man diskutieren kann und da macht Waldorf wohl eine bessere Figur.

Wäre die Didaktik der Regelschule besser, hätte ich mich niemals für ein alternatives Konzept entschieden. Ich selbst habe als Schülerin vor einigen Jahrzehnten erlebt, dass man nicht fürs Leben lernt, sondern nur für die nächste Klausur. Dann fiel noch ein Schuljahr weg- die Schülerinnen und Schüler müssen demnach den selben Stoff in derselben Zeit pauken.
.
Die Didaktik der Waldorfschulen ist nicht gut, sondern nur gut verkauft. Prinzipiell beruht das auf Anspruchsdumping, mit dem schwächere Schüler natürlich besser klarkommen. Stattdessen werden moralische Ansprüche aus, die aus einem zweifelhaften Weltbild entspringen, in den Vordergrund gestellt.


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28.01.2023 um 23:32
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb am 25.01.2023: Es findet viel praxisnaher Unterricht statt, der zwar auch vorbereitet werden muss, aber sicherlich nicht stundenlanges Kopieren von Arbeitsblättern am schuleigenen Kopierer benötigt. :D
Sorry, about guter Unterricht -egal in welchem Fach- entsteht nicht dadurch, dass man stundenlang Arbeitsblätter zusammenkopiert - das ist schon fast klischeemäßig.
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb am 25.01.2023: Wäre die Didaktik der Regelschule besser, hätte ich mich niemals für ein alternatives Konzept entschieden. Ich selbst habe als Schülerin vor einigen Jahrzehnten erlebt, dass man nicht fürs Leben lernt, sondern nur für die nächste Klausur. Dann fiel noch ein Schuljahr weg- die Schülerinnen und Schüler müssen demnach den selben Stoff in derselben Zeit pauken.
Wie gesagt: Ich sehe den Vorteil in der Waldorfschule nicht im Unterricht, den sehe ich eher kritisch, sondern darin, dass es eine elitäre Gruppe an Schülerin ist - es ist eben nur eine bestimmte Elterngruppe, die 10% ihres Einkommens für die Schule des Kindes ausgibt und dann noch mithelfen.

Meine beiden älteren Kinder waren beide auf einem regulären G8 - klar, ist da viel lernen, und auch lernen und vergessen, aber auch viel dazulernen. Kind #2 hat drei Fremdsprachen gelernt, die kann er nun auch. Natürlich nicht alle perfekt, aber durchaus ...

Auch sein Gymnasium hat eine Schulband, einen tollen Kunstleistungskurs, verschiedene Schüleraustauschprogramme, Berufsorientierung, Praktia - es ist nicht so, dass er nun acht Jahre damit verbracht hat, stur auswendig zu lernen und zu vergessen.


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29.01.2023 um 00:01
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:Auch sein Gymnasium hat eine Schulband, einen tollen Kunstleistungskurs, verschiedene Schüleraustauschprogramme, Berufsorientierung, Praktia - es ist nicht so, dass er nun acht Jahre damit verbracht hat, stur auswendig zu lernen und zu vergessen.
Genau das habe ich auch schon mal als Einwand angeführt. Es wird immer so dargestellt, als sei die normale Schule seelenlos aus Beton und die Waldorfschule aus verständnisvollem Holz, quasi. Völliger Blödsinn. Es gibt genug Gelegenheiten all das zu lernen, auch zur Selbstverwirklichung. Und W. hat ja wohl nicht mehr Stars aller Disziplinen hervorgebracht als reguläre Schulen.


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Waldorfschulen

29.01.2023 um 02:42
Meine Ansicht zu Waldorfschulen:

Es kommt sicherlich auf die Schule an. Soweit ich gehört habe, unterscheidet es sich von Waldorfschule zu Waldorfschule.

Allgemein kann man aber wohl sagen, dass nicht jede Waldorfschule direkt die Lehren von Steiner unterrichtet
und nicht jede Waldorfschule extrem esoterisch ist.

Auf christlichen Schulen gibt es ja ebenso christliche "Propaganda".
Auf Waldorfschulen kommt dafür dann vielleicht (!) manchmal etwas Esoterik vor.
Gibt sich beides aber meiner Meinung nach nicht so viel.

Oftmals ist es in einigen Gegenden wirklich so, dass die einzigen "guten" Schulen
nur christliche Schulen sind oder eben die Waldorfschule.

Bisher waren alle, die ich kennengelernt habe und die auf eine Waldorfschule gegangen sind, immer
äußerst nette und soziale Menschen, die auch alle einen hohen Bildungsstand und ein hohes
Maß an Kreativität aufweisen konnten. Das war wirklich auffällig und anderen im Bekanntenkreis
ging es auch so, als wir über Waldorfschulen sprachen. Man hört oft: "XY ging doch auf eine und
XY ist extrem sozial und kreativ!".

Man muss auch bedenken, dass nicht für alle Kinder ein Gymnasium etwas ist.
Für einige ist das zu viel Druck oder passt als Schulform eben nicht.

Die Alternative "Haupt- und Realschule" (hier beides eine Schulform als Alternative zum Gym)
ist aber besonders in einigen Großstädten so fürchterlich, dass man seinen Kindern damit
nichts Gutes tut. Da hat man dann auch die Kinder aus den ganz schwierigen Elternhäusern
und Gewalt und Mobbing sind Alltag. Abgesehen von den überforderten Lehrern und dem
geringen Niveau.

Hier wird oft angebracht: "Regelschulen sind doch gar nicht so schlecht! Das Gymnasium meines Kindes hat
dieses und jene Angebot!" - Ja, aber ein Gymnasium eben.
Wenn man in einer Großstadt wohnt und dort vielleicht auch noch in den etwas durchmischteren, ärmeren
Stadtteilen, dann sind die Haupt- und Realschulen nun einmal wirklich teilweise der Horror.
Kann man leider nicht anders sagen.

Und nicht jeder möchte seinem Kind den Druck/Stress auf dem Gymnasium antun bzw es ist
eben auch nicht für jedes Kind die richtige Schulform und in einigen Stadtteilen von
Großstädten sind teilweise selbst die Gymnasien von der Schülerschaft und dem Sozialverhalten
und teilweise auch dem Niveau fast schon ähnlich schlimm und nicht weit von den
Haupt- und Realschulen entfernt, weil eben jeder sein Kind auf das Gymnasium schickt.

Quelle: Habe im Bildungssektor und in Schulen gearbeitet.

Für viele bleiben da nur die christlichen Schulen oder die Waldorfschulen als Alternative,
weil diese Schulen teilweise etwas mehr Niveau haben und die Schülerschaft und
somit das gesamte Schulklima etwas anders ist.

Problematisch ist hier nur, dass sowohl die christliche Schule als auch Waldorfschulen
eben oft privat sind und sich nicht alle Elternteile das leisten können.


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Waldorfschulen

29.01.2023 um 07:25
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:Sorry, about guter Unterricht -egal in welchem Fach- entsteht nicht dadurch, dass man stundenlang Arbeitsblätter zusammenkopiert
Dann kenne ich wohl sehr viele Lehrer, die laut deiner Definition keinen guten Unterricht gestalten.
Zitat von MissMaryMissMary schrieb:es ist nicht so, dass er nun acht Jahre damit verbracht hat, stur auswendig zu lernen und zu vergessen.
Ist aber Inhalt des Artikels den ich hier verlinkt habe und doch, ich sehe den Unterschied gerade in der Didaktik und nicht im "elitären Kreis", der diese Schulen formt. Das ist in meiner Schule sehr durchwachsen.
Natürlich gibt's da Akademiker und andere Oberschichtler, aber eben auch genug Leute wie uns, die das trotz niedrigerem Budget ihren Kindern ermöglichen wollen.


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Waldorfschulen

29.01.2023 um 10:29
Zitat von SuiGenerisSuiGeneris schrieb:Es kommt sicherlich auf die Schule an. Soweit ich gehört habe, unterscheidet es sich von Waldorfschule zu Waldorfschule.
Dann wird da aber ein Standard nicht erfüllt, oder? Vermutlich sogar der eigene nicht.


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Waldorfschulen

29.01.2023 um 13:41
Meine beiden Jüngsten gingen auf eine Gemeinschaftsschule, da reichte die Spannweite der Eltern vom Unternehmer bis zum ALG-II-Empfänger, vom Grossbauern bis zum Frührentner. Grob überschlagen an Hand der Namen der Telefonlisten kamen die Kinder oder ihre Vorfahren aus Deutschland, Dänemark, Türkei, Irak, Russland, Polen, Vietnam und ein paar, die ich ohne Hilfe nicht so rasch zuordnen kann. Das Taschengeld bei 15-Jährigen reichte von 0 bis "vielleicht 100 Euro in der Woche". Ich kannte Klassenkameraden meiner Kinder, die haben mal eben ein Pferd geschenkt bekommen. Andere teilten sich mit ihren Geschwistern ein Bett. In der Schule war glücklicherweise die gesamte Spannbreite einer Klassengesellschaft vertreten, vielleicht mit Ausnahme der Superreichen. Die sind dann eher auf Privatschulen. In der Schule gab es behinderte Kinder und solche, denen eine Behinderung fehlte, es gab Kinder von Geflüchteten, Zugezogenen und Ureinwohnern, von "heilen Familien", Alleinerziehenden und Patchwork- und Regenbogenfamilien. Das ist sozusagen das ganze pralle wahre Leben. Darin konnten und mussten sich meine Kinder einsortieren. Wir sorgten schon dafür, dass sie nicht übermütig und hochnäsig wurden.

Meine Kinder erlebten so glücklicherweise die unterschiedlichsten Kinder aus unterschiedlichsten Elternhäusern. Natürlich gab es, wie erwähnt in ihren Klassen die Kids, die sagen konnten "Papa hat mir zum Geburtstag ein Reitpferd geschenkt" - aber eben auch die, die im Winter in Turnschuhen durch den Schneematsch laufen mussten, weil die Eltern sich kein vernünftiges Schuhwerk für die Kinder leisten konnten. Wir hatten uns bewusst für diese Schulform und nicht für ein elitäres Gymnasium oder gar eine Privatschule entschieden. Kinder können gar nicht früh genug lernen, dass Einkommen oder Herkunft der Eltern, Geschlecht, Hautfarbe, Behinderung keine Kriterien für den Wert eines Menschen darstellen. Schliesslich werden sie später auch mit höchst unterschiedlichen Menschen zu tun haben.

Inzwischen sind die beiden schon längst aus der Schule raus und stehen mit beiden Beinen fest in der Arbeitswelt im Bereich Film/TV bzw. Werbewirtschaft, sind politisch, sozial und kulturell engagiert. Rückwirkend sagen beide, dass sie von der Diversität ihrer Mitschülerinnen profitierten: I've looked at life from both sides now...


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29.01.2023 um 14:44
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb: Dann kenne ich wohl sehr viele Lehrer, die laut deiner Definition keinen guten Unterricht gestalten.
Dann solltest du mal daran arbeiten, gute Staatsschullehrer kennenzulernen, damit du kein einseitiges Bild vermittelst :-).
Zitat von KältezeitKältezeit schrieb:Ist aber Inhalt des Artikels den ich hier verlinkt habe und doch, ich sehe den Unterschied gerade in der Didaktik und nicht im "elitären Kreis", der diese Schulen formt. Das ist in meiner Schule sehr durchwachsen.
Natürlich gibt's da Akademiker und andere Oberschichtler, aber eben auch genug Leute wie uns, die das trotz niedrigerem Budget ihren Kindern ermöglichen wollen.
Ich arbeite an einer Brennpunktschule - da bist du sehr froh, wenn du einen Schüler oder eine Schülerin hast, die von einem Elternteil betreut wird und im Fokus dieses Elternteils ist - und das Elternteil vernünftige Entscheidungen für das Kind trifft und Stuktur und "basics" einfordert - daher würde ich den elitären Kreis nicht nach dem Einkommen definieren, sondern nach dem "Vernunftfaktor" der Eltern und der Bereitschaft, sich mit dem eigenen Kind zu beschäftigen.
Zitat von DoorsDoors schrieb:Meine beiden Jüngsten gingen auf eine Gemeinschaftsschule, da reichte die Spannweite der Eltern vom Unternehmer bis zum ALG-II-Empfänger, vom Grossbauern bis zum Frührentner.
Zitat von DoorsDoors schrieb:Inzwischen sind die beiden schon längst aus der Schule raus und stehen mit beiden Beinen fest in der Arbeitswelt im Bereich Film/TV bzw. Werbewirtschaft, sind politisch, sozial und kulturell engagiert.
Ich arbeite seit 20 Jahren an der gleichen Schule - leider muss man sagen, dass sich die Bedingungen an meiner Schule im letzten Jahrzehnt stetig verschlechtert haben und dass man heute Gemeinschaftsschulen oder auch Realschulen nicht mehr mit der Schulart vor 10-20 Jahren vergleichen kann. Warum? Hier ein Einblick in den Alltag:

Bei uns in B-W fiel so gegen 2008 oder 2009 die verbindliche Grundschulempfehlung weg, d.h. es zählt heute nur noch der Elternwille, auf welche Schulart das Kind nach der Grundschule wechselt. Das alte System (Lehrer empfiehlt verbindlich) hatte schon auch seine Tücken, aber z.B. an meiner Schule hast du Klassen mit bis zu 50% der Schüler, die gar keine Empfehlung für die Schulart bekommen haben - bei manchen klappt das erstaunlich gut, beim Großteil zeigt sich jedoch schnell, dass die Kinder überfordert sind, zu Hause keine angemessene Förderung erhalten und die Schule alleine die großen Lücken nicht aufarbeiten kann: Schnell entwickeln die Kinder dann Verhaltensauffälligkeiten im Unterricht, die den Unterricht für alle "bremsen".

Der Anteil an verhaltensauffälligen Kindern ist ohnehin gestiegen - bei uns in B-W schlossen viele Sonderschulen. da das Ziel eine Integration der Kinder war - an sich eine sehr schöne Idee, leider kein Personal. Da hast du nun 30 SuS in der Klasse, 15 ohne Empfehlung für die RS, die du eigentlich besonders fördern musst, und 10 davon, die einfach schon Probleme haben, sich an Regeln zu halten - die musst du auch besonders im Auge behalten. Bei uns an der Schule sind ca. 15 davon Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nur in der Schule sprechen, d.h. eigentlich musst du dieses Defizit auch noch ausgleichen. Nun hast du aber beispielsweise noch einen Autisten, der eine Einzelintegration durchläuft und z.B. 10 Stunden eine Unterrichtsbegleitung hat (auf dem Papier) - wenn du Pech hast, ist die mehr krank als da.

Nun ein Beispiel, wie ein Schulalltag ablaufen kann. Du hast 90 Minuten Biologie und das Ziel ist, die Verwandlung von Kaulquappe zu Frosch zu besprechen. Du kommst pünktlich zum Unterricht - zwei deiner verhaltensauffälligen Schüler haben sich aber schon in die Wolle bekommen und geprügelt - Stimmung ist so aufgeheizt, dass du zwei weitere Kollegen bittest (ich gendere nun nicht), dir zu helfen = es findet in drei Klassen nun kein Unterricht statt. Die Klärung des Vorfalls dauert 20 Minuten, der Aggressor ist völlig uneinsichtig, du bringst ihn zur Schulleitung - die hat aber keine Zeit. Du setzt ihn extra, gehst und beruhigst die Klasse. Nach 30 Minuten kann der Unterricht starten.

Nun kannst du nicht mit einer Kaulquappe einsteigen - die glauben sonst, es ist ein Spermium - ganz viele unserer Schüler gehen nie aus ihrem "Kiez", die wissen nicht, dass es Frösche gibt bzw. wissen nichts über Frösche (hier ist, wo die Mittelschichterziehung greift, diese Kinder wissen das). Du bringst sie also auf den Stand. Dabei hast du aber noch die 15 SuS ohne ausreichende Deutschkenntnisse, du führst also nebenher die Vokabeln Amphibie, Frosch, Kaulquappe, Tümpel, Laich ... ein. Wenn du Pech hast, kommen sie aus einem Teil der Welt, wo es keine Amphibien gibt und du musst erst mal grob Vorwissen aufbauen.

Erledigt - 15 Minuten gebraucht - 45 Minuten vergangen. Nun zum eigentlichen Unterrichtsbeginn: Geht nun leider doch nicht, weil dein Schüler auf dem Gang beginnt, sich zu langweilen und den Unterricht in der Parallelklasse stört - also wieder zur Schulleitung. Die hat keine Zeit, glücklicherweise ist beim Sozialarbeiter ein Termin weggefallen, der kann sich kümmern. Zurück ins Klassenzimmer. Da ist nun dein Autist total gestresst - weil ihn das immer stresst, die Lautstärke, die vielen Schüler, kein Lehrer, .... du bringst ihn kurz auf den Gang - verteilst aber eine Stationenarbeit. Du beruhigst den Autisten und bringst ihn zurück.

80% der Schüler haben noch nicht anfangen. Du klärst, wo die Schwierigkeiten im Einzelnen sind. Dein nach dem Autisten schwierigster Schüler fängt nicht an - du führst ein Einzelgespräch. Dann hast du noch zwei SuS, wo du dich fragst, warum sie auf der Realschule sind, sie haben einen reduzierten IQ - du hast die Stationenarbeit schon differenziert für sie, aber sie schaffen es ohne Hilfe trotzdem nicht - du darfst auch nicht zieldfferent unterrichten, dein Unterricht soll ja Realschulniveau haben, .... Fünf Minuten läuft es, dann klopft der Kollege nebenan ... einem Schüler ist heftig schlecht geworden, er muss ins Krankenzimmer, du musst die Klasse mit übernehmen. Du schaffst es nur, sie ruhig zu halten, aber nicht, dass jemand weiterarbeitet ...

So ist Unterricht derzeit. Daher will den Job auch niemand mehr machen und der Burnout bei Lehrern ist so hoch.

Wenn du dann eine Schule mit gemäßigter Schülerschaft hast, dann ist dein Wirkungsgrad als Lehrer besser - das würde ich aber den extrem schlechten Bedingungen auf der staatlichen Schule und nicht der Waldorfschule zuschreiben.


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